Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 4 Kommentare zu Wurzelbehandlung für die griechische Misere

Wurzelbehandlung für die griechische Misere

Es ist eine Binsenweisheit: Schlechtem Geld sollte man kein gutes Geld hinterherwerfen. Was aber würde passieren, wenn die Euroländer Griechenland tatsächlich den Geldhahn zudrehen würden? Wäre dies wirklich im Sinne der Gläubiger? Wenn die Hilfsleistungen eingestellt werden, wird es mit ziemlicher Sicherheit zu einer Insolvenz Griechenlands kommen. Die gravierende Folge für die Gläubiger: Die bisher vergebenen Bürgschaften würden nicht mehr zurückgezahlt werden.

Gleichzeitig hätte eine Insolvenz Griechenlands auch eine erhebliche Wirkung auf den Finanzsektor. Zunächst wären die Banken betroffen, die Kredite an Griechenland vergeben haben.  Darüber hinaus wäre aber – wie in der Finanzkrise vor Lehman Brothers – der ganze Sektor über den Derivatehandel in Mitleidenschaft gezogen. Als Folge einer staatlichen Insolvenz müssten wieder systemrelevante Banken gerettet werden.

Die Alternative zur Insolvenz wäre Griechenland weiter zu unterstützen. Gleichwohl müssen die Hellenen endlich ihre Misere an der Wurzel behandeln. Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ist das eigentliche Problem der griechischen Wirtschaft. Der Grund: Die Löhne sind im vorangegangenen Jahrzehnt in Relation zur Produktivität und zu konkurrierenden Standorten zu stark gestiegen. Schrittmacher für die Lohnsteigerung war der staatliche Bereich. Zusätzlich wurde hier auch die Beschäftigung stark ausgeweitet. Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, muss dieser Prozess rückgängig gemacht werden. Dieser Prozess ist langwierig und schmerzhaft – ist aber alternativlos.


Prof. Dr. Michael Bräuninger ist Forschungsdirektor am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und Professor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Der Forschungsbereich von Michael Bräuninger umfasst konjunkturelle und langfristige wirtschaftliche Analysen.

Die Langfassung dieses Beitrags „Für Griechenland gibt es keine Alternative zu einer langen und schmerzhaften Konsolidierung“ ist als am 10. Juni 2011 als „Standpunkt“ erschienen. 

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 8 Kommentare zu Haftung und Verantwortung in der Marktwirtschaft

Haftung und Verantwortung in der Marktwirtschaft

Als nach der Lehmann-Pleite die Finanzmärkte der Welt zu kollabieren drohten, hieß es unisono: Die Risiken für fahrlässiges Verhalten im Finanzsektor würden künftig nie mehr allein bei den Steuerzahlern abgeladen. Denn zu den Grundprinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehörten – wie siamesische Zwillinge – Begriffe wie Haftung und Verantwortung. Wer als Geldgeber fahrlässig hoch riskante Anlagewetten auf die Zukunft eingehe, müsse für die Folgen von Fehlspekulationen selbst haften. Nur dann, wenn dieser Grundsatz lückenlos zum Tragen komme, ließen sich die sündhaft teuren Reparaturmaßnahmen für die öffentlichen Haushalte – und damit für die Steuerzahler – wirkungsvoll eindämmen.

Wer den politischen Streit in der EU über die Beteiligung privater Gläubiger an den Rettungspaketen für Griechenland verfolgt, reibt sich verwundert die Augen. Plötzlich sind Umschuldungen unter Beteiligung des privaten Sektors ein Übel, gegen das sich Regierungen im Euroraum genauso stemmen wie die Europäische Zentralbank. Warum wird plötzlich die Gefahr einer neuen Bankenkrise an die Wand gemalt, um damit genau den Lösungsansatz zu bekämpfen, der die strukturelle Hauptursache für die regelmäßig wiederkehrenden Krisen an den Finanzmärkten oder die Überschuldungskrisen von Nationalstaaten beseitigen könnte?

Der Finanzsektor schreit nach Vollkasko! Er verteidigt seine Renditen aus den Boomzeiten, die häufig genug unter grober Missachtung jeglicher Risikofolgenabschätzung erzielt wurden, statt sich zur unternehmerischen Eigenverantwortung zu bekennen. Er setzt darauf, dass seine „Systemrelevanz“ die Politik zwingt, ihm die Verantwortung dadurch abzunehmen, dass die erzielten „Strohgewinne“ privatisiert  bleiben und die Verluste sozialisiert werden. Mit diesem Geschäftsmodell machen viele gut bezahlte Akteure an den Finanzmärkten unsere marktwirtschaftliche Ordnung kaputt. Wer mag noch den Stab über vermeintliche oder tatsächliche „Sozialschmarotzer“ brechen, wenn die Epigonen des Finanzkapitalismus gegen sich nicht gelten lassen, was für die sogenannten kleinen Leute zu gelten hat: Eigenverantwortung!

