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Verführerisches Budgetglück

Deutschland hält sich gut in der Krise: Im ersten Halbjahr 2012 konnte der Staat aufgrund der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt einen Haushaltsüberschuss erzielen. Was geschieht nun mit dem Plus? Wird es zur dringend nötigen Haushaltskonsolidierung verwendet oder angesichts der Bundestagswahl 2013 für Geschenke an den Steuerzahler eingesetzt?

Deutschland – eine finanzpolitische Insel der Seligen? Die robuste Konjunktur hat dem deutschen Staat – erstmals seit 2007 – wieder einen leichten Haushaltsüberschuss im ersten Halbjahr beschert. Ohne die 11,6 Milliarden Euro, die aus den Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungskassen stammen, liegen die öffentlichen Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden nach wie vor mit mehr als 3 Milliarden Euro im Minus.

Des einen Freud, des andern Leid. Dieses Sprichwort gilt auch für das Verhältnis des Steuerpflichtigen zum Fiskus. Während die Lohn- und Einkommensteuereinnahmen in den ersten 6 Monaten um 6,3% angestiegen sind, was den Finanzminister freut, hat die kalte Progression bei den höheren Tariflöhnen deutlich zugeschlagen. Denn die gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erhöhen sich linear mit einem festen Prozentsatz vom steigenden Einkommen, nicht progressiv wie bei der Lohnsteuer.

Obwohl die aktuelle Halbjahresbilanz des Staates die dramatische Wirkung der kalten Progression noch einmal deutlich belegt, blockiert der Bundesrat mit seiner rot-grünen Mehrheit nach wie vor die vom Bundestag längst beschlossene Steuerentlastung.

Positive Haushaltssalden führen in der realen Welt der Politik fast automatisch zu einem irrationalen Wettlauf der Wohltaten. Deshalb folgten die Warnungen der Chefhaushälter der Berliner Regierungskoalition der positiven Halbjahresbilanz auf dem Fuß. Doch man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, wie schwer es in den kommenden Monaten sein wird, die Ausgaben des Staates zu begrenzen. Das Bundestagswahljahr 2013 wird sein Übriges tun, um Konsolidierungsvorschläge in der Schublade zu belassen, damit die Wählerschaft nicht verschreckt wird. Dafür werden wohlfeile, aber teure Versprechungen Eingang in die Wahlprogramme der um Stimmen buhlenden Parteien finden. „Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve“, formulierte einstmals der österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter.

Das aktuelle deutsche Budgetglück wird nicht von langer Dauer sein. Die deutsche Konjunktur kann sich mitnichten von der weltwirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln. Die rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen und der Rückgang der Bautätigkeit im 2. Quartal des laufenden Jahres weisen die Tendenz. Außerdem werden knapp 20 Milliarden Euro kurzfristig im Bundeshaushalt zu Buche schlagen: für die Kapitalerhöhung bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) und den deutschen Kostenanteil für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), so denn das Bundesverfassungsgericht dafür am 12. September grünes Licht gibt. Der Bundesbankgewinn, der dem Bundeshaushalt zufließt, wird deutlich kleiner ausfallen als geplant. Und sollten deutliche Beitragssenkungen in der Sozialversicherung beschlossen werden, sind die positiven Haushaltssalden ohnehin dahin.

Nachhaltige Finanzpolitik bewährt sich erst dann, wenn sie in Zeiten der Überschüsse auf der Ausgabenbremse bleibt, um sich für schlechte Zeiten zu wappnen.