Europa

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Faule Anleihen in Quarantäne

Es ist beängstigend – beinahe panisch wirken inzwischen die Vorschläge aus Brüssel zur Lösung der Schuldenkrise. Ob Bankenlizenz für den EFSF oder Versicherungslösung – beide Vorschläge sind äußerst risikobehaftet sowohl was Geldwertstabiltät als auch die zukünftige Bonität der Gläubigerländer angeht. Dabei hat man eine Möglichkeit, mit der sich auch eine europäische Bankenkrise im Falle eines Schuldenschnitts verhindern ließe, schon gefunden und angewandt. Denn analog zum deutschen Bad-Bank-Gesetz von 2009 könnte man auch auf europäischer Ebene vorgehen. Die eigentliche Idee ist sogar noch älter und wurde bereits 1931 zur Lösung der damaligen Bankenkrise vorgebracht.

Man könnte den Banken anbieten, ihnen die problematischen Staatspapiere im Austausch gegen sichere Schuldverschreibungen des EFSF (Euro-Treasury) abzunehmen. Die Besonderheit solcher Schuldverschreibungen bestünde darin, dass sie kein festes Fälligkeitsdatum haben und auch nicht verzinst werden. Dafür würden sie aber von den Euroländern gemeinsam garantiert und böten den Banken somit größtmögliche Sicherheit. Im Prinzip wären sie eine Art Ersatzaktivum, das zwar nicht unmittelbar in Geld eingelöst werden, aber durchaus im Falle einer Bankinsolvenz an die Gläubigerbanken übertragen werden könnte. Somit würde wieder Vertrauen zwischen den Banken geschaffen werden, die Gefahr einer Kreditklemme bzw. gar des drohenden Zusammenbruchs des Geldmarktes wäre gebannt.

Die Bank überträgt dem EFSF beispielsweise ein Griechenlandpapier im Nennwert von 100 €, das am Markt aber nur noch für 50 € gehandelt wird. Sie erhält dafür vom EFSF im Austausch eine Schuldverschreibung im Nennwert von ebenfalls 100 – hat also keinen Bilanzverlust.

Erfolgt ein Schuldenschnitt Griechenlands von 50%, tritt ein entsprechender Buchverlust beim EFSF, nicht aber bei der Bank ein. Auf das Griechenlandpapier im Wert von nun nur noch 50 erhält der EFSF aber weiterhin Zinsen von z.B. 3% pro Jahr. Diese werden am Kapitalmarkt angelegt.

Mit Zins und Zinseszins sind bei einem Kapitalmarktzins von 3% nach knapp 23 Jahren daraus wieder 100 € geworden. Jetzt erhält die Bank ihr Griechenlandpapier plus den kumulierten Zinserlös im Rücktausch gegen den Euro-Treasury wieder zurück. Griechenland wäre so von einem Teil seiner Schuldenlast befreit. Die Kosten tragen die Gläubiger in Form von jahrzehnterlangen Zins-Mindererträgen. Das marktwirtschaftliche Prinzip von Haftung und Verantwortung bliebe damit erhalten.


Eine ausführliche Beschreibung des Vorschlags finden Sie hier.

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Mit der Pleite aus der Krise

Lange hatte die europäische Politik Staatsinsolvenzen innerhalb der Euro-Zone kategorisch ausgeschlossen. Stattdessen hat man sich mit immer breiter werdenden Rettungsschirmen Zeit teuer erkauft, in der Hoffnung, dass Schuldenländer durch strukturelle Reformen wieder Fuß fassen und aus den Schulden rauswachsen. Heute ist klar: Die Realität hat die Hoffnung überholt. Einige Euro-Länder sitzen so tief in der Schuldenfalle, dass kurzfristig keine Korrektur möglich ist.

Ein Strategiewechsel ist notwendig: Ohne einen Schuldenschnitt – also einer faktischen Insolvenz – wird sich die Schuldenspirale in den überschuldeten Euro-Ländern weiter drehen. Zugegeben: Die Anreizwirkungen eines Schuldenschnitts sind schlecht. Zu einfach können sich überschuldete Staaten (wie Griechenland) durch eine Bankrotterklärung zu Lasten ihrer Gläubiger schlagartig von ihren Verbindlichkeiten befreien. Strukturelle Reformen sind dann plötzlich nicht mehr so dringend und andere Länder könnten dem Vorbild folgen.

