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Der Moralphilosoph schwingt die Peitsche

Graeme Maxton: Die Wachstumslüge – warum wir alle die Welt nicht länger Politikern und Ökonomen überlassen dürfen, München 2012, FBV Das moralphilosophische Werk von Graeme Maxton kritisiert zu viel ebenso wie zu wenig staatliche Regulierung, spricht sich aber für die deutsche Soziale Marktwirtschaft aus. Im Fokus stehen im Besonderen das marktwirtschaftliche System der USA sowie die Kritik an Marktakteuren, Politikern, Ökonomen und NGOs gleichermaßen. Letztlich soll der erreichte Wohlstand aufgegeben werden, die Schulden abgebaut und alle leben nur von den verfügbaren Mitteln.

So provokant, wie der Titel es verspricht, ist sein Buch nicht. Dennoch gehört Graeme Maxton mit seiner „Wachstumslüge“ natürlich in die Reihe der Kritiker, die sich von der „Illusion des unbegrenzten Wohlstands“ verabschieden und einen radikalen Lebenswandel fordern, der bei jedem einzelnen Erdenbürger beginnen soll.

Diese Idee ist nicht neu, genauso wenig wie die sehr detaillierte Auflistung der wirtschaftlichen und moralischen Verfehlungen, die sich Manager, Investoren, Börsenhaie Ökonomen und Politiker im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise geleistet haben. Anders als bei Wachstumskritikern und Bestseller-Autoren wie Meinhard Miegel oder Tim Jackson knallt jedoch Maxton fasst jeder wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppierung einen vor den Latz – und outet sich ganz nebenbei und etwas überraschend als verkappter Anhänger der grundlegenden Prinzipien eines Ordoliberalismus á la Walter Eucken.

Seine grundsätzliche Kritik: Ein marktliberales System, das Regulierung generell ausschließt, sei genauso falsch wie zu viel staatliche Regulierung. Die moderne Volkswirtschaftslehre verdrehe die Ideen der klassischen Nationalökonomie eines Adam Smith. Das zwanghafte Festhalten am Wachstum habe allein dazu geführt, möglichst effizient zu arbeiten und gleichzeitig das Prinzip der Fairness vollkommen zu ignorieren. Beschäftige würden entlassen, um kurzfristig Gewinne zu erhöhen; einige westliche Länder, besonders die USA, seien davon besessen, die Steuern zu senken, und zwar so stark, dass Millionen dafür leiden müssen; der Fortschritt finde nur auf Pump statt.

Dass die freie Marktwirtschaft, wie sie in den USA gepflegt werde, zu einer allgemeinen Verbesserung des Wohlstands und des sozialen Fortschritts führe, sei ein Märchen, meint der Autor. Das einzige System, was er den Nationen – allerdings mit einigen Vorbehalten – empfehlen könnte, sei die Soziale Marktwirtschaft der Deutschen.

Unternehmen, deren Gewinne fast nur auf Spekulation beruhten, seien ebenso moralisch zweifelhaft wie der weltweite Konsumrausch der Chinesen, die überhaupt den Sittenverfall weiter anheizten. Selbst vor Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) macht Maxton mit seiner Kritik nicht halt: „Viele verzerrten Vorstellungen von sozialen Fortschritt werden durch Wohltätigkeitsorganisationen unterstützt, indem sie deren Auswirkungen maskieren.“ Auch Ökonomen  und Politikern sei einfach nicht mehr zu glauben.

Maxton versteht die Ökonomie als Gebiet der Moralphilosophie. Um nicht auf Dauer ungesünder und ärmer zu leben, fordert er von jedem einzelnen ein Umdenken. Es gelte für die nächsten Jahre, Schulden abzubauen und mit den verfügbaren Mitteln zu leben – freilich auf einem bescheideneren Niveau als bisher.

So berechtigt seine Forderungen nach Gleichheit und Gerechtigkeit sind, so klingen sie doch wie das laute Beten des Wanderpredigers in der Wüste. Sieben Milliarden Menschen davon zu überzeugen, sich weniger Wohlstand zu leisten – zumal der größte Teil der Menschheit noch gar nicht saturiert ist – scheint so schwierig, wie einem Löwen zu erklären, er solle statt zehn nur noch vier Kilo Fleisch am Tag essen. Die realistische Antwort, wie wir mit wenig oder gar ohne Wachstum wirklich zukunftsfähig sind, bleibt Maxton dem Leser letztlich schuldig. Deswegen weiß man zum Schluss auch gar nicht so genau, warum man das Buch überhaupt lesen soll.