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Der rosarote Punker

David Graeber: Schulden - die ersten 5.000 Jahre, Stuttgart 2012 Das Mastermind der Occupy-Bewegung zeichnet in seinem neuen Werk die 5000 Jahre umfassende Geschichte der Schulden nach. Doch das Schulden auch zurückgezahlt werden müssen, findet er nicht. Besser sei, die Schulden aller zu löschen um in ein schuldenfreies Utopia einzutreten.

Es ist ein monumentales Werk, das David Graeber mit seinem Buch „Schulden – die ersten 5.000 Jahre“ vorlegt. Auf 410 Seiten (plus 100 Seiten Anhang) gelingt es ihm, leicht, verständlich, mal anekdotisch, mal amüsant einen historischen Abriss über die Geschichte der Schulden zu liefern. Das ist eine Leistung, die Respekt verdient.

Dass Graeber dafür aber nicht nur in den Feuilletons der Weltpresse, sondern auch von vielen Vertretern der internationalen Wirtschafts- und Politik-Hautevolee wie der Messias einer neuen Ökonomie gefeiert wird, die das soziale Miteinander des Menschen wieder in den Mittelpunkt rückt, ist schon sehr verwunderlich. Vieles in seinem Buch ist zwar schönes, aber auch ziemlich realitätsfremdes Gerede – ein Buch beinahe aus dem Elfenbeinturm.

Graeber vermeidet es an fast allen Stellen, konkrete Vorschläge zu machen, wie eine Welt ohne ein Kreditsystem funktionieren soll, das auf dem Vertrauen in die Bereitschaft aufbaut, eine Verbindlichkeit absprache- und fristgemäß zu begleichen. Er möchte beweisen, wie widernatürlich Schulden sind und träumt letztlich von einem schuldenfreien Utopia – einer Welt, in der „die Menschen weniger arbeiten und mehr leben können“. Dass er damit alle Frustrierten in der zweifellos heillosen und vollkommen emotionsüberladenen globalen Debatte über Schulden, Macht und Einfluss begeistert, ist kein Wunder: Graeber, der Ethnologe und Wissenschaftler, gilt als „Mastermind“ der Occupy-Bewegung.

Die Vorstellung, dass Schulden immer zurückgezahlt werden müssten, sei im Grunde unmoralisch. Graeber will mit seiner historischen Darstellung zeigen, dass Geldleihen und Geld zurückfordern und -zahlen immer schon mit blutiger Gewalt einhergegangen sind und letztlich auf Sklaverei aufbauen. Die weltweite Schuldenwirtschaft heute sei eine Bankrotterklärung für die Ökonomie. Das System der Schulden bedeute letztlich die „Ökonomisierung aller sozialen Beziehungen“.

Für Graeber steht fest, dass spätestens in der übernächsten Generation der Kapitalismus, so wie wir ihn heute kennen, nicht mehr existiert – allein schon deshalb, weil er auf Wachstum ausgerichtet sei und die Ressourcen der Erde nun mal begrenzt sind. Der Autor ist überzeugt, dass die Menschen sich auch ohne Staat organisieren können. Bedingung: Sie müssten gelernt haben, immer wieder in offenen Diskursen Konsens zu finden – Woodstock ick hör dir trappsen.

Die größte Schelte erteilt er seiner Heimat, den USA – einer von ihm bezeichneten Plutokratie, in der 99 Prozent der Menschen von dem einen Prozent der Bürger abhängig sei, die die Macht innehätte. Noch provokanter wird es, wenn er den Vereinigten Staaten vorwirft, sie seien letztlich nur deswegen in den Irak einmarschiert, weil Saddam Hussein im Jahr 2000 wagte, den Dollar im Alleingang durch den Euro zu ersetzen. Auch die Zukunft der USA steht fest: Wenn es nach Graeber geht, wird sich sein Land irgendwann im Zuge der chinesischen Expansionspolitik in einen traditionellen chinesischen Satellitenstaat verwandeln.

Für uns alle abenteuerlich wird es ganz zum Schluss, wenn er schließlich der Welt „ein Ablassjahr nach biblischem Vorbild“ wünscht. Dies sei überfällig – für Staatsschulden wie für Konsumschulden. Seine Hoffnung: „Dass wir erkennen, dass Geld nichts Geheimnisvolles-Unvergleichliches ist und dass das Begleichen von Schulden nicht das Wesen der Sittlichkeit ausmacht.“ Dass er mit einem solchen Erlassjahr möglicherweise auch die Ersparnisse der 99 Prozent „Machtlosen“ riskiert, die ihr Geld in staatliche Anleihen oder Versicherungen angelegt haben, hat er wohl nicht bedacht.

Mit seiner rebellischen Haltung und seinem nonkonformistischen Verhalten will er sich als Punk-Ökonom profilieren. Das klappt solange sich die Medien für ihn interessieren. Sobald das Interesse erlahmt, wird von ihm wohl nicht mehr übrigbleiben als ein rosarotes Punkerchen – allerdings mit Bestsellerhonorar.