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Keine Euro-Rettung ohne TARGET2-Reform!

Von Prof. Dr. Andreas Freytag und Dr. Christian Fahrholz Die von Hans-Werner Sinn eröffnete Debatte um das sogenannte Target-2-System der Zentralbanken bewegte sich bisher vornehmlich auf der monetären Ebene. Realwirtschaftlich wurde das Problem bisher aber wenig durchleuchtet. Das Target-2-System stellt sicher, dass der Zahlungsverkehr zwischen den Zentralbanken des Euro-Systems funktioniert. Die starke Ausweitung der Target-2 Salden in den Bilanzen der nationalen Zentralbanken ist einerseits dadurch bedingt, dass der private Sektor Wertpapieranlangen in der Peripherie auflöst und in die Kernländer umschichtet. Jenseits dieser finanziellen Konsolidierung bzw. Kapitalflucht finanzieren die Peripherieländer weiterhin Warenimporte über die Zentralbankgeldschöpfung im Target-2-System. Das hat realwirtschaftliche Konsequenzen. Die über Target-2 finanzierten Warenimporte in die Peripherie zementieren so die dortigen nicht wettbewerbsfähigen Produktionsstrukturen und befeuern auf der anderen Seite den Export und die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Zu Vor-Euro-Zeiten hätten Wechselkursbewegungen frühzeitig einen Strukturwandel ausgelöst. Das gegenwärtige System verschärft jedoch die realwirtschaftliche Fehlallokation und macht Kreditereignisse in der Peripherie wahrscheinlicher. Sollte ein Peripherieland als insolvent eingestuft werden und aus dem Euro austreten, muss die EZB, die in ihrem Besitz befindlichen Staatsanleihen abschreiben genauso wie die Bundesbank ihre Target-2-Forderungen. Die mögliche Belastung für die deutschen Steuerzahler beläuft sich bereits gegenwärtig in etwa auf Höhe des jährlichen Bundeshaushalts. Was also tun? Aus der Theorie des Marktversagens ergeben sich drei Alternativen. Erstens: Die Politik könnte eine Obergrenze für Target-2-Salden einführen. Zweitens: Die EZB könnte einen Sonderabschlag für Staatsanleihen, die sie als Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte entgegen nimmt, erheben – also eine Art Pigou Steuer. Und Drittens – eine überaus effiziente Alternative: Man schafft einen Markt für Verschuldungsrechte im Euro-Raum,  in dem man eine Höchstgrenze des Kreditwachstums festlegt. Die Länder bekämen anteilig Verschuldungsrechte zugeteilt, die sie untereinander handeln könnten. Negative Externalitäten durch übermäßige Verschuldung wären damit weitestgehend ausgeschaltet. Ohne Reform des Target-2-Systems laufen andere Reformen ins Leere und eine Rettung des Euro würde in immer weitere Ferne rücken.
Dr. Christian Fahrholz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Graduiertenkolleg Global Financial Markets an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Beitrag ist eine Zusammenfassung des Working Papers "Realwirtschaftliche Aspekte der gegenwärtigen Krise im Eurosystem: Ursachen, Wirkungen und Reformansätze".

Von Prof. Dr. Andreas Freytag und Dr. Christian Fahrholz

Die von Hans-Werner Sinn eröffnete Debatte um das sogenannte Target-2-System der Zentralbanken bewegte sich bisher vornehmlich auf der monetären Ebene. Realwirtschaftlich wurde das Problem bisher aber wenig durchleuchtet.

Das Target-2-System stellt sicher, dass der Zahlungsverkehr zwischen den Zentralbanken des Euro-Systems funktioniert. Die starke Ausweitung der Target-2 Salden in den Bilanzen der nationalen Zentralbanken ist einerseits dadurch bedingt, dass der private Sektor Wertpapieranlangen in der Peripherie auflöst und in die Kernländer umschichtet. Jenseits dieser finanziellen Konsolidierung bzw. Kapitalflucht finanzieren die Peripherieländer weiterhin Warenimporte über die Zentralbankgeldschöpfung im Target-2-System. Das hat realwirtschaftliche Konsequenzen.

Die über Target-2 finanzierten Warenimporte in die Peripherie zementieren so die dortigen nicht wettbewerbsfähigen Produktionsstrukturen und befeuern auf der anderen Seite den Export und die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Zu Vor-Euro-Zeiten hätten Wechselkursbewegungen frühzeitig einen Strukturwandel ausgelöst. Das gegenwärtige System verschärft jedoch die realwirtschaftliche Fehlallokation und macht Kreditereignisse in der Peripherie wahrscheinlicher. Sollte ein Peripherieland als insolvent eingestuft werden und aus dem Euro austreten, muss die EZB, die in ihrem Besitz befindlichen Staatsanleihen abschreiben genauso wie die Bundesbank ihre Target-2-Forderungen. Die mögliche Belastung für die deutschen Steuerzahler beläuft sich bereits gegenwärtig in etwa auf Höhe des jährlichen Bundeshaushalts.

Was also tun? Aus der Theorie des Marktversagens ergeben sich drei Alternativen. Erstens: Die Politik könnte eine Obergrenze für Target-2-Salden einführen. Zweitens: Die EZB könnte einen Sonderabschlag für Staatsanleihen, die sie als Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte entgegen nimmt, erheben – also eine Art Pigou Steuer. Und Drittens – eine überaus effiziente Alternative: Man schafft einen Markt für Verschuldungsrechte im Euro-Raum,  in dem man eine Höchstgrenze des Kreditwachstums festlegt. Die Länder bekämen anteilig Verschuldungsrechte zugeteilt, die sie untereinander handeln könnten. Negative Externalitäten durch übermäßige Verschuldung wären damit weitestgehend ausgeschaltet. Ohne Reform des Target-2-Systems laufen andere Reformen ins Leere und eine Rettung des Euro würde in immer weitere Ferne rücken.


Dr. Christian Fahrholz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Graduiertenkolleg Global Financial Markets an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der Beitrag ist eine Zusammenfassung des Working Papers “Realwirtschaftliche Aspekte der gegenwärtigen Krise im Eurosystem: Ursachen, Wirkungen und Reformansätze”.