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Moderne Wachstumsstrategie für Europa

Die vergangene Dekade war eine Zeit, in der die Peripherie Europas gegenüber dem Zentrum kräftig aufholte. Aber ein Teil des Aufholprozesses hat sich als nicht nachhaltig, sondern als „Blase“ erwiesen. Das Muster war überall ähnlich: Es gab einen Boom im jeweiligen nationalen Binnenmarkt, die lokalen Dienstleistungen und Immobilien verteuerten sich stark und die Löhne stiegen schneller als die Arbeitsproduktivität. Das Ergebnis: drastisch verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Zentrum Europas. Dies ging lange gut, bis die Binnenmarktblase schließlich doch platzte – im Zuge der Weltfinanzkrise. Danach wurde die gesamtwirtschaftliche Schieflage schonungslos aufgedeckt: riesige Defizite in Staatshaushalt und Leistungsbilanz, unsichere Bankensysteme, Vertrauensverlust an den Kapitalmärkten, Schuldenkrise. Griechenland, Irland, Portugal und Spanien haben über ihre Verhältnisse gelebt, weil sie geglaubt hatten, dass es quasi einen Automatismus in Richtung einer Konvergenz der Arbeitsproduktivität in Europa zwischen Peripherie und Zentrum geben würde. Aber eine Konvergenz wird sich nicht so schnell einstellen. Der wichtigste Grund dafür ist die mangelnde Innovationskraft der Industrie in den Peripherie-Staaten.

Gleiches gilt in ähnlicher Form für die mitteleuropäischen Länder und auch Ostdeutschland. Diese leiden noch heute unter dem langfristigen Flurschaden des Sozialismus, also der Zerstörung kapitalistischer Strukturen durch die langjährige politische Gefangenschaft in einer Planwirtschaft mit extrem innovationsfeindlicher Arbeitsteilung.

Für die Stärkung der industriellen Innovationskraft in den einzelnen Ländern liegt in erster Linie in der Verantwortung der jeweils nationalen Wirtschaftspolitik. Erst in zweiter Linie ist hier die EU gefragt. Die EU-Förderung bedarf jedoch einer Verlagerung der Schwerpunkte – weg von konsumnahen Förderprogrammen hin zu regional-, wissenschafts- und bildungspolitischen Initiativen. Kurz: Zur Überwindung der wirtschaftlichen Spaltung bedarf einer modernen wachstumsorientierten Industriepolitik.


Ursprung dieses Blogbeitrages ist ein Namensartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 1. April 2011. Hier geht es  zum Download des Artikels.