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Weidmanns Heil

Die Kritik an der EZB hat Bundesbank-Chef Jens Weidmann in die Schlagzeilen gebracht. Politiker und Ökonomen kritisieren ihn für diese Attacke. Die deutsche Wirtschaft stärkt ihm den Rücken. Doch egal ob Freund, ob Feind: Der Mann beweist Rückgrat. Vielleicht weil er selbst einmal EZB-Präsident werden will. 

Der Spiegel bezeichnet ihn als „Ruhestörer“, Frau Merkel äußert sich kaum zu ihrem einstigen Lieblingsberater – was einer Brüskierung gleichkommt. Andere Politiker nennen ihn einen „Fundamentalisten“. Und selbst die ebenso hoch geschätzte wie besonnene Ökonomin Susanne Schmidt bescheinigt Bundesbank-Chef Jens Weidmann „keine besonders glückliche Rolle“ im Streit mit der Europäischen Zentralbank (EZB).

Weidmann ist davon überzeugt, „dass Notenbankfinanzierung süchtig machen kann wie eine Droge“. Mit Vehemenz kritisiert er die Pläne der EZB, Anleihen von südeuropäischen Krisenländern aufzukaufen, um deren Zinsen niedrig zu halten. Die EZB trage im Grunde nur dazu bei, die Staatshaushalte der Krisenstaaten zu finanzieren. Das sind eindeutige und mutige Worte. In der derzeitigen Lage ist das eine Haltung, die Respekt verdient. Weidmann macht damit deutlich, dass die Geldwertstabilität zu den zentralen geldpolitischen Lehren gehört – Unternehmen investieren eben umso mehr, je stabiler der Geldwert ist.

Man kann auch gegen Weidmann sein. Und zwar mit gutem Gewissen. Denn mit der Kritik an der EZB untergräbt Weidmann nicht nur die Glaubwürdigkeit der EZB in Deutschland, sondern missachtet auch komplett den durchaus guten Job, den die EZB seit Ausbruch der Finanzkrise gemacht hat: Ohne ihr energisches Eingreifen zum Beispiel mit dem Ankauf von Staatsanleihen oder durch die Sonderkredite für die Banken wäre die Währungsunion schon längst abgesoffen.

Dass sich Bundesbanker und EZBler streiten, kann hilfreich sein. Es ist gut, dass Weidmann vor möglichen Fehlentwicklungen warnt. Es wäre aber sinnvoller, wenn er diese in konstruktiven Gesprächen mit den Kollegen in internen Sitzungen führen würde – und nicht in der Öffentlichkeit. Sonst verbrennt er seine Autorität. Oder er wird politisch ausgenutzt.

Denn es ist ja offensichtlich, dass einige Politiker nun auf Weidmanns Zug aufspringen, um Wählerstimmen einzusammeln – insgeheim aber doch ganz froh sind, dass EZB-Präsident Mario Draghi Machtworte spricht und zum Gelddrucken übergegangen ist – also zum weiteren Ankauf von Anleihen.

Was wirklich stört, ist etwas Anderes. Weidmann weiß, dass er Drahgi letztlich nicht aufhalten wird. Und er will wohl auch gar nicht. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass Weidmann selbst irgendwann einmal EZB-Präsident werden möchte. Seine Kritik und die Kritik an ihm kommen einem deswegen vor wie das Hornberger Schießen. Viel Getöse um nichts. Letztlich geht es bei allen Beteiligten nur um die Positionierung und das Abstecken von Macht. Das ist sehr bedauerlich und wie in allen solchen Fällen eitel und kleingeistig.

Erst vor wenigen Tagen hat der Verein für Socialpolitik (VfS), einer der weltweit bedeutendsten Ökonomen-Zusammenschlüsse, beschlossen, die im Zuge der Finanzkrise gesunkene Reputation der Zunft mit einem Ethikkodex aufzupolieren. Zu diesem zählt unter anderem, dass in Zukunft, „das Ergebnis einer Analyse von der Interessenslage des Auftraggebers unbeeinflusst sein“ soll.

Eine gute Idee. Da Weidmann in diesem Verein mitwirkt, hoffen wir mal, dass zumindest er sich zukünftig auch an diesen Ethikkodex hält.


Dies ist ein Beitrag aus der Reihe “WachstumsBlog”. In einem bis zwei Beiträgen pro Woche beschäftigen sich Wirtschaftsexperten im ÖkonomenBlog mit Themen rund um nachhaltiges Wachstum.

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