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , Leave a Comment on Vetorecht steht der EZB nicht zu

Vetorecht steht der EZB nicht zu

Mit einer harschen Ablehnung hat die EZB auf die erneute Forderung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reagiert, private Gläubiger an den Kosten der griechischen Schuldenkrise zu beteiligen. Eine Laufzeitverlängerung der von den Banken gehaltenen griechischen Staatsanleihen würde laut EZB dazu führen, dass die Ratingagenturen die Bonitätsnoten für Griechenland weiter senken würden. Eigentlich bieten die griechischen Staatsanleihen schon heue keine ausreichende Sicherheit. Dennoch hat die EZB sie bislang selbst aufgekauft.

Scheinbar sieht die EZB ihre grundsätzliche Verpflichtung zu einer unabhängigen Geldpolitik gefährdet. Bankrotte Staaten zu retten und dabei entsprechende Verluste in Kauf zu nehmen, gehört nicht zu ihren Aufgaben. Für die EZB entstehen im Refinanzierungsgeschäft Verluste, wenn sowohl die Banken, die die Anleihen als Sicherheit vorgelegt haben, als auch der griechische Staat zahlungsunfähig werden. Um die EZB abzusichern, könnten die Staaten der Euro-Zone gegenüber der EZB eine Bürgschaft übernehmen. Wirtschaftlich gehen sie dabei kein Risiko ein, weil sie Eigentümer der EZB sind. Die EZB könnte die griechischen Banken dann im bisherigen Umfang refinanzieren, auch im Fall einer Umschuldung. Die Unabhängigkeit der Geldpolitik wäre gewahrt.

Eine erzwungene Laufzeitverlängerung wäre dann sinnvoll, wenn man später mit einem Schuldenschnitt rechnet. Wenn Privatinvestoren an den Verlusten, die dann zutage treten, beteiligt werden sollen, darf man jetzt nicht zulassen, dass sie aussteigen. Denn dieser Ausstieg würde bedeuten, dass die auslaufenden Anleihen mit Steuergeldern anderer Staaten der Euro-Zone finanziert würden. Ein Veto-Recht dazu steht der EZB nicht zu. Trotz allem muss die Entscheidung für eine Umschuldung Griechenlands von der Politik entschieden werden.


Dieser Blogbeitrag ist eine Kurzfassung des am 15. Juni 2011 im Handelsblatt veröffentlichten Beitrags „Die EZB ist zu weit gegangen“.

 

Zitat

Es ist beispielsweise in höchstem Maße widerspruchsvoll, wenn der Staatsbürger über die unerträgliche Höhe der Steuerlast klagt, gleichzeitig aber vom Staate Hilfen erwartet, die diesem das moralische Recht geben, noch immer höherer Steuern einzuheben.

— Ludwig Erhard, 1897-1977, deutscher Wirtschaftsminister, Bundeskanzler

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 43 Kommentare zu „Sackgasse Sozialstaat. Alternativen zu einem Irrweg“

„Sackgasse Sozialstaat. Alternativen zu einem Irrweg“

Kritik am Sozialstaat ist in Deutschland tabu. Der Entrüstungssturm, den Guido Westerwelles Ausspruch von der „spätrömischen Dekadenz“ vor einiger Zeit auslöste, illustrierte dies einmal mehr.

Wer Westerwelles Bemerkung bereits unerhört fand, dem sei einmal das Buch „Sackgasse Sozialstaat – Alternativen zu einem Irrweg“, die Neuerscheinung des Zürcher Liberalen Instituts, zur Lektüre empfohlen. Danach wird ihm Westerwelle nämlich wie ein biederer Sozialdemokrat erscheinen. Die zehn Autoren, die die Herausgeber Christian Hoffmann und Pierre Bessard zusammengetrommelt haben, kritisieren den Wohlfahrtsstaat aus einer grundsätzlichen, radikal-freiheitlichen Perspektive.

Das Buch zusammenzufassen ist etwas schwierig, da die Autoren völlig unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Doch wenn es Leitfäden gibt, beziehungsweise Punkte, auf die sich vermutlich alle Autoren einigen können, dann sind das wohl die folgenden:

  • Wohlfahrtsstaatliche Rundumversorgung ist mit dem liberalen Freiheitsgedanken nicht vereinbar, geht sie doch von einem unmündigen Bürger aus, dem die Absicherung gegen persönliche Risiken nicht selbst überlassen werden kann.
  • „Solidarität“ und bürokratisch organisierte Umverteilung sind zwei völlig unterschiedliche Paar Stiefel. Der Umverteilungsstaat ist vielmehr als ein Tauziehen zwischen verschiedenen Interessengruppen aufzufassen, die vor allem ihr eigenes Wohlergehen im Sinne haben. Dazu gehört nicht zuletzt die auf Selbsterhalt bedachte Sozialbürokratie.
  • Die westlichen Wohlfahrtssaaten sind nicht nachhaltig finanziert. Nicht nur die Demografie zehrt an ihrer Finanzierungsbasis, sondern auch die Dynamik des politischen Überbietungswettