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Verantwortungsloser Oppositionsreflex

Es gibt eine eherne Regel im Politikbetrieb: Die Opposition hat sich auf Seiten der „Verlierer“ zu positionieren, die durch Sparmaßnahmen der Regierung materielle Opfer erleiden. Dieser Oppositionsreflex zeigt sich immer dann in seiner schamlosesten Form, wenn die aktuelle Opposition noch vor kurzem in Regierungsverantwortung ähnliche Einschnitte gefordert hat.

Zu besichtigen ist dieser Vorgang in Baden-Württemberg. Dort stellt sich die oppositionelle CDU-Landtagsfraktion jetzt uneingeschränkt auf die Seite des Beamtenbundes, um die von der grün-roten Landesregierung bei den Landesbeamten angestrebten Einschnitte bei der Krankheitskosten-Beihilfe und den Bezügen in Höhe von 130 Millionen Euro im Jahr 2012 zu attackieren. Dabei hatte sich die CDU-geführte Landesregierung noch bis zu ihrer Abwahl im März dieses Jahres selbst für Kürzungen bei den Beamten stark gemacht. Denn ohne deutliche Leistungseinschnitte bei den privilegierten Staatsdienern wird der Landeshaushalt dauerhaft nicht ohne Neuverschuldung auskommen.

Wie oft schon hat dieser Oppositionsreflex in allen Lagern dazu geführt, dass notwendige Einschnitte nicht, nur eingeschränkt oder um Jahre zu spät verabschiedet wurden? Wie häufig schon haben diese Rituale des Politikbetriebs ihre Spuren auch in der medialen Darstellung hinterlassen, wurde dort weit mehr über die armen Opfer staatlicher Sparpolitik als über die desaströsen Folgen ungehemmter staatlicher Kreditaufnahme berichtet? Dabei müssten verantwortungsvolle Politiker jeder Couleur eigentlich einen Satz gemeinsam unterschreiben: Auf Dauer kann der Staat nur das ausgeben, was er vorher erwirtschaftet hat!

Diese schlichte Erkenntnis bedeutet aber für die politische Praxis, auf diesen Oppositionsreflex als dem Gemeinwohl verpflichteter Politiker zu verzichten. Zu diesen strukturellen Baustellen gehören gravierende Änderungen im Beamtenrecht. Wer die Beamtenprivilegien unangetastet lässt, wird in wenigen Jahren erleben, dass die exorbitant steigenden Ausgaben für die Versorgung der Ruhestandsbeamten immer stärker zur Verdrängung der Investitionsausgaben für Bildung und Infrastruktur führen. Gemessen an der Jahreswirtschaftsleistung der jeweiligen Bundesländer überschreiten langfristig die Ausgaben für Beamtenpensionen – vor allem in Westdeutschland – die Belastung durch die Zinsen für die verbrieften Staatsschulden.

Öffentliche Haushalte kommen auf Dauer aber nur dann ohne Kredite aus, wenn die Ausgaben reduziert werden. Das wird Opfer von vielen erfordern. Wer diese Konsequenz leugnet und lieber dem verantwortungslosen Oppositionsreflex huldigt, betreibt politische Scharlatanerie.