Der Zahlungsausfall eines Euro-Staates dürfte Schockwellen auslösen, die weit über das betroffene Land hinaus wirken. Die Risikoprämien für andere Euro-Länder mit (zu) hohen Staatsschulden würden schlagartig in die Höhe getrieben. Damit steigen deren Refinanzierungskosten. Dieser Dominoeffekt könnte zu einer Kernschmelze des Eigenkapitals auch von gesunden Finanzinstituten führen. Eine Ansteckung zu verhindern, daraus entstehen die Kosten eines Schuldenschnitts und darin besteht die Herausforderung.

Die Stützung insolventer Länder durch gemeinschaftliche Hilfe wird auch nach dem Schuldenschnitt notwendig sein. Das Geld ist notwendig um deren Banken zu rekapitalisieren. Gleichzeitig müssen als Gegenleistung strukturelle Reformen auf den Weg gebracht werden. Passiert das glaubwürdig und nachhaltig, ist die Chance gut, dass das griechische Drama nicht zur europäischen Tragödie wird.


Dieser Beitrag ist eine Kurzfassung des Namensbeitrags „Rettet die Gläubiger“, erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 12.10.2011.

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Euro: Rettung nicht ausgeschlossen

Gestern die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) und heute die Erweiterung des EFSF – es tut sich was im europäischen Rettungskampf. Es ist gut, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt im Grundsatz verschärft wurde. Die EU hat erkannt, dass die Mitglieder einer Währungsunion nur mit Daumenschrauben zur Haushaltsdisziplin gezwungen werden können. Doch auch nach der Vertragsänderung gibt es Schlupflöcher: Der präventive Sanktionsmechanismus wurde nach zeitraubenden Verhandlungen am Ende doch politisiert. Eine einfache Ratsmehrheit kann jetzt ausreichen, um eine Sanktion zu kippen. So können Schieflagen entstehen, die die gerade erlebte Schuldendynamik wieder auslösen können. Beim „korrektiven Arm“ des Paktes war man zum Glück konsequenter. Hier liegt die Hürde höher: nur eine qualifizierte Mehrheit der Ratsmitglieder kann Sanktionen verhindern. Schlichtweg Unsinn ist die vorgesehene Behandlung der makroökonomischen Ungleichgewichte. Statt dirigistisch einzugreifen, sollte man auf die Märkte setzen. Die intertemporale Theorie (und Evidenz) legt dies nahe.

Trotz aller Kritik: Gemeinsam mit dem Bundestagsbeschluss zur Ausweitung des EFSF versetzt der SWP die Europäische Währungsunion jetzt in die Lage, das Hauptproblem der Krise, den mangelnden Haftungsausschluss, zu beseitigen. Wenn die Zeit gut genutzt wird, dauerhafte Transfers im Namen des Schuldendienstes endgültig auszuschließen – was die Deckelung des ESM und das Verbot der Hebelwirkung voraussetzt – könnte die Krise zu einem baldigen Ende kommen. Gelingt dies nicht, wird das nächste Rettungspaket bald auf die Tagesordnung kommen. Ob es dafür politische Mehrheiten gibt, ist zweifelhaft. Dann hätte die Politik den Euro endgültig totgerettet!


Mehr Informationen zum Thema  finden Sie im INSM-Dossier: “Euro-Schuldenbremse”.

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Staatsverschuldung: Alle haben gesündigt

Morgen wird im Bundestag über die Ausweitung des europäischen Rettungsschirms (EFSF) abgestimmt. Sollte die Mehrheit der Parlamentarier dem Antrag zustimmen, dann wird Deutschlands Anteil an den Staatsgarantien von derzeit 123 Milliarden Euro auf künftig 211 Milliarden Euro ansteigen. Politiker aber auch die öffentliche Berichtserstattung in Deutschland nutzten in den letzten Tagen den gegebenen Anlass, um Griechenland abermals aufgrund seiner ausufernden Haushaltsverschuldung an den Pranger zu stellen. Zuweilen entsteht dabei der Eindruck, dass die Empörung über Griechenland auch dazu genutzt wurde, um von eigenen Verfehlungen abzulenken. Die Eurozone lässt sich nicht in unsolide und solide wirtschaftende Staaten teilen.

