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Drei Lektionen aus der Eurokrise

Die Freiheit des Kapitalverkehrs ist ein hohes Gut. Aber sie ist ein scharfes Schwert, das unsolide Finanzpolitik und unseriöses privates Ausgabeverhalten in aller Härte bestraft - ohne Rücksicht auf Schuldfragen. Die Politik ist derzeit damit beschäftigt, dies mühsam zu lernen. Hoffentlich beherzigt sie dabei drei ordnungspolitische Lektionen. Die erste betrifft das, was derzeit gerne als Fiskalunion bezeichnet wird. Gemeint ist damit die gemeinsame Kontrolle von öffentlichen Haushalten und privaten Kreditmarktblasen in den Ländern der Eurozone. Diese Kontrolle war bis in die jüngste Vergangenheit praktisch null: Die massiven Schieflagen in den peripheren Ländern bauten sich seit 1999 erkennbar auf, ohne dass es eine unabhängige Instanz gab, die sie kritisierte, politisch an den Pranger stellte und Konsequenzen vorschlug. Dies muss sich ändern. Dabei geht es nicht im französischen Geist um die Schaffung eines Wirtschafts- und Finanzministeriums der Eurozone, das sich in die Details der konkreten nationalen Politik einmischt. Es geht allein um die Beobachtung und Kontrolle der nationalen Belastung der Finanzmärkte. Ein wichtiges Element dabei sind Schuldenbremsen, am besten fest verankert in den nationalen Verfassungen. Die zweite Lektion betrifft den nationalen Krisenfall, wenn er dann doch einmal eintritt. Dann sind Hilfsmaßnahmen nur zu gewähren, wenn tatsächlich das betreffende Land bereit ist, radikale Spar- und Reformmaßnahmen exekutiv zu beschließen und parlamentarisch abzusichern. Es geht letztlich um die Bereitschaft, sich ökonomisch unter Kuratel stellen zu lassen, wie es derzeit Griechenland gegenüber der Troika tun muss. Fehlt diese Bereitschaft, ist die Geschäftsgrundlage für die Mitgliedschaft in der Eurozone zerstört – und eigentlich auch für die Mitgliedschaft in der EU, denn die Rückkehr eines Krisenlandes zu einer eigenen Währung ohne Kapitalverkehrskontrollen ist völlig illusorisch. Gerade die Drohung mit dem Ausschluss als ultima ratio wird in aller Regel die nationale Reformbereitschaft sicherstellen. Ob es dabei zu einem Schuldenschnitt kommt und wann dies geschieht, ist eher eine pragmatische Frage. Entscheidend ist allein, dass dem Land der Weg zurück in den globalen Finanzmarkt geebnet wird, und zwar ohne internationale Verbreitung der Krise und ohne Gefährdung des Euro.

Die dritte Lektion betrifft die Rolle des Rettungsfonds. Hier muss eine klare Linie gezogen werden zwischen dem – fiskalisch gespeisten – Fonds und der Zentralbank, die Geld druckt. Hilfe ist grundsätzlich eine Frage der Solidarität in der Eurozone, und zwar im wohlverstandenen Eigeninteresse. Die Bereitschaft zur Hilfe wird durch Beteiligung an dem Hilfsfonds dokumentiert und parlamentarisch beschlossen. Es ist ein ordnungspolitischer Sündenfall, wenn die Zentralbank Staatsanleihen einzelner Länder aufkauft und damit durch „quantitative easing“ die Schulden monetisiert. Dies mag in extremer Not unvermeidbar sein, um die Märkte zu beruhigen, aber die Politik muss alles tun, um diese Situation – anders als in der jüngsten Vergangenheit – eben nicht entstehen zu lassen. Dazu gehören auch Maßnahmen der Regulierung der Kapitalmärkte durch höhere Eigenkapitalquoten sowie eine Geldpolitik, die nicht nur die Preisinflation beim Verbrauch, sondern auch übergroße Blasen an den Kapitalmärkten vermeidet.


Die Langfassung dieses Blogbeitrages ist als Namensartikel unter dem Titel „Ordnung im Durcheinander“ am 05. Oktober 2011 im Handelsblatt erschienen.