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Verantwortung und Haftung sind außer Kraft

Die Politik reagiert auf die andauernde Euro-Krise seit Jahren mit der gleichen Lösung: das Außerkraftsetzen der Prinzipien Verantwortung und Haftung. Und mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus rückt nicht nur die Transferunion näher, sondern er hat auch weitere gravierende Auswirkungen.

Nennen Sie es Euro-Drama, staatliche Überschuldungs- oder Bankenkrise. Was die vermeintlich unterschiedlichen Begriffe gemein haben, ist die seit Jahren zu beobachtende immer gleiche politische Antwort: Verantwortung und Haftung der jeweiligen Akteuren werden systematisch außer Kraft gesetzt. Nicht die Verursacher riskanter Geschäfte, nicht die Politiker und Bürger von Pleitestaaten im Euroraum werden vorrangig zur Verantwortung gezogen, sondern zum „Kreditgeber der letzten Zuflucht“ (lender of last resort) ist längst die Europäische Zentralbank geworden, die inzwischen alle geldpolitischen Schranken aufgegeben hat und in unverantwortlicher Weise mit Billionensummen von Papiergeld die Märkte flutet. Am Horizont taucht das Angstwort „Währungsreform“ auf.

Wie dieser Haftungsausschluss und diese Verantwortungslosigkeit konkret praktiziert werden, ist aktuell in Griechenland zu beobachten: Die Europäische Finanz­stabilisierungsfaszilität (EFSF) hat der griechischen Regierung im April 25 Milliarden Euro zur Stabilisierung des griechischen Bankensektors überwiesen. In dieser Woche wurde der Großteil davon, nämlich 18 Milliarden Euro, zur Rekapitalisierung der vier größten Banken des Landes (Alpha, EFG, NBG und Piraeus) ausgegeben. Die Kapitalerhöhung wurde außerdem mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien umgesetzt. Damit behalten die Altaktionäre ungeschmälert ihren Einfluss, während der EFSF als gigantischer Geldgeber auch künftig das Geschäftsgebaren dieser Banken nicht beeinflussen kann

„No bail out“ war gestern, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Artikel 125 vereinbarte Nichthaftung für die Schulden anderer Mitgliedsstaaten. Heute führt man in der deutschen Innenpolitik Scheingefechte über die Ablehnung von Eurobonds, mit denen eine gemeinsame europäische Kreditaufnahme gemeint ist. Die ginge vor allem zu Lasten der bisher guten Bonität Deutschlands und würde die Zinslasten für die deutsche Staatsschuld um bis zu 50 Milliarden Euro jährlich steigen lassen.

Doch tatsächlich wird der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) den Euroraum dauerhaft in eine Transferunion verwandeln. Denn der ESM kann eigene Anleihen aufnehmen, um überschuldete Länder und ihre Banken auf Kosten der solideren Mitgliedsstaaten zu finanzieren.

Und der ESM wird die nationale Souveränität des deutschen Gesetzgebers abschaffen, weil seine Gremien – der sogenannte Gouverneursrat, in dem die Finanzminister der Mitgliedsstaaten Sitz und Stimme haben – mit Mehrheit beschließt, ob neues Geld zur Krisenrettung gebraucht wird. Binnen sieben Tagen müssen die Staaten dann frische Mittel nachschießen. Deutschland ist jeweils mit 27 Prozent der Summe dabei. Regierung und Parlament sind nicht mehr gefragt. Es ist ein politischer Skandal ersten Ranges, dass diese elementare Preisgabe nationaler Souveränität – die Budgethoheit gehört zum höchsten Gut eines souveränen Staates – nicht im Zentrum der innenpolitischen Debatte steht. Für mich ist diese Frage letztendlich so zentral, dass die Wählerinnen und Wähler in einer Volksabstimmung darüber befinden müssten.