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Moralische Aufrüstung

Griechenland ist im Dilemma. Einerseits muss ein harter Sparkurs eingeschlagen werden. Andereseits lässt dieser die Wirtschaft weiter abstürzen. Sie aus der Eurozone zu entlassen, würde das Land ins Chaos stürzen. Ihnen weiter Geldgeschenke zu machen, dazu fehlt die Bereitschaft der Zahler. Kann moralischer Beistand den Griechen helfen?

Die einen Europäer schreien „Sparen“, die anderen wollen noch mehr Geld geben. Ein genauerer Blick auf den in den vergangenen Monaten oft erinnerten Marshall-Plan zeigt, was früher richtig war, und was heute noch gelten sollte:  Mit dem vom damaligen US-Außenminister Marshall inspirierten European Recovery Program gelang der Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten europäischen Länder. Die USA wussten, dass auch sie selbst nur gut wirtschaften konnten, wenn sie ansatzweise gleichwertige Partner hatten. Also gewährten sie Europa zwischen 1948 und 1953 insgesamt 13,1 Milliarden US-Dollar (das wären heute etwa 100 Milliarden Euro). Deutschland alleine bekam 1,4 Milliarden US-Dollar. Nur die Engländer (3,4 Mrd.) und die Franzosen (2,8 Mrd.) erhielten mehr.

Die Leistung der Amerikaner ist kaum hoch genug einzuschätzen. Vor allem die noble Geste, auch dem bestialischen Kriegstreiber Deutschland großzügig Aufbauhilfe zu ermöglichten, ist einmalig.

Jetzt zu Griechenland (kein Kriegsgegner, sondern befreundeter europäischer Nachbar!). Natürlich verhalten sich die Griechen wie borstige Teenager, die seit ihrem Euro-Zonen-Eintritt so gut wie alles falsch gemacht haben und nichts einsehen wollen. Dennoch: Sie zu verstoßen hieße, sie ins Chaos zu entlassen. Ihnen zu helfen, wahrt die große Chance, dass sie auf einen guten Weg finden. Dieser wird nur mit Geduld gelingen. Auf allen Seiten.

Gerade die deutsche Bereitschaft für den Süden noch mehr zu zahlen, ist nicht sonderlich hoch. Angesichts unserer Geschichte – angefangen bei 1948 – muss man sich aber wirklich fragen: Warum eigentlich nicht? Ist eine solche Haltung fair? Wir sollten endlich aufhören, zu jammern, dass sich Europas Länder auf unseren Portemonnaies ausruhen. Es stimmt nicht. Wir haben durch den Euro wie kein anderes Land wirtschaftlich gewinnen können. Seien wir doch stolz darauf, dass wir es uns leisten können, den anderen zu helfen. Seien wir so hilfsbereit wie einst die Amerikaner zu uns waren!

Wer zu dieser Haltung nicht fähig ist, weiß auch nicht das Glück zu schätzen, wie schön es ist, in einem Land zu leben, dass einem Bildung und Arbeit geben kann und dass unternehmerisch denkenden Menschen Chancen auf einem freien Arbeitsmarkt ermöglicht. Wir haben eine starke Wirtschaft – wovor haben wir Angst? Und warum? Man kann doch nicht nur dann Verantwortung tragen wollen, wenn‘ s was zu feiern gibt! Und wenn’s eng wird, die Türen zu machen.

Natürlich muss gespart werden. Absolut notwendig. Aber Sparen allein kann das Problem in Europa nicht lösen. Viele Ökonomen sind sich einig: Mit dem Rückgang der öffentlichen Aufträge schrumpft die Wirtschaftsleistung der Griechen – damit sinken ihre Steuereinnahmen – und dann muss noch mehr gespart werden. Es ist ein nun wirklich verbindlicher Plan nötig, der erstens diszipliniertes Haushalten vorschreibt (und Fehlleistungen bestraft) und zweitens Finanzmittel zur Verfügung stellt, um in Schieflage geratene europäische Staaten wieder aufzubauen. Wie er dann heißt – „Fiskalpakt plus Ergänzung“ oder Hollande-Doktrin oder Merkel-Plan – ist egal. Der aktuelle Vorschlag des Brüsseler Währungskommissars Olli Rehn, einen „Europäischen Investitionspakt“ zu beschließen, scheint jedenfalls in diese Richtung zu gehen.

Und noch was: Die Generation nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt nicht nur Hilfe durch den Marshall-Plan, sondern auch durch die sogenannte Oxfort-Gruppe, die als Moral Re-Armament  (MRA) – was so viel wie „Moralische Aufrüstung“ bedeutete – besonders unter deutschen Studenten der 50 Jahre viele Anhänger fand, die dann Deutschland in den 70er und 80er Jahren als Politiker und Manager zur Blüte verhalfen. Heute würde man wohl für den recht pädagogischen Begriff der „Moralischen Aufrüstung“ eher den bundespräsidialen Ausdruck der „Freiheit in Verantwortung“ wählen. Sie täte nicht nur europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitikern gut.


Dies ist ein Beitrag aus der Reihe “WachstumsBlog”. In einem bis zwei Beiträgen pro Woche beschäftigen sich Wirtschaftsexperten im ÖkonomenBlog mit Themen rund um nachhaltiges Wachstum.

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