Das entspricht schlicht nicht der Realität. Natürlich ist es richtig, dass die öffentliche Haushaltslage in Deutschland besser ist als in Griechenland. Aber auch Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten immense Schulden aufgetürmt. Nach aktuellen Angaben des Statistischen Bundesamtes beliefen sich die Verbindlichkeiten des deutschen Staates Ende 2010 auf insgesamt 2035 Milliarden Euro. Mit 1311 Milliarden Euro entfiel der größte Teil davon auf den Bund. Viel war in den letzten Jahren in Deutschland vom Schuldenabbau die Rede. Aber den wechselnden Regierungen fehlte letztlich der Mut, eine nachhaltige Wende einzuleiten und tatsächlich Schulden abzubauen. Im besten Fall wurde „lediglich“ die Neuverschuldung gesenkt: Es wurden also weniger neue Schulden gemacht, so dass der Schuldenberg zwar langsamer, aber trotzdem weiter angestiegen ist.

Kurz: So berechtigt die Kritik an der noch schlechteren Lage der öffentlichen Haushalte insbesondere in den südlichen Staaten der Eurozone auch ist, zum Eigenlob besteht wahrlich kein Grund. Die vermeintlich starken Eurostaaten wie Deutschland sind am Ende gar nicht so stark: Auch Deutschland muss schon heute eine enorme Schuldenlast tragen. Und eine echte Trendumkehr ist weiterhin nicht erkennbar.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 2 Kommentare zu Nationale Schuldenbremsen stärken den Stabilitätspakt

Nationale Schuldenbremsen stärken den Stabilitätspakt

Zu Recht wird gegenwärtig von fast allen europäischen Politikern eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts gefordert, um Haushaltssünder früher und härter zu bestrafen. Der ursprüngliche Pakt war nicht völlig falsch konstruiert, er wurde leider nur von den EU-Kernländern Deutschland und Frankreich sehr früh ignoriert und 2004 dann auch noch aufgeweicht. Dies hat die schuldenpolitische Disziplinlosigkeit der Staaten und die Sorglosigkeit sowie Ignoranz der Kapitalmärkte befördert. Insofern ist es völlig richtig, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu schärfen und mit besseren Kontrollmöglichkeiten auszustatten. Ganz zentral ist dabei das Sanktionsregime. Strafen bei unsolider Haushaltsführung sollten zwingender greifen. Ansonsten besteht die große Gefahr, dass die europäischen Finanzminister aus tagespolitischer Opportunität wieder faule Kompromisse schließen.

Darüber hinaus sollte das europäische Ziel und Versprechen einer nachhaltigen Haushaltspolitik unbedingt auch in den nationalen Verfassungen verankert werden muss. Schuldenbremsen erhöhen die Glaubwürdigkeit der Finanzpolitik. Erst dadurch wird im demokratischen Staat mit systematisch großer Umverteilungsneigung das Versprechen für dauerhaft solide Staatsfinanzen realistisch. Die Finanzmärkte verlangen solche institutionellen Regelungen. Die Sanierungsprogramme in Euro-Ländern erfahren damit eine Absicherung und gewinnen Überzeugungskraft.


Dieser Beitrag basiert auf einem Interview mit Prof. Dr. Michael Hüther vom 20. September 2011. Das ganze Interview und mehr zum  diesem Thema finden Sie im INSM-Dossier: Euro-Schuldenbremse.

Arbeitsmarkt, Europa, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , 11 Kommentare zu Flexiblerer Arbeitsmarkt = Niedrigere Jugendarbeitslosigkeit

Flexiblerer Arbeitsmarkt = Niedrigere Jugendarbeitslosigkeit

In vielen Staaten Europas kam es in den letzten Monaten zu Jugendprotesten oder gar Krawallen. Es waren vor allem die schlechten Aussichten auf den Arbeitsmärkten, die die Jugend mobilisierten. Besonders fatal sieht die Lage in den südeuropäischen Ländern aus. Die Arbeitslosenquoten der Jugendlichen sind dort regelrecht explodiert. In Spanien ist mit 45,1 Prozent fast jeder zweite unter 25-Jährige ohne Beschäftigung. In Griechenland liegt die Quote bei immerhin noch 38,5 Prozent. Kein Wunder also, dass in diesen Ländern viel von einer „verlorenen Generation“ gesprochen wird.

Ganz anders die Lage in Deutschland. Mit einer Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen von 9,3 Prozent erscheint Deutschland im internationalen Vergleich als eine Insel der Seligen.  Dass die Chancen für die Jugend in den Arbeitsmarkt einzusteigen trotz Krise so gut sind, liegt vor allem an den Arbeitsmarktreformen des letzten Jahrzehnts. Der Arbeitsmarkt wurde flexibilisiert – beispielsweise durch befristete Arbeitsverhältnisse. So wurden die Einstiegshürden in den Arbeitsmarkt gesenkt. Insofern wäre es fatal, den immer wieder aufkommenden Forderungen nach einer Rücknahme der Reformen nachzugeben, aber auch Mindestlöhne wären in diesem Zusammenhang kontraproduktiv. Ein befristeter Arbeitsplatz ist allemal besser als Arbeitslosigkeit.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 4 Kommentare zu Der Euro im Leichentuch

Der Euro im Leichentuch

Buchkritik: Philipp Bagus: Die Tragödie des Euro – ein System zerstört sich selbst, München 2011

Der Euro ist ein klarer Misserfolg. So sieht es Philipp Bagus. Die Währung ermögliche eine Umverteilung zugunsten von Ländern, dessen Bankensysteme und Regierungen das Geld schneller inflationierten als andere. In seiner „Tragödie des Euro“ gibt es selbstredend kein Happy End. Im Gegenteil. Der Autor ist sich sicher: „Das Euro-Projekt wird bald scheitern. Der Zusammenbruch ist weit davon entfernt, ein Zufall zu sein.“

Bagus zeigt sich als scharfer Gegner der These, Europa scheitert, wenn der Euro scheitert. Auch ohne eine gemeinsame Zentralbank könne es offene Grenzen, freien Handel und ein integriertes Europa geben. Mit den Rettungsschirmen, den die Regierungen ständig öffneten, mache die Eurozone deutlich, dass sie im Grunde nur eine Transferunion sei, „die direkte Kreditvergabe und Bailout-Garantien für überschuldete Regierungen“ ermögliche – letztlich finanziert „durch Steuerzahler soliderer Länder“.

Bagus, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid, geht in seinem Buch zunächst der Geschichte des Euro nach – temperamentvoll, spitz, analytisch, durchweg in einem Sturmlauf: von den Verträgen von Maastricht bis zur aktuellen Griechenlandkrise. Der Euro habe als Gemeinschaftswährung von Anfang an Konflikte institutionalisiert und den Kampf und die Kontrolle der Geldmenge intensiviert. Das Ergebnis sei der Bailout und der Transfer von Geldern in Form subventionierter Kredite von der EWU nach Griechenland. Dieser unfreiwillige Akt habe mehr als alles andere das europäische Gemeinschaftsgefühl strapaziert und auf „Regierungs- und Bürgerebene Verachtung und Hass ausgelöst, besonders zwischen Deutschland und Griechenland“.

Bagus sieht den Euro letztlich als Prestigeobjekt der europäischen Sozialisten, insbesondere der französischen. Sie alle verband einst der Traum vom europäischen Zentralstaat. Zudem sei der Euro für sie das geeignete Instrument gewesen, den nach dem Zweiten Weltkrieg immer größer werdenden Einfluss der Deutschen Bundesbank auf Europa endlich zu schmälern, so Bagus’ gewagte These. Dass auch der Euro-Koloss Helmut Kohl in diesem Prozess eine erhebliche Rolle spielte, erwähnt er kaum.

Das Buch gibt allen Euro-Kritikern recht. Dass Bagus zum Schluss rhetorisch die Frage stellt, ob es überhaupt noch einen Ausweg aus Europas Defizitspirale gibt, ist das stilistische Finale einer im ganzen sehr intelligenten, doch oft zu offensichtlich auf Fehler fokussierten Euro-Leichenrede.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 4 Kommentare zu Schuldenschnitt wird teuer – aber es lohnt sich

Schuldenschnitt wird teuer – aber es lohnt sich

Die öffentliche Debatte über die Verschuldungskrise im Euro-Raum wird rauer – und verliert dabei teilweise auch ihre Seriosität. Zu hoch verschuldete Länder aus der Währungsunion zu werfen, scheint in Deutschland populär zu sein – das würde die Probleme der Überschuldung aber nicht lösen. Nach den Europäischen Verträgen wäre der Ausschluss eines Landes aus dem Euro rechtlich unzulässig. Es sind aber vor allem die politischen und wirtschaftlichen Kosten eines solchen Schrittes, die uns davon verschonen sollten. Denn ein Austritt wäre der teurere Weg. Wenn ein Land die Euro-Zone verlässt, werden sich die Märkte auf den Austritt des nächsten Landes vorbereiten, auf Portugal, Italien oder Spanien. Es wird vermutlich zu Bank-Runs in diesen Staaten kommen, wenn damit gerechnet wird, dass die alten, schwachen Währungen wieder eingeführt werden. Sparer und Investoren werden versuchen, ihr Geld in Sicherheit bringen. Am Ende müssten wir genau das tun, was die Euro-Kritiker verhindern wollen: Weiter Banken und Staaten retten, ohne dass wir die Vorteile einer großen Währungsunion hätten.

Was wir in Europa jetzt brauchen ist ein Schuldenschnitt. Zuerst in Griechenland, dann womöglich in anderen Staaten. Dabei gilt es, das rechte Maß finden: Die Griechen müssen einen Anteil leisten, ebenso die Gläubiger. Aber man muss dem Land auch eine Perspektive bieten. Um eine Kettenreaktion zu verhindern, sollte sich die Politik dabei zunächst auf ein Land konzentrieren – und dabei ganz klar signalisieren: alle anderen Länder und ihre Bankensysteme werden stabilisiert. Tiefgreifende Sparprogramme in Italien und Spanien müssten im gleichen Atemzug durchgesetzt werden. Das alles wird teuer werden, aber immer noch billiger als ein Auseinanderbrechen der Währungsunion. Das sollte es uns wert sein – denn es geht auch um unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand.


Weitere Informationen:

DIE ZEIT vom 12. September 2011: Die Politik täuscht die Bürger, wenn sie über einen Austritt Griechenlands aus Euroland spekuliert, sagt der Ökonom Clemens Fuest. Er wirbt für einen Schuldenschnitt.

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Das Ende der Europäischen Stabilitätskultur?

Von Dr. Andreas Hoffmann und Prof. Dr. Gunther Schnabl

Nachdem Axel Weber im April seinen Posten als Präsident der Bundesbank aufgab, tritt nun Jürgen Stark ab. Damit verliert die Europäische Zentralbank einen der wichtigsten Protagonisten der geldpolitischen Stabilitätskultur.

Jürgen Stark trat im Juni 2006 die Nachfolge von Otmar Issing als Direktionsmitglied der Europäischen Zentralbank an. Seine klare und konsequente geldpolitische Linie machte ihn schnell als geldpolitischen Falken bekannt. „Wir haben für eine zu lange Zeit global zu niedrige Zinsen gehabt“, sagte Stark 2008 im Spiegel. Er warnte vor rollenden Blasen, gefährliche Übertreibungen, die von einer Vermögenspreisklasse in die nächste wandern. Er forderte eine zeitnahe Abkehr von der Niedrigzinspolitik in den großen Industrieländern und kritisierte implizit die laxe Zinspolitik der USA vor und nach der Krise.

Zu dieser Zeit unterschieden sich die Politiken von EZB und Fed noch merklich. Die EZB, für die auch Stark steht, galt als politisch unabhängig. Sie ordnete dem Ziel der Preisstabilität alle anderen Ziele unter. Doch die erste große Krise leitete den Wechsel ein. Instabilen Banken und schlechten Staatsanleihen wird inzwischen, ähnlich wie in den USA, billiges Geld hinterhergeworfen. Stark wird nachgesagt, dass er gegen die Käufe von Staatsanleihen mit Ramschstatus und für einen baldigen Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik votierte. Er war deshalb unbequem.

Es ist unwahrscheinlich, dass auf Jürgen Stark ein Direktoriumsmitglied in der Europäischen Zentralbank folgen wird, das so klar und konsequent die Stabilitätskultur leben wird, wie sie einst – unter Mitwirkung von Jürgen Stark – in den europäischen Verträgen verankert wurde. Sein Rücktritt lässt deshalb für die deutschen Sparer nichts Gutes erahnen. Auch die Märkte reagierten besorgt. Der Euro wertete ab und die Unsicherheit über die Zukunft der europäischen Geldpolitik und den Umgang mit der Schuldenkrise schickte die Aktienmärkte weltweit auf Tauchkurs. Nicht nur die deutsche Presse zeigt sich betroffen, sogar die New York Times titelt: „A Setback for the Euro Zone“. Sie vermutet, dass die EZB jetzt eine freiere Hand bei der Monetarisierung der europäischen Staatsverschuldung haben könnte. Das und weitere „rollende Blasen“ befürchten wir auch.

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Wieviel Souveränität verträgt Europa?

Das Bundesverfassungsgericht hat in Sachen Euro-Rettung gesprochen. Politik und Medien loben diese Entscheidung fast unisono: als diplomatisch, europafreundlich und klug. Dabei wirkt der Richterspruch reichlich schizophren. Die Euro-Rettungsschirme werden als verfassungsgemäß eingestuft, obwohl sie den Rettern jahrzehntelange und Hunderte von Milliarden schwere Bürden aufhalsen.

Damit werden definitiv Fakten geschaffen, die den Deutschen Bundestag, dessen Rechte die Richter ja ausdrücklich stärken wollen, auf lange Sicht präjudizieren. Denn was nützt die Befristung des bisherigen provisorischen Stabilisierungsmechanismus bis Ende 2012, wenn die garantierten Kreditlinien anschließend dauerhaft in einen Europäischen Stabilisierungsmechanismus überführt werden müssen. Dann hat das Parlament doch genau den Spielraum nicht mehr, den die Verfassungsrichter ihm vermeintlich eingeräumt haben. Der Zug in die europäische Transferunion fährt jetzt ungehindert mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichts weiter. Eine merkwürdige Inkonsistenz, hinter der sich aber das Kernproblem der europäischen Währungsunion versteckt:

Wieviel Souveränität verträgt die nationale Budgetpolitik in einem Wirtschaftsraum mit einer gemeinsamen Währung? Wollen wir die politische Union, die notwendigerweise mit dem Verlust nationaler Entscheidungskompetenzen einhergeht? Wieviel supranationale „Vergemeinschaftung“ vertragen die Bürgerinnen und Bürger, die sich schon von der nationalen Politik frustriert abwenden?

Heute rächt sich bitter, dass gerade eine deutsche Regierung – gemeinsam mit Franzosen und Italienern – im Jahr 2003 und 2004 den europäischen Stabilitätspakt aushöhlte. Wie mühsam solides Wirtschaften ist, sehen wir doch in der deutschen Haushaltspolitik. Politiker scheuen das Sparen wie der Teufel das Weihwasser, weil Wähler auf Einschnitte mit Stimmentzug reagieren. Die gleichen Wähler übrigens, die in Umfragen in schöner Regelmäßigkeit für weniger Staatsschulden plädieren. Auch das ist schizophren.

Aus meiner Sicht brauchen wir eine Insolvenzordnung für Staaten in der EU. Griechenland könnte selbst für ein Ende mit Schrecken, statt eines Schreckens ohne Ende sorgen: durch einen möglichst raschen Ausstieg aus der Euro-Zone und eine Staatsinsolvenz. Womöglich sorgte dieses Fanal erst für die Stabilitätskultur in der Euro-Zone, ohne die eine weitere europäische Integration und der sukzessive Verzicht auf nationale Souveränitätsrechte der Bevölkerung in den Mitgliedsstaaten nicht vermittelbar sein wird.

Europa, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , 20 Kommentare zu Finger weg von der Steuerschraube

Finger weg von der Steuerschraube

Im Verlauf der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist Deutschland vom Pfad der soliden Staatsfinanzen abgekommen und fand nicht mehr auf den Weg der Tugend zurück. Seither wurde stets mehr ausgegeben als eingenommen. Die Folge: Eine exorbitante Staatsverschuldung. Anstatt seine über die Jahre hinweg ausufernden Tätigkeiten einmal auf den Prüfstand zu stellen, ist der Staat lieber auf der immerwährenden Suche nach neuen Einnahmequellen: Nun steht mal wieder die Einkommensteuer auf der politischen Agenda.

Die Forderung nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes geht vereinfacht gesprochen meistens mit der Behauptung einher, die „Reichen“ würden zurzeit keinen ausreichenden Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwohls leisten. Die Fakten hingegen sprechen eine andere Sprache: 2008 hat die Gruppe der obersten 10 Prozent der Steuerpflichtigen gut 54 Prozent der gesamten Einnahmen der Einkommensteuer aufgebracht.

Aber auch über die aktuelle Einkommensteuerbelastung der Top?Verdiener scheint zuweilen Unklarheit zu herrschen. Einschließlich des Solidaritätszuschlags liegt der aktuelle Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer bereits bei 47,48 Prozent. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf einem der vorderen Ränge – und nur als Denkanstoß liegen wir damit deutlich über dem „Zehnten“ des Mittelalters. Anstatt also weiter an der Steuerschraube zu drehen und damit möglicherweise Handwerker, Freiberufler oder andere Selbständige aus dem Land zu treiben, sollte der Staat seinen Blick lieber auf ohnehin vorhandene Einsparspielräume – vor allem bzgl. Subventionen und der Effizienzsteigerung staatlicher Verwalter – lenken. Doch im Spiel der Interessen scheint es schwer solche Vorstöße zu wagen – obwohl die Steuerzahler sich sicher an deutliche Worte und Taten an der Wahlurne erinnern.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , 1 Kommentar zu Die unfreiwillige Mitgliedschaft der Schweiz in der europäischen Haftungsgemeinschaft

Die unfreiwillige Mitgliedschaft der Schweiz in der europäischen Haftungsgemeinschaft

Die Nachricht kam überraschend. Die Schweizer Nationalbank kommuniziert ein klare Wechselkursobergrenze, die den Schweizer Franken de facto an den Euro bindet.  Sie gibt ihre bisher so hoch geschätzte und leidenschaftlich verteidigte geldpolitische Eigenständigkeit auf. Dies geschieht in einer Zeit, in der die Europäische Zentralbank durch Ankäufe von öffentlichen Anleihen mit Ramschstatus mehr denn je an Glaubwürdigkeit verloren hat. Im Umfeld einer immensen globalen Überschussliquidität gerät das Dogma der Vorteilhaftigkeit flexibler Wechselkurse ins Wanken.

Die Entscheidung der Schweizer Nationalbank basiert auf folgenden fünf Gründen. Erstens werden die negativen Konjunktureffekte vermieden, die sich aus Wettbewerbsverlusten für die Schweizer Exportindustrie, den Tourismussektor und den Einzelhandel ergeben. Zweitens werden spekulative Kapitalzuflüsse, die beflügelt von der globalen Liquiditätsschwemme auf eine Aufwertung des Schweizer Franken wetten, eingedämmt.  Fortan können Spekulanten keine schnellen Gewinne mehr aus der leicht zu prognostizierenden Aufwertung des Frankens generieren. Damit werden, drittens, die Liquiditätsausweitungen vermieden, die aus spekulativen Kapitalzuflüssen resultieren und den Nährboden für Inflation und spekulative Blasen bilden.

Viertens verteidigt die Schweizer Nationalbank mit der Wechselkursbindung ihre Unabhängigkeit. Sie vermeidet weitere Verluste auf ihr Eigenkapital, die bei Aufwertung des Franken aus der Neubewertung der beträchtlichen Devisenreserven entstehen. Wäre bei einer weiteren Aufwertung des Franken das Eigenkapital der Nationalbank aufgezehrt worden, dann wäre die Nationalbank auf eine Rekapitalisierung durch die Regierung angewiesen gewesen. Die Regierung hätte als Gegenleistung im Interesse der wechselkursgeschädigten Wirtschaftszweige die Zentralbank zu Zinssenkungen und/oder Wechselkursstabilisierung drängen können. Fünftens war die hoch geschätzte geldpolitische Eigenständigkeit ohnehin nie sehr groß. Der Schweizer Leitzins folgte – wie die Abbildung zeigt  – (mit einem vorsichtigen Abstand) dem Leitzins des Eurogebietes (wohl aus den oben genannten Gründen).

Trotz dieser klaren Vorteile einer Euro-Bindung dürfte die Entscheidung der Schweizer Nationalbank zur Eurobindung nur kurzfristig eine Verschnaufpause bieten. Denn vertagt die Europäische Zentralbank aufgrund der neuen Spannungen im europäischen Kapitalmarkt ihren geldpolitischen Exit, dann wird die erneute monetäre Expansion durch die Wechselkursbindung direkt auf die Schweiz übertragen. Der resultierende Inflationsdruck erwertet die weiter steigenden Schweizer Euroreserven real. Die Schweiz wird als neues, unfreiwilliges Mitglied in der europäischen Haftungsgemeinschaft zur Beteiligung an den Kosten der europäischen Schuldenkrise gezwungen.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 10 Kommentare zu Kapitalmärkte sorgen für Gerechtigkeit

Kapitalmärkte sorgen für Gerechtigkeit

Die Regelwerke der Europäischen Währungsunion haben nicht gehalten, was wir uns von ihnen versprachen. Nirgendwo wird dies sichtbarer als bei der Staatsverschuldung. Langsam begreifen wir, dass diese Krise der Staatsverschuldung mehr ist als nur die Offenlegung eines Ausrutschers in einzelnen Staaten. Es geht um die Staatstätigkeit und ihre Finanzierung schlechthin. Im Angesicht des gesamten Desasters sind die Finanzmärkte nun gnadenlos schuldenintolerant geworden. Gleichzeitig realisieren sie, dass weder Geld noch Finanzpolitik den Spielraum haben, einer Rezession entgegenzuwirken.

Die Regierungen sind ohnmächtig, sie fühlen sich von den Kapitalmärkten überrollt. Diese sind zwar zugegebenermaßen Spätmerker, doch sie intonieren endlich das richtige Thema: So wie in den 80er-Jahren der Geldpolitik die Inflation als Instrument ausgetrieben wurde, so wird nun der Finanzpolitik die Verschuldung ausgetrieben. Damit sind aber wir alle gemeint. Beide, Inflation und Verschuldung, offerieren im Kern dasselbe: Sie verschaffen den heute Lebenden Entlastung im Streit über die Verteilung der Ressourcen und Güter, in dem sie scheinbar unmerklich diesen Verteilungskonflikt in die Zukunft verlagern. Das wird nicht mehr gehen. Die Kapitalmärkte verlangen solide, also letztlich generationengerechte Haushalte.


Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung am 29.08.2011 in der Welt erschienen.

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , 9 Kommentare zu Schuldenkrise: Der Untergehende rettet den Ertrinkenden

Schuldenkrise: Der Untergehende rettet den Ertrinkenden

Die Lage der Banken scheint ernster zu werden. Nachdem die IWF-Chefin Lagarde die knappe Kapitalaustattung der Banken angeprangert hat, legte gestern die europäische Bankenaufsicht EBA nach. Die Forderung: Der EFSF soll die Möglichkeit haben, direkt Geld an die Banken zu geben, um sie vor Schieflagen zu retten.

Die ganze Situation erinnert an zwei Ertrinkende, die sich gegenseitig aus dem Sumpf ziehen wollen. Erst geraten die Banken in Schwierigkeiten und werden mit Steuergeldern gerettet. Die Folge: Die Verschuldung der Staaten explodiert. Das wiederum bringt deren Kapitalgeber – die Banken –in Schwierigkeiten. Und nun sollen die Banken wieder von den Staaten gerettet werden. Das ist so, als würde ein Schuldner, der von Insolvenz bedroht ist, seine Bank mit Krediten von eben dieser Bank retten.

Die nächste Stufe der Eskalation kann man sich gut vorstellen: Wenn die Banken vom EFSF Geld bekommen, wird der Schutzschirm bald erschöpft sein und mit kreditfinanzierten Staatsmitteln aufgestockt werden müssen. Es ist offensichtlich: Dieses Spiel bringt keine Lösung. Abgesehen davon sind Fehlanreize vorprogrammiert. Die Lehre für Banken und Staaten aus der Krise ist: Gilt man als systemrelevant, kann man tun und lassen was man will. Das kann so nicht weitergehen.

Europa, FinanzmarktTagged , 7 Kommentare zu Finanzkrise: Retten mit System!

Finanzkrise: Retten mit System!

Griechenland finanziell unter die Arme zu greifen war alternativlos – darin sind sich die europäischen Spitzenpolitiker einig. Eine Pleite Griechenlands könnte systemrelevante Finanzinstitute in ganz Europa ins Wanken bringen. Ein Übergreifen der Krise auf andere europäische Staaten wäre dann die Folge.

Allerdings fehlt bis heute eine valide Methode, um systemische Risiken im Bankensektor aufzudecken, sodass eine Rettungsaktion unter Umständen auch dort greift, wo es eigentlich nicht dringend notwendig gewesen wäre.

Erste Ansätze, wie beispielsweise der ESS Indikator, beobachten unter anderem CDS-Spreads und Aktienkurse von börsennotierten Banken, was schließlich zu Rückschlüssen darauf führt, inwiefern der Markt eine Pleite des jeweiligen Instituts erwartet. Politisch finden solche Konzepte aber noch so gut wie keine Berücksichtigung.

Vergleicht man anhand des ESS Indikators die Euroländer miteinander, so wird schnell klar, dass französische Banken mit Abstand den größten Risikofaktor darstellen. Vor diesem Hintergrund sollten  auch die französischen Vorschläge zur Euro-Stabilisierung betrachtet werden. Grundsätzlich besteht aber Handlungsbedarf, das zeigen die Börsen mehr als deutlich. Zu einer Stabilisierung Europas gehören aber valide Datengrundlagen für  Entscheidungen. Sonst besteht weiterhin die Gefahr einer Geiselhaft seitens der Finanzmärkte.