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Keine Freiheit ohne Ordnung

Buchkritik: Gabor Steingart, Das Ende der Normalität – Nachruf auf unser Leben, wie es bisher war, München 2011 Einem so exzellenten Schreiber wie Gabor Steingart traut man zu, dass ein Essay über das „Das Ende der Normalität“ große Unterhaltungslektüre mit ernstem Ton und ironischem Augenaufschlag ist. Schon der mit Trauerrand bedruckte Einband seines „Nachrufs“ lässt einiges hoffen. Doch es soll nicht sein. Vielleicht liegt es daran, dass der Autor mit seinen (erst) 48 Jahren schon frühzeitig altersmilde und viel zu langatmig erklärt, was ohnehin schon alle wissen: Statt Freundschaft zählt heute Facebook, statt Schlafzimmersex Youporn, statt Widerstand Wut, statt Sozialstaat Seilschaft. Normalität sei für unser Leben so wichtig wie die Erdanziehungskraft für das Funktionieren des Kompasses, schreibt Steingart. Doch die neue Variante der Spezies Mensch“ habe sich eine Welt der ungezählten Wirklichkeiten erschaffen. Das einzig Zuverlässige ist ihre Unzuverlässigkeit“.

Das Leben, wie es bisher war, meint Steingart, verabschiedet sich. Heute könne eine verwirrende Vielzahl von Leben innerhalb einer Lebenszeit gelebt werden. Soweit diese Vielzahl der Lebensmöglichkeiten den einen irritiert oder gar lähmt, lässt sie den anderen zu einem freien Menschen werden. Ein für Steingart durchaus beglückender Zustand. Doch ist kein Glück von Dauer, wenn dem Leben die Ordnung stiftende innere Fülle fehlt. Für solche Fälle empfiehlt Steingart zum Ende seines Buches – etwas überraschend – „die Stille der Kirchen und die Spiritualität ihrer Gottesdienste“.

Es ist schade, dass der Autor die Chance verpasst, wirklich neue Ideen zu entwickeln und den derzeitigen Wandel als den Beginn eines Aufbruchs und eines großen gesellschaftlichen und politischen Wagnisses ausführlicher und anteilnehmender zu analysieren. Die Kompetenz hätte er. Vor zwei Jahren gelang das Claus Leggewie und Harald Welzer mit dem in Textart und Titel sehr ähnlichen Buch: „Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“.