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Die Konjunktur der Kümmerer

Sparen war gestern. In Griechenland stämmen die Wähler sich mit ihrem Votum gegen einen europäisch verordneten Sparkurs und hiezulande drohen Wahl-Geschenke auf Pump. Dabei: Sparpolitik ist mehrheitsfähig.

Der spektakuläre Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen hat viele Facetten. Die personellen und machtpolitischen Nachbeben im Parteiengefüge will ich hier nicht weiter beleuchten. Doch eine Meta-Botschaft des Urnengangs vom letzten Sonntag droht die politischen Botschaften der Parteien in Deutschland kurzfristig womöglich ähnlich stark zu verändern, wie es die Wählervoten in Griechenland und Frankreich einen Sonntag zuvor in diesen Ländern bewirken.

Schluss mit der Sparrhetorik lautet künftig die Botschaft der politischen Kümmerer, die seit der NRW Wahl wieder Konjunktur haben. Die Fürsorge des Staates kennt keine Grenzen. In einem solchen Kümmerland ist natürlich auch kein Platz für Studiengebühren. Und die Kindergartengebühren für das dritte Jahr sind dort selbstverständlich in Zeiten des staatlichen Kümmerns ebenfalls abgeschafft worden.

Man reibt sich als solider Finanzpolitiker verwundert die Augen. Das bevölkerungsreichste Bundesland hat im vergangenen Jahr 223 Millionen Euro aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich bezogen – von Ländern wie Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, in denen die Eltern nach wie vor Kindergartengebühren bezahlten oder die Studenten Studiengebühren (außer in Hessen).

Nur zu gern würde die Vox populi am liebsten sofort die deutschen Eurohilfen stoppen, um die Griechen Mores zu lehren. Doch die Verschuldungsorgie im eigenen Land, die sich in mehr als 134 Milliarden Euro Landesschulden manifestiert, übersieht man geflissentlich. Allein im I. Quartal 2012 hat Nordrhein-Westfalen wieder 1,8 Milliarden Euro neue Kredite aufgenommen – trotz Rekordsteuereinnahmen. Das ist aktueller deutscher Neuverschuldungsrekord unter allen Bundesländern. Weil das Volk nicht sparen will, wie die Wählervoten zu beweisen scheinen, soll es seinen – teuren – Willen bekommen.

Damit kommt die bisherige Konsolidierungsstrategie der Bundeskanzlerin, für die sie in Europa bisher gekämpft hat, jetzt doppelt unter Feuer. In Europa, weil dort das Primat der Konsolidierung nach französischer Lesart mit Wachstumsimpulsen flankiert werden soll, hinter denen sich nach aller Erfahrung eher neue kreditfinanzierte Ausgabenprogramme als Strukturreformen verbergen. Und innenpolitisch, weil die Angst vor der Abwahl nach dem NRW-Desaster alle finanzpolitische Zurückhaltung brechen wird.

Dabei bin ich felsenfest davon überzeugt, dass der glaubwürdige Einsatz für eine solide und langfristig tragfähige Staatsfinanzierung nicht nur oberste Priorität für unser aller Gemeinwohl hat, sondern auch mehrheitsfähig in der Bevölkerung ist. Dafür braucht es aber politische Köpfe, die sich dieses Themas mit Leidenschaft und kommunikativer Kompetenz annehmen. Doch diese Köpfe sind leider rar auf der politischen Bühne.