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Alter Wein in neuen Schläuchen: das kompetitive Aufblasen von Zentralbankbilanzen

Bereits in den 1930er Jahren haben die Zentralbanken versucht durch Währungsdumping die nationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die Folgen waren gravierend. Nicht zuletzt Japan und Frankreich haben die Diskussion über eine aktive Wechselkurspolitik wieder angeheizt. Droht nun erneut ein Abwertungswettlauf der Währungen?

Mit der Abwertung der Währung lässt sich Beschäftigung vom Ausland ins Inland holen, weil der Export steigt. Diese Wachstumsstrategie auf Kosten der anderen – auch beggar-thy-neighbor genannt – ist solange erfolgreich, solange der Nachbar nicht das gleiche tut. Kommt es hingegen zu Abwertungswettläufen, verlieren alle. Dies war in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre der Fall, als immer mehr Länder hohe Arbeitslosigkeit durch Abwertung und Protektionismus zu reduzieren suchten: makroökonomische Instabilität, schrumpfender Welthandel, Stagnation, steigende Einkommensungleichheit und politische Radikalisierung waren die Folge.

Geprägt durch diese einschneidenden Erfahrungen wurde die Weltwirtschaftsordnung der Nachkriegszeit auf ein System fester Wechselkurse – das Bretton-Woods-System – gebaut. Nach dessen Zusammenbruch zu Beginn der 70er Jahre setzten in Europa nachhaltige Bemühungen um Wechselkursstabilisierung ein, um das Sankt-Florians-Prinzip aus der europäischen Staatengemeinschaft auszuschließen. Die Wechselkurse zwischen den großen Währungsblöcken (USA, Europa, Japan) schwankten frei, um unterschiedliche Konjunkturzyklen auszugleichen. Die Gefahr von Abwertungswettläufen oder eines  „Währungskriegs“ schien gebannt.

Bundesbankpräsident Weidmann hat jüngst argumentiert, dass das internationale Währungssystem bisher ohne Abwertungswettläufe durch die Krise gekommen sei. Stattdessen hat jedoch bereits in den 80er Jahren ein Wettlauf kompetitiver Zinssenkungen eingesetzt: Wenn ein großes Land wie die USA das Wachstum durch Zinssenkungen zu stimulieren suchte, kamen Währungen mit flexiblen Wechselkursen wie Euro oder Yen unter Aufwertungsdruck. Den daraus resultierenden Wachstumseinbußen wurde mit Zinssenkungen in Europa und Japan begegnet. Da die Zinsen in den USA in der Krise mehr gesenkt als sie im Aufschwung nach der Krise angehoben wurden, bewegte sich das Leitzinsniveau in den meisten Industriestaaten gegen Null.

Nachdem nun das Zinssenkungspotential ausgeschöpft ist, hat der „Währungskrieg“ eine neue Dimension erreicht: Durch den Ankauf oft zweifelhafter Vermögenswerte werden die Zentralbankbilanzen kompetitiv aufgeblasen. Würden z.B. die Europäische Zentralbank, die Bank von England und die Bank von Japan nicht der quantitativen Lockerung der Federal Reserve folgen, kämen ihre Währungen unter schmerzhaften Aufwertungsdruck. Gerade in der Europäischen Währungsunion leiden die Krisenländer und Frankreich unter mangelnder internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die exportabhängige japanische Wirtschaft kränkelt schon seit 20 Jahren. Die Probleme werden durch eine Abwertung des Dollars als Folge mehrerer Runden quantitativer Lockerung der Federal Reserve noch verstärkt. Zuletzt haben deshalb der französische Präsident Hollande und der japanische Ministerpräsident Abe zur Abwertung von Euro und Yen aufgerufen. In der Schweiz sah man sich schon lange gezwungen, der ungewöhnlichen Geldpolitik der EZB zu folgen, um den immensen Aufwertungsdruck vom Franken zu nehmen.

Vor dem Hintergrund der kompetitiven Abwertungen der 1930er Jahre stellt sich daher die Frage, ob das derzeitige Aufblähen der Zentralbankbilanzen mit ähnlichen Folgen verbunden sein wird wie damals. Glaubt man den Aussagen führender Zentralbankvertreter, ist die immense monetäre Expansion unbedenklich, weil die Inflation unter Kontrolle geblieben ist. Zudem könne die emittierte Liquidität jederzeit wieder von den Zentralbanken abgeschöpft werden. Allerdings zeigen sich bereits deutliche Nebeneffekte in Form von wachsender Einkommensungleichheit, strukturellen Verzerrungen, protektionistischen Tendenzen und anhaltender Stagnation, die an die 1930er Jahre erinnern. Die kompetitiven Abwertungen könnten deshalb – mit einem neuen Gesicht – schon viel weiter fortgeschritten sein, als viele glauben mögen.