Europa, Steuern und FinanzenTagged , , , ,

Das Euro-Kartenhaus

Die Euro-Krise kehrt zurück. Die inständige Hoffnung der deutschen Spitzenpolitiker, das Thema im Bundestagswahljahr aus der öffentlichen Debatte verdrängen zu können, ist wohl vergeblich. Dabei war das für das politische Establishment brisante Thema seit Monaten aus dem medialen Fokus verschwunden. Doch in den nächsten Tagen eskalieren womöglich die Hiobsbotschaften aus Italien, Spanien und Zypern.

Die Wahlen in Italien verunsichern die Märkte nicht nur wegen der Frage, ob ein alternder Milliardär und Medienmogul wieder zum Zünglein an der politischen Waage wird. Auch fragile Regierungskonstellationen, bei denen ein Silvio Berlusconi keine Rolle spielt, machen eine kalkulierbare und reformorientierte italienische Regierung fast unmöglich. Den Schaden hätte in diesem Fall der Euro, weil damit die südeuropäische Laissez-Fair-Haltung im Umgang mit der Staatsschuld schlagartig wieder im Fokus der Finanzmärkte stünde. Die alles entscheidende Frage stellte sich erneut: Ist eine solide Finanzpolitik an den Wahlurnen Europas überhaupt noch mehrheitsfähig?

In Spanien läuft heute die Frist ab, bis zu der die endgültige Insolvenz des Immobilienkonzerns Reyal Urbis noch verhindert werden könnte. Mit fast 4 Milliarden Euro Krediten steht dieser Konzern in der Kreide, die im Konkursfall auch auf den spanischen Staat, die Gläubigerbanken und auf den Euro-Rettungsschirm (ESM) durchschlagen. Diese wahrscheinliche Megapleite macht aber vor allem eines deutlich: Die geplatzte spanische Immobilienblase, die das Land immer stärker in die Rezession treibt, ist mitnichten überwunden. Für bis zu 100 Milliarden Euro hat der ESM im vergangenen Jahr Spaniens Banken Hilfe zugesagt. Im Januar dieses Jahres hat die spanische Zentralbank das Kreditobligo der spanischen Banken auf dem Immobiliensektor aber mit rund 196 (!) Milliarden Euro beziffert. Der Druck auf eine weitere Aufstockung der europäischen Rettungszusagen dürfte größer werden.

Auch Zypern wählt an diesem Sonntag in der Stichwahl einen Präsidenten. Doch unabhängig vom Ausgang der Wahl braucht das kleine Euro-Land eine Finanzhilfe von rund 17 Milliarden Euro, um den Staatsbankrott abzuwenden. Weil der Deutsche Bundestag diese Euro-Hilfe absegnen müsste und weder in der Berliner Regierungskoalition noch in der  Opposition die Bereitschaft ausgeprägt ist, so einfach Ja zur Zypern-Rettung zu sagen, windet sich das politische Berlin. Doch der Druck aus Europa wird immer stärker – vom deutschen Chef des ESM ebenso wie vom deutschen Vertreter im Direktorium der Europäischen Zentralbank. Viele haben Angst davor, dass eine Staatspleite in Zypern neue Ansteckungsgefahren für Griechenland heraufbeschwören würde.

Die Europäische Währungsunion ist inzwischen ein Kartenhaus, den der kleinste Windhauch zum Einsturz zu bringen droht. Immer mehr bestätigt sich, dass die Anwendung der alten„No Bail Out-Klausel“ aus den Maastricht-Verträgen die einzig glaubwürdige Option für eine eigenverantwortliche und solide Haushalts- und Wirtschaftspolitik in den Euro-Staaten dargestellt hat. Wer unbegrenzte Solidarität an die Stelle von Haftung und Verantwortung setzt, erntet – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – einen unverantwortlichen Umgang mit den finanziellen Ressourcen einer Volkswirtschaft.

Vollends absurd wird der Glaube an fiskalische Solidität in Europa, wenn man sich die aktuelle Entwicklung in Frankreich anschaut: Die Franzosen werden die im Fiskalpakt im vergangenen Jahr festgelegten Defizitziele in diesem Jahr nicht erreichen und bereiten bereits Verhandlungsstrategien für den sanktionslosen Bruch dieses Vertrags vor. Der Euro hat in Europa eine Staatspraxis befördert, die Paul Kirchhof zu Recht als „permanenten Rechtsbruch“ stigmatisiert hat.