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Europas Fahrt ins Ungewisse

Am 24./25. März wurden auf dem EU Gipfel tiefgreifende Veränderungen der Architektur der Währungsunion beschlossen. Stabiler sollte der Euro werden. Im Prinzip gut gemeint. Doch gut gemeint ist nicht gleich gut (frei nach Tucholsky). Es fängt mit der Behauptung an, es bedürfe gemeinsamer Anstrengungen um die „Euro Krise“ zu überwinden. Es gibt keine Euro Krise. Im Gegenteil: Der Euro ist gegenüber dem US Dollar sogar überbewertet. Was die Währungsunion belastet ist eine Schulden- und Wachstumskrise in einzelnen Mitgliedsstaaten. Dieser Unterschied ist nicht semantisch, sondern fundamental. Er macht nämlich deutlich, dass die Probleme hausgemacht sind und infolgedessen eine Therapie von den betroffenen Ländern selbst betrieben werden muss.

Mit der Einrichtung des nunmehr dauerhaften Krisenmechanismus (ESM) begibt sich die EU nun auf brüchiges Terrain. Wer glaubt, der ESM sei ein adäquates Regelwerk zur Krisenprävention und -bewältigung, muss leider enttäuscht werden. Denn es bestehen erhebliche Schwachstellen:

  1. Die grundlegende Bedingung für eine Hilfsgewährung – die Unerlässlichkeit für die Wahrung der Stabilität im Euro-Raum als Ganzem – macht die Regierungen solider Staaten durch die Regierungen mit unsolider Haushaltspolitik erpressbar. Diese müssen nur die Neuverschuldung so ausweiten, dass sie systemrelevant werden.
  2. Dass für die Gewährung von Finanzhilfen ein „einstimmiger“ Rats-Beschluss gebraucht wird, ist kontraproduktiv. Es wird erneut alles politisiert und verschleppt. Zielführend wäre gewesen, den Entscheidungsprozess zur Aktivierung des ESM zu automatisieren, sprich eine unabhängige Institution damit zu betrauen.
  3. Problematisch ist außerdem, bei der Festsetzung des Kredit-Zinssatzes durch den ESM großzügig sein zu wollen. Die erwünschte Lenkungsfunktion der Zins-Spreads auf dem Kapitalmarkt wird konterkariert. Zinssubventionen schaffen für Regierungen den Fehlanreiz, sich doch wieder übermäßig zu verschulden, während private Investoren/Banken es erneut an einer rigorosen Risikoabwägung beim Kauf von staatlichen Schuldtiteln missen lassen werden.

Offen bleibt die Frage nach einer vernünftigen Insolvenzordnung für Staaten innerhalb der Euro-Zone. Und die Sinnhaftigkeit einer Überwachung von sog. Leistungsbilanzungleichgewichten in den Mitgliedsländern ist ökonomisch nicht nachvollziehbar. Wo bleibt z. B. eine Schuldenbremse wie hierzulande?

Der Europäische Rat hat bei der Aufgabe versagt, das Primat der wirtschaftspolitischen Eigenverantwortung sicherzustellen. Stattdessen folgt er dem Irrglauben, dass Interventionismus und Gemeinschaftshaftung eine solide Basis für die gewünschte Stabilität innerhalb der Euro-Zone hergeben. Den Protagonisten des EU Gipfels fehlte es offensichtlich an Mut, ökonomische Vernunft walten zu lassen. Ob der deutsche Steuerzahler auf Dauer stillhält?


Die Langfassung dieses Beitrags ist am 05. April 2011 als Ordnungspolitischen Kommentar des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln erschienen.