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Verschuldung segelt unter der Flagge der Gerechtigkeit

Griechenland muss sparen - darüber sind sich alle einig. Doch wie sieht es im eigenen Land aus? Unter dem Postulat der Gerechtigkeit werden weiter neue Wohltaten versprochen. Die Konsequenzen werden ausgeblendet.

Gerechtigkeit – das Totschlagsargument schlechthin, das Politiker immer dann instrumentell nutzen, wenn sie neue Leistungsversprechungen in die Welt posaunen und sich gegen den Vorwurf der Unfinanzierbarkeit zur Wehr setzen. Dabei stehen am Beginn der grassierenden Überschuldung der öffentlichen Budgets immer wohlfeile staatliche Leistungen, die ohne Rücksicht auf ihre solide Finanzierung eingeführt werden.

Wie mühsam sich das Einsammeln großzügiger Sozialleistungen im politischen Alltag gestaltet, sehen wir derzeit vor allem im bankrotten Griechenland. Hier sind sich alle einig, dass gespart werden muss. Für die aktuellen Entwicklungen im eigenen Land sind wir aber blind. Sehenden Auges ruft die bürgerliche Koalition in Berlin in den nächsten Monaten nach einer neuen Sozialleistung, dem Betreuungsgeld. Rund 2 Milliarden Euro wird der Bundeshaushalt künftig jährlich aufbringen müssen, damit Eltern für die Nichtinanspruchnahme von Kinderbetreuungsplätzen für ihre Sprösslinge Geld vom Staat erhalten. Die Fehlanreize, dieser Gießkannenförderung will ich hier nur kurz streifen. Aber für viele Kinder aus Problemfamilien ist jede Stunde, die sie in einer Kinderbetreuungseinrichtung verbringen, ein Gewinn – von vernünftiger Ernährung, spielerischer Zuwendung bis zu sprachlicher und feinmotorischer Förderung.

Und noch ein weiteres Gerechtigkeitsanliegen wird von den Sozialpolitikern derzeit vorbereitet: Die Rentenanwartschaften von Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren sind, für deren Kindererziehungszeiten sollen erhöht werden. Denn erst für die ab 1992 geborenen Kinder erhalten Eltern drei Kindererziehungsjahre bei der Rente angerechnet. Einer Frau, die in den ersten drei Lebensjahren ihres Kindes nicht erwerbstätig war, erhält dadurch eine Rentenanwartschaft, die den Pflichtbeiträgen eines Durchschnittsverdieners entspricht. Der Rentenwert für das Durchschnittseinkommen beträgt derzeit etwa 27 Euro Monatsrente. Auf den aktuellen Rentenwert umgerechnet erhöht also ein Kind die spätere Monatsrente um rund 81 Euro, sofern es ab 1992 geboren wurde. Die Eltern für alle zuvor geborenen Kinder erhalten dagegen nur ein Kindererziehungsjahr angerechnet, also 27 Euro monatliche Rentensteigerung. Der Preis dafür: Eine Kostensteigerung binnen eines Jahrzehnts um rund 6 Milliarden Euro jährlich. Der jährliche Zuschuss aus dem Bundeshaushalt müsste entsprechend erhöht werden oder die Beitragssätze der Arbeitnehmer stiegen um bis zu einem Prozentpunkt. Davon reden die Sozialpolitiker nicht. Sie segeln ja nur unter der Gerechtigkeitsflagge. Die Finanzierungsfrage ist für sie zweitrangig.

Doch ein Staat, der konsumtive Leistungen mit Krediten finanziert, muss Leistungen kürzen und Privilegien abbauen. Nur so lassen sich die Ausgaben senken. Wer im Jahrzehnt der Überschuldungskrisen neue Leistungsversprechungen auf die politische Agenda setzt, gehört in die Anstalt, nicht ins Parlament.