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Sorglos in guten Zeiten

Im Jahr 2014 könnte der Bund zum ersten Mal seit 1970 ohne Neuverschuldung auskommen und mit der Tilgung des Schuldenbergs beginnen, wie eine Studie im Auftrag der INSM zeigt. Damit könnte Wolfgang Schäuble in die Geschichte eingehen. Als Finanzminister, der einen Schuldenstopp durchsetzt und den Schuldenberg erstmalig nach über 40 Jahren reduziert. Doch reicht der Ehrgeiz dafür aus?

„Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve!“

Dieses Zitat des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter passt hervorragend an das Ende einer Woche, in der sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Eckpunkte seines Haushaltsplans für das Jahr 2013 vom Kabinett hat absegnen lassen. Nach Hans Eichel und Peer Steinbrück ist Schäuble der dritte Finanzminister in Folge, der den Deutschen einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden verspricht. Im Jahr 2016 sollen die Einnahmen des Bundes seine Ausgaben praktisch komplett decken. Die Sozialdemokraten Eichel und Steinbrück scheiterten, weil die Konjunkturentwicklung (2002) und die Finanzkrise (2008/2009) ihre optimistischen Annahmen in kürzester Frist über den Haufen geworfen haben. Und der Christdemokrat Schäuble, der aktuell vor allem von den Rekordsteuereinnahmen und den sinkenden Ausgaben für den Arbeitsmarkt profitiert? Kann er die nachhaltige Trendumkehr zu ausgeglichenen Staatsbudgets schaffen, für die Deutschland in Südeuropa mehr geächtet als geachtet wird?

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, vor einem Jahr noch wirtschaftspolitischer Berater der Kanzlerin, rügt zu Recht den mangelnden Sparwillen der Bundesregierung. In einem konjunkturellen Hoch, das Deutschland seit dem Wiedervereinigungsboom in den vergangenen zwanzig Jahren nicht erlebt hat, darf das um Konjunktureinflüsse bereinigte Defizit nicht ansteigen. Doch genau das passiert im laufenden Jahr. Wegen der ersten Euro-Rettungsmilliarden, die Deutschland jetzt nach Brüssel überweisen wird, verdoppelt sich außerdem die Neuverschuldung des Bundes im Jahr 2012 auf knapp 35 Milliarden Euro. Beim Kassenabschluss zum Jahresende 2011 betrug die Kreditaufnahme „nur“ 17,3 Milliarden Euro.

Statt die selbst gesetzten Einsparziele umzusetzen, surft die Bundesregierung recht bequem auf der Konjunkturwelle. Deutschland profitiert ferner von historisch niedrigen Zinssätzen bei der Staatsschuld, obwohl die Verschuldung absolut weiter steigt. Den Griechen, Italienern, Portugiesen und Spaniern halten wir doch vor, sie hätten die Zinsrendite bei der Euro-Einführung vor zehn Jahren nicht zur Konsolidierung genutzt? Erleben wir gerade ein kleines deutsches Déjà-vu?

Mit mehr Konsolidierungsehrgeiz könnte der Bundeshaushalt bereits vor dem Jahr 2016 ohne neue Kredite auskommen, meint der Bundesbankpräsident. Recht hat er. Doch dafür müsste die Bundesregierung Einsparungen durchsetzen und erst recht auf neue Sozialleistungen verzichten, die ab 2013 auf der Ausgabenseite zu Buche schlagen: die Zusatzrente für Geringverdiener oder das Betreuungsgeld für nicht arbeitende Eltern. Beide Maßnahmen starten mit niedrigen dreistelligen Millionenausgaben, steigen aber mit der Zeitdauer und den höheren Fallzahlen auf jährliche Milliardenbeträge. Will sich eine auf Solidität und Sparsamkeit setzende bürgerliche Koalition tatsächlich neue soziale Wohltaten leisten, die faktisch mit Krediten finanziert werden? Kann Deutschland bei dieser innenpolitischen Schizophrenie glaubwürdig Sparappelle an die südeuropäischen Euroländer richten?

Am 13. Mai wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Die rot-grüne Landesregierung scheiterte mit ihrem Haushalt und einer Verschuldungsorgie, die das mit Abstand größte Bundesland im bundesdeutschen Finanzausgleich strukturell in ein Nettonehmerland zu verwandeln droht. Hier könnte die Union im Wahlkampf das Thema solide Finanz- und Wirtschaftspolitik besetzen: mit Vorschlägen zur Begrenzung der Pensionslasten für die Landesbeamten etwa oder einer klugen Bildungs- und Innovationspolitik, mit der die wirtschaftliche Prosperität dieses stolzen Bundeslandes rasch wieder gesteigert werden kann. Denn mit exzessiver Verschuldung wird künftiger Wohlstand vernichtet, weil die Zinseszins-Last unsere Kinder und Enkel stranguliert. „Verteilt werden kann nur, was vorher erwirtschaftet wurde“, lautete das Motto des legendären Ludwig Erhard. Die CDU sollte diese Losung nicht nur im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf beherzigen, sondern auch in der Regierungspraxis in Berlin.