Europa, Steuern und Finanzen

Offene Debatten statt Nebelkerzen!

Das Neue Jahr wird ein wichtiges bundespolitisches Wahljahr. Niedersachsen startet im Januar mit einer Landtagswahl, im September folgt Bayern und kurz danach steht die Bundestagswahl an. Vielleicht wählt auch Hessen noch kurz vor Weihnachten einen neuen Landtag.

Der Souverän, also das Volk, beauftragt in einer repräsentativen Demokratie durch den Wahlakt Politiker, möglichst verantwortungsvoll den Rahmen für eine gute Zukunft des Landes zu gestalten – mit einem jeweils befristeten Mandat auf Zeit. Das ist das idealisierte Bild einer parlamentarischen Demokratie. Es setzte voraus, dass in einem Wahljahr tatsächlich die wahren Zukunftsprobleme des Landes im Fokus der parteipolitischen wie medialen Debatte stehen. Doch die leidvolle Erfahrung mit Wahlkämpfen lehrt vor allem eines: Das Volk wird mit Nebelkerzen bombardiert! Statt eines ehrlichen Problemaufrisses und einer offenen Debatte um unterschiedliche Lösungswege, stehen Verschleierung, Ablenkung und Wohlfühlrhetorik hoch im Kurs.

Wie unehrlich der Präsidentschaftswahlkampf in den USA betrieben wurde, erleben wir jetzt, da die Entscheidungsschlacht über die fiskalische Klippe zwischen Republikanern und Demokraten die Tage zwischen Weihnachten und Jahreswechsel beherrscht. Im Wahlkampf spielte dieses Thema praktisch keine Rolle, weil es weder in Barack Obamas noch Mitt Romneys Zerrbild vom vermeintlich starken Amerika gepasst hat. Dass die USA hochverschuldet sind, dass gewaltige Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen auf der politischen Agenda stehen, das hat die Politik bis zum Wahltag ausgeblendet. Jetzt holt die unterlassene Diskussion die immer noch größte Volkswirtschaft der Welt ein. Jetzt plötzlich werden die Horrorszenarien einer neuen US-Rezession gezeichnet, die auch die gesamte Weltwirtschaft tangieren dürfte.

Die deutsche Wahlkampfagenda des Jahres 2013 ist schnell erzählt. Die Metabotschaft der wichtigsten politischen Kräfte – von links bis rechts – lautet: Wir sorgen für mehr soziale Gerechtigkeit! Wir überwinden die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. Wir sorgen für Mindestlöhne und ordentliche Hartz IV-Sätze. Wir bekämpfen Altersarmut durch gesetzliche Garantierenten! Wir geben Müttern höhere Rentenansprüche für die Kindererziehung, zahlen künftig Betreuungsgeld für die zuhause betreuten Kleinsten und eine Form der Selbstbeteiligung im Gesundheitssystem, die Praxisgebühr, haben wir bereits alle zusammen abgeschafft.

Obwohl auch Deutschland mit satten 82% des jährlichen Bruttoinlandsprodukts verschuldet ist, ein Schuldenstand, der geschönt ist, weil er die gigantischen Versprechungen in den sozialen Sicherungssystemen und in der Beamtenversorgung schlicht unterschlägt, werden Mehrausgaben im Zentrum der Wahlkämpfer stehen. Diese Schizophrenie der deutschen Politik ist nicht zu fassen. Auf der einen Seite drängt Deutschland die Euro-Schuldenländer zu mehr Haushaltsdisziplin, auf der anderen Seite wird die eigene Bevölkerung auf mehr staatliche Wohlfahrt eingestellt.

Und überhaupt das Thema Europa und Euro: Klammheimlich beten alle etablierten Parteien täglich darum, dass sie den September-Wahltag erreichen, ohne dass neue Hiobsbotschaften von den Finanzmärkten oder den Schuldenstaaten sie „überfallen“. Doch das ist Vogel-Strauß-Politik der schlimmsten Art. Statt dieses heiße Thema mit einer ganz überwiegend Europa- oder Euroskeptischen Bevölkerung zu diskutieren, wird so getan, als ob mehr Europa, mehr Zentralismus, mehr organisierte Verantwortungslosigkeit tatsächlich zu mehr politischer und wirtschaftlicher Stabilität führt. Dabei regiert im Volk ein Misstrauen, ja eine Angst um die Stabilität der Währung, die sich in Goldhortung, im Kauf von Wohnungen und Häusern, von Kunst und Oldtimern äußert.

Wer die wahren Probleme im Land, in Europa, ja global angehen will, der muss als Politiker den Mut haben, auch dem Volk den Spiegel vorzuhalten. Ludwig Erhard formulierte einstens sinngemäß, dass alle Wohltaten, die Politiker dem Volk versprechen, zunächst erst einmal von eben diesem Volk erwirtschaftet worden sein müssen. In meinen Worten: Kreditfinanzierter Wohlstand ist Pseudo-Wohlstand. Irgendwann platzt die Blase – durch Inflation und ökonomische Depression!