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Französisches Missverständnis

aussenhandelssaldoZahlungsbilanztheorie und was die französische Regierung daraus macht! Es wird mal wieder Zeit für eine grundsätzliche Bemerkung. Die neue französische Initiative zur Reduzierung der deutschen Exportüberschüsse zeigt ein fundamentales Missverständnis über die Zusammenhänge in der Zahlungsbilanz. Zur Erinnerung: Es seien besonders die deutschen Exportüberschüsse, die den europäischen Partnern Schaden zufügten. Deshalb sollte Deutschland weniger exportieren und dies durch höhere Löhne durchsetzen – Stichwort kaufkraftorientierte Lohnpolitik. Abgesehen davon, dass niemand die Tarifpartner zur Erhöhung der Löhne zwingen kann, würde eine Reduzierung deutscher Exporte (durch Verteuerung oder Qualitätsverringerungen) keineswegs automatisch eine Passivierung der deutschen Handelsbilanz zur Folge haben. Wahrscheinlich bleiben die Salden in Deutschland und anderswo auf dem vorherigen Stand, nur es würde weniger exportiert und importiert werden. Nur die Umsätze sinken, und damit die Einkommen und vermutlich die Beschäftigung – allerdings nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa!

Die Zahlungsbilanz ist im Grundsatz immer ausgeglichen, von statistischen Fehlern einmal abgesehen. Die Handelsbilanz als eine Teilbilanz wird gespiegelt durch die Kapitalbilanz. Entscheidend für das Entstehen von Salden in der Handelsbilanz ist die Differenz zwischen Ersparnis und Investition bzw. die Differenz zwischen der Summe aus Konsum und Investition, also der Absorption, und dem gesamtwirtschaftlichen Einkommen eines Landes. Ist diese Null, ist die Handelsbilanz ausgeglichen. Wird in einem Land mehr gespart als investiert, gibt es einen Überschuss der Handelsbilanz, der deutsche Fall. Wenn aus Deutschland mehr auf den internationalen Märkten verkauft als gekauft wird, gibt die deutsche Wirtschaft dem Ausland einen Kredit. Dem Handelsbilanzüberschuss steht ein Kapitalbilanzdefizit gegenüber. Dieser Kredit bedeutet natürlich eine Verschuldung des Auslandes. Dort wird mehr konsumiert und investiert, als an Einkommen erwirtschaftet wird. Manchmal ist dies sinnvoll, wenn nämlich das Land nicht alle Investitionen aus den eigenen Ersparnissen finanzieren kann. Manchmal ist dies weniger sinnvoll, wenn nämlich Konsum damit finanziert wird und die Schuldenlast stetig ansteigt. In Deutschland ist es genau umgekehrt: Bei uns wird weniger investiert als gespart. Dies muss ebenfalls nicht sinnvoll sein, denn bei Massenarbeitslosigkeit sollten die deutschen Ersparnisse auch hier investiert werden, um neue Beschäftigung zu schaffen. Der Handelsbilanzüberschuss spiegelt gerade nicht die hohe Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wider.

Beides – das Defizit dort und der Überschuss hier – ist aber nicht die Schuld der Exporteure aus Deutschland. Hier spielt eine komplexe Gemengelage aus unterschiedlichen Präferenzen und wirtschaftspolitischen Anreizen eine Rolle. Die deutschen Exporteure haben sich fit gemacht für den globalen Wettbewerb. Durch die gesunkenen Lohnstückkosten (d.h. um Produktivität bereinigte Löhne) werden Arbeitsplätze geschaffen bzw. gehalten, gerade ohne dass die Löhne fallen müssen, über eine Erhöhung der Produktivität eben. Steigen die Löhne aber über die Produktivität hinaus, führt dies nicht zwingend zur Absicherung der Binnenkonjunktur, aber garantiert zur Erschwerung des Exports und der Gefährdung heimischer Arbeitsplätze, ohne in Frankreich oder Griechenland welche zu schaffen. Denn niedrigere Einkommen wegen verringerter Exporterlöse führen zu geringere Importnachfrage, vor allem dann, wenn die Anreize zur Kreditvergabe hier und der Kreditaufnahme dort nicht entfallen.

Im Gegenteil, die griechische Regierung hat es durch eine striktere Haushaltsführung selber in der Hand, die Verschuldung des Landes zu senken. Dann werden die Defizite der Handelbilanz automatisch kleiner. In diesem Fall verbessert sich die Wettbewerbsfähigkeit griechischer Exporte (wegen geringer Löhne, abnehmender Korruption und ähnlichem). Bruttoströme nehmen zu und Nettosalden ab. Allen ist geholfen!