Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , ,

Das Finanzsystem rettet die Welt

Robert J. Shiller: Märkte für Menschen – so schaffen wir ein besseres Finanzsystem, Frankfurt am Main 2012, Campus-Verlag

Der Finanzkapitalismus macht die Welt gerechter – das zumindest glaubt der Yale-Ökonom Robert J. Shiller. Er ist sich sicher: Für ihn ist das Finanzsystem kein Selbstzweck, sondern steht im Dienst des guten Lebens einer Gesellschaft. Wohlan! Jetzt müssen wir uns nur noch die passenden Menschen dazu backen.

Robert J. Shiller hat die Nase voll: Die bloße Brandmarkung des Finanzkapitalismus als „System der Verantwortungslosigkeit“ wird die Welt kaum weiterbringen. Sein Vorschlag: Aufhören mit Draufhauen und sich auf die Ursprünge des freien Marktes in freien Gesellschaften besinnen: Die Märkte sollen endlich wieder das tun, was ihre ursprüngliche Funktion war: Kapital schützen, verwalten, mehren.

Das klingt abgehoben. Doch Shiller gehört nicht zur Gruppe der Schwätzer. Im Gegenteil. Es ist klug. Er kann mehr als Rechenschieberei und Diskursvergleich. Als Verhaltensökonom konzertiert er sich vor allem auf die Menschen. Er nimmt ihre Ängste ebenso ernst wie ihre Triebe. Kein Wunder, dass er als fast einziger die Blase auf dem US-Immobilienmarkt voraussah.

Mit „Märke für Menschen“ ist ihm ein schlaues Buch gelungen. Dass seine Thesen für manche zu realitätsfern klingen, liegt daran, dass Shiller nichts Geringeres als den Kulturwandel in der Finanzwirtschaft fordert.

Zunächst beschäftigt er sich in seinem Buch mit den verschiedenen Protagonisten des Finanzsystems – von Top-Managern und Investmentbankern, über Händler, Derviate-Anbieter, Regulierungsbehörden und Abschlussprüfer bis zu Treuhändern, Stiftern und Philanthropen. Er zeigt sie nicht als Abzocker und Bonus gierige Gesellen, sondern als notwendige Figuren in einem System, das nicht „Geld machen“ zum Ziel hat, sondern die soziale Entwicklung einer Gesellschaft und die Förderung ihres Gemeinwesens. „Banker sind wie Ingenieure und Architekten“, glaubt Shiller, „sie verwalten das Vermögen einer Gesellschaft, sie managen ihre Risiken. Und deswegen brauchen wir sie.“ Je besser die Finanzinstitute einer Gesellschaft auf ihre Ziele und Ideale ausgerichtet seien, desto robuster und erfolgreicher sei auch die Gesellschaft, ist sich der Autor sicher. Versagen ihre Mechanismen, kann die Finanzwirtschaft solche Ziele untergraben, wie es in den letzten zehn Jahren auf dem Markt für minderwertige Hypotheken geschehen ist, meint Shiller. „Funktionieren sie aber, verfügt sie über das einzigartige Potenzial, ein hohes Wohlstandsniveau herbeizuführen.“

Wie ein gerechtes Finanzsystem vor allem in den USA funktionieren soll, entwickelt Shiller in der zweiten Hälfte des Buches. Seine Verbesserungsvorschläge: Er will das Finanzsystem weniger anfällig für die Fehler Einzelner machen. Die starke Konzentration wirtschaftlicher Macht in den USA ist ihm ein Dorn im Auge. Höhere Steuersätze für große Finanzunternehmen könnte dies ändern. Shiller wünscht sich ein Steuersystem, das den Anspruch, sozial gerecht zu sein, auch erfüllt. Er plädiert für ein Versicherungssystem, das auch unversicherte Risiken – wie den Wertverlust des eigenen Hauses – absichert. Wo Marktpreise für Bedürftige zu hoch sind (wie im Gesundheitswesen, bei Rechtsstreitigkeiten, in der Bildung) sollen entweder der Staat oder Stiftungen aushelfen. Shiller baut auf das Modell der Benefit-Corporations, das Unternehmen dazu verpflichtet, sich zum Beispiel im Umweltschutz oder für soziale Projekten zu engagieren.

Der Autor fordert letztlich nichts anderes als eine Kulturrevolution: Statt Egoismus und Draufgängertum werden Personen gesucht, die sich der Konsequenzen ihres Handelns voll bewusst sind, die in Zusammenhängen denken, die selbstkritisch sind, Ungewohntes akzeptieren und für die das Thema Gemeinwohl kein Buch mit sieben Siegeln darstellt.

Wo diese Fähigkeiten zu erlernen oder einzuüben sind, sagt er leider nicht. Es wäre schön zu wissen, woher Menschen die Stärke nehmen sollen, ethischen und moralischen Grundsätzen trotz finanzieller Versuchungen treu zu bleiben. Schule? Elternhaus? Kloster? Eins steht jedenfalls fest: Gegen das scheinbar unverwüstliche Gen des „Immer- mehr-haben-wollens“ hat auch dieses Buch kein Rezept.