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Moodys: Auf dem US-Auge blind?

Kriegt Europa die Schuldenkrise in den Griff? Das scheint die Fragen aller Fragen. Für einige Staaten außerhalb des Koninents, scheint die europäische Schuldenkrise eine willkommene Ablenkung zu sein. Denn auch andere Wirtschaftsmächte hängen im Schuldenstrudel. Vorneweg die USA.

„Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr?“ Dieses Bibel-Zitat drängt sich einem am Ende einer Woche auf, die von der US-Ratingagentur Moodys mit negativen Bonitätsausblicken im Tagesrhythmus geprägt wurde. Zuerst traf es neben Luxemburg und den Niederlanden die Bundesrepublik Deutschland, anderntags verschiedene Bundesländer und den europäischen Rettungsschirm EFSF und dann 17 deutsche Banken, darunter mehrere Landesbanken, aber auch die staatliche KfW.

Seit vielen Monaten steht der europäische Währungsraum im Fokus der Finanzmärkte. Ratingagenturen, Finanzinvestoren und eine häufig willfährige Wirtschaftspresse haben mit Inbrunst und Hartnäckigkeit eine Nachrichtenlage geschaffen, in der Euro und Europa für alle ökonomischen Probleme auf diesem Globus verantwortlich zu sein scheinen. Doch es herrscht nahezu Funkstille, wenn es um die horrende Verschuldung der Vereinigten Staaten von Amerika oder die Zahlungsunfähigkeit von Bundesstaaten der immer noch größten Volkswirtschaft der Welt geht.

Um sage und schreibe 3.700.000.000 Dollar (3,7 Milliarden Dollar) wuchs im Durchschnitt der vergangenen vier Jahre der offiziell ausgewiesene Schuldenstand der USA – täglich! Spätestens innerhalb des nächsten Monats wird die US-Staatsschuld die 16 Billionen Dollar-Grenze durchbrechen. Auf jedem Einwohner in den USA lasten fast 51.000 Dollar offizielle Staatsschulden. Jeder amerikanische Einkommensteuerzahler „haftet“ mit 140.000 Dollar für diese unvorstellbar hohe Schuldenlast. Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten liegt, gemessen an der Jahreswirtschaftsleistung, inzwischen auf dem Stand des europäischen Krisenlandes Portugal.

Im Präsidentenwahljahr haben sich Demokraten und Republikaner eine Debatte über Etatkürzungen erspart. Denn als sie sich vor einem Jahr in buchstäblich letzter Sekunde vor der rechtlichen Zahlungsunfähigkeit auf eine Erhöhung der Schuldengrenze und Etateinschnitte verständigten, haben sie die Wirkung von automatischen Kürzungen bei den Sozial- und Verteidigungsausgaben auf den Januar 2013 verlegt. Schließlich sollen (wollen?) auch US-Wähler, wie andernorts auf der Welt, in Wahlkämpfen nicht mit konkreten Einsparvorschlägen der Politiker traktiert werden.

Eher ist damit zu rechnen, dass die US-Notenbank angesichts der globalen Konjunktureintrübung und der nach wie vor großen wirtschaftlichen Probleme Amerikas erneut „quantitave easing“ betreiben wird, also Staatsanleihen und zentralbankfähige Wertpapiere von Geschäftsbanken aufkauft. Holt die „Dicke Bertha“ raus oder die „Bazooka“, raten auch uns die Defizit-Kapitalisten aus den angelsächsischen Weltfinanzmetropolen und meinen damit, dass die EZB die Notenpresse anwerfen soll, wie es die US-Notenbank seit Jahren praktiziert. Dass wir uns damit gewaltige Inflationsrisiken einhandeln und neue Spekulationsblasen im Immobilien- und Rohstoffsektor riskieren, das schert die Finanzhasardeure nicht. Dafür müssen ja auch die Sparer und Steuerzahler der Welt geradestehen, nicht sie.

Doch ein Geschäftsmodell, das dermaßen skrupellos marktwirtschaftliche Grundprinzipien über Bord wirft – Schutz der Eigentumsrechte, Vertrauen in die Stabilität der Währung, Verantwortung und Haftung  -, macht nicht nur eine Wirtschaftsordnung kaputt, sondern auch die Demokratie. Der soziale Sprengstoff, der in dieser verantwortungslosen Inflationspolitik steckt, kann schneller explodieren als viele glauben.