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Finanzmarktunion: Droht der kollektive Crash?

Die EZB soll als europäische Superaufsicht Banken kontrollieren. Die Antwort der Euro-Retter auf die Krise ist einfach: mehr Kollektivierung und Zentralisierung soll den Euro retten. Damit gewinnt man Zeit, doch die Risiken verschwinden nicht. Droht uns dadurch der kollektive Crash?

Die Aufsicht über sämtliche deutsche Kreditinstitute soll auf die EZB verlagert werden. Mehrfach habe ich davor gewarnt, nun liegt ein Vorschlag über zwei Richtlinien vor. Dieser soll am 12. September vorgestellt werden. Die beschwichtigende Behauptung, es ginge um eine Aufsicht allein für die systemrelevanten Banken der Eurozone, erweist sich wie erwartet als von Anfang an falsch. Auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden betroffen sein. Die Rettungseuropäer schlagen so zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens schaffen sie die Voraussetzungen für eine direkte Rekapitalisierung der kleinen spanischen Banken durch den ESM, wie es die Gipfelbeschlüsse vom 29. Juni 2012 vorsehen. Zweitens ist eine gemeinsame Aufsicht der erste Schritt zu einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme.

Inzwischen ist deshalb auch nicht mehr von einer Bankenunion, sondern einer schon begrifflich weitergehenden Finanzmarktunion die Rede. Davon spricht Mario Draghi in seinem gestrigen Gastbeitrag für die “Zeit”. Den gleichen Begriff benutzt auch Jörg Asmussen in einer am Montag in Hamburg gehaltenen Rede. Darin macht er nähere Ausführungen zur Ausgestaltung dieser Finanzmarktunion. Die EZB müsse Banken schließen können. Dabei soll die “Einlagensicherung auf europäischer Ebene organisiert werden”. Vorbild hierfür könnte die amerikanische Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) sein. Denn das “Fehlen eines einheitlichen Einlagensicherungssystems” habe die Krise in einigen Euroländern zusätzlich verschärft. Zweifel an der Sicherheit der Einlagen könnten starke Kapitalflüsse nach sich ziehen.

Bereits in einem früheren Newsletter habe ich darauf hingewiesen, dass nach Vorstellung der Rettungseuropäer mit einer gemeinsamen Einlagensicherung Bankruns im Süden Europas verhindert werden sollen. Nach der durch die Rettungsschirme begründeten Schuldenunion folgt somit die Einlagensicherungsunion. Die Rettungsschirme haben die eigenständige Insolvenzfähigkeit der Mitgliedsstaaten der Eurozone abgeschafft. Die notwendige Folge ist die Vergemeinschaftung aller Staatsschulden – und kaum einer gibt es zu. Mit der Finanzmarktunion wird zukünftig das Risiko eines Bankruns auf europäischer Ebene kollektiviert. Risiko verschwindet aber nicht, wenn es auf eine höhere Ebene verschoben wird. Es wird nur weniger sichtbar. Zwar sinkt das Verlustrisiko spanischer und italienischer Einlagen, wenn sie europäisch kollektiviert werden. Doch das Risiko für die deutschen Einlagen steigt. Anders ausgedrückt: Die deutschen Sparer werden zukünftig für die Sicherheit der südeuropäischen Risikoeinlagen haften. Es kann schlimmstenfalls dann keine nationalen Bankruns mehr geben, sondern nur noch einen finalen europäischen Bankrun.

Die Zentralisierung und Kollektivierung von Risiko und Haftung greift so auf einen neuen Bereich über. Weitere Bereiche werden zukünftig folgen. Die Alternative zu dieser Rettungspolitik ist die Dezentralisierung. Es “besteht weder auf nationaler noch internationaler Ebene ein moralischer Grund dafür, dass ärmere Regionen für ihre Zwecke den Reichtum reicherer Regionen anzapfen dürfen sollten” (F. A. Hayek, Recht, Gesetz und Freiheit, Mohr Siebeck 2003, S. 439). Außerdem gilt: Dezentralismus ist deswegen  besser, weil das Scheitern kleiner Pläne weniger schädliche Folgen hat als das Scheitern eines einzigen großen.