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Finanzmarktstabilität und die Zukunft des Euro

Die Warnungen vor neuen Finanzkrisen häufen sich. Die europäischen Banken werden unprofitabler, und die niedrigen Zinsen machen vor allem Lebensversicherungen und Pensionsfonds zu schaffen. Kern des Problems ist aber zu geringes Wirtschaftswachstum.

Der IWF hat in seinem jüngst erschienenen Finanzstabilitätsbericht davor gewarnt, dass vor allem die mittelfristigen Finanzmarktrisiken in jüngster Zeit eher zugenommen als abgenommen haben. Die größte Gefahr sieht er dabei erstens im europäischen Bankensystem, welches mittlerweile schon seit mehreren Jahren nicht mehr in der Lage ist, seine Kapitalkosten zu erwirtschaften. Und in keiner anderen Region der Welt ist die Gewinnbasis der Banken im Vergleich zu der Situation vor der Finanzmarktkrise so stark eingebrochen wie in Europa. Diese schwache Profitabilität verhindert – oder erschwert jedenfalls – den Aufbau einer robusten Eigenkapitalbasis und macht diese Institute somit angreifbar. Wie fragil die Situation ist, haben jüngst die Gerüchte zur Deutschen Bank gezeigt. Diffuse Befürchtung um hohe Strafzahlungen in den USA haben ausgereicht, um den Aktienkurs massiv unter Druck zu setzen und eine kaum nachvollziehbare Diskussion um eine mögliche staatliche Rettung dieses Instituts in Gang zu bringen.

Zweitens weist der IWF auch auf die gefährliche Situation der Lebensversicherungen und Pensionsfonds hin, die sich aufgrund der Niedrigzinsphase einem wachsenden Schuldenberg gegenübersehen. Hinzu kommt eine nach wie vor steigende Lebenserwartung. So war in diesem Jahr nicht nur die Aktienkursperformance vieler großer Versicherungsgesellschaften eher unterdurchschnittlich. Auch die CDS-Spreads, also die Prämien, die man für eine Absicherung gegen einen Ausfall der Anleihen dieser Institute bezahlt, sind gestiegen. Und die Deckungslücken der US-amerikanischen und britischen Lebensversicherungen sind ebenfalls deutlich angestiegen.

Die Bundesbank hat in ihrem vor wenigen Tagen veröffentlichen Finanzstabilitätsbericht in die gleiche Kerbe geschlagen. Zudem weist sie auf mögliche Überbewertungen insbesondere an den Immobilienmärkten hin, die durch die lange Niedrigzinsphase und einer damit einhergehenden Fehleinschätzung von Risiken ausgelöst worden sein könnte. Immerhin sind die Preise für Wohnimmobilien im bundesweiten Durchschnitt seit 2010 um rund 25 Prozent, in den Großstädten sogar um über 40 Prozent gestiegen.

Somit gibt es gleich zwei Szenarien, die aus Sicht der Finanzmarktstabilität ein gewisses Kopfzerbrechen bereiten. Bleiben die Zinsen auf dem derzeit niedrigen Niveau, oder sinken sie sogar weiter, wird dies – jedenfalls kurzfristig – die Gewinnbasis der Banken und die Vermögenssituation der Lebensversicherungen weiter verschlechtern. Da ein solches Zinsumfeld mit einem stagnierenden oder gar schrumpfenden Wirtschaftswachstum einhergehen würde, wäre auch mit wachsenden notleidenden Krediten und damit einer zusätzlichen Belastung für die Banken zu rechnen. Dass es in einem solchen Umfeld zu ernsthaften Solvenz-Problemen bei Banken kommen kann, sehen wir gerade am Beispiel Italiens. Und dieses Beispiel zeigt übrigens auch, dass der EU-Rahmen, den wir uns für die Restrukturierung und Abwicklung von Banken gegeben haben, aktuell noch wenig zur Stabilisierung des Bankensystems beiträgt. Im Krisenfall ist mithin kaum vorstellbar, dass die aktuell von der Bundesregierung im Fall Italiens vertretene Haltung, dass es keine Staatshilfen geben darf, durchzuhalten wäre.

Es wird aber noch auf ein weiteres gefährliches Szenario hingewiesen. Dies bestünde in einer abrupten und kräftigen Erhöhung des Zinsniveaus. Der damit einhergehende Rückgang von Vermögenswerten, also Anleihen-, Aktien- und Immobilienpreisen, würde sowohl die Versicherungen als auch die Banken unter Druck setzen – Erstere vermutlich stärker als Letztere, jedoch hätten dann wohl auch die Banken mit einer erhöhten Risikovorsorge bei Immobilienkrediten zu leiden.

Aus meiner Sicht gibt es aber gute Gründe anzunehmen, dass die Gefahren dieses zweiten Szenarios sich allenfalls kurzfristig auswirken würden und stark auf den Versicherungssektor konzentriert wären. Die Voraussetzung für einen abrupten Zinssprung nach oben wäre ein kräftiger Anstieg des Wirtschaftswachstums. Und ein solcher würde die Gewinnsituation der Banken, aber auch insgesamt jene des Unternehmenssektors deutlich verbessern. Dies würde dann mit einer gewissen Verzögerung dem beschriebenen Rückgang der Vermögenswerte entgegenwirken, so dass es mittelfristig wieder zu einer Abschwächung der beschriebenen Gefahren käme.

Damit sind wir aber beim Kern des Problems: das fehlende Wirtschaftswachstum. Zwar ist dieses Problem weltweit zu beobachten, dennoch ist es gerade in Europa besonders ausgeprägt. In Ländern wie Spanien, Italien oder Portugal ist das BIP heute gerade mal auf dem Niveau von 2008. Die realen Wachstumsraten in den Euroländern sind seit 2011 weit entfernt vom Potentialwachstum dieser Länder. Und die Folge ist eine hohe Arbeitslosigkeit, die sich in Spanien oder Italien im Vergleich zu 2012 mehr oder weniger verdoppelt hat.

Kurzum, die aktuellen Probleme auf den Finanzmärkten sind nur ein Spiegelbild der fundamentalen ökonomischen Probleme, die wir in Europa haben. Europa hat an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren, es leidet unter Überregulierung, nicht zuletzt auf den Arbeitsmärkten, einer ineffizienten öffentlichen Verwaltung und einer verfallenden Infrastruktur. Zwar gibt es natürlich in gewissen Bereichen Ausnahmen, allen voran Deutschland, aber insgesamt sieht man in den meisten Ländern keinen klaren politischen Willen, diese Defizite anzugehen. Und weil die dafür notwendigen strukturellen Reformen nicht angegangen werden, muss die EZB als Feuerwehrmann agieren. Dies gilt jedenfalls, solange der Euro als gemeinsame Währung am Leben erhalten werden soll. Nicht auszuschließen, dass irgendwann auch der politische Wille dafür verloren geht. Dann allerdings würde unser Finanzsystem einem Druck ausgesetzt, dem es wohl kaum standhalten könnte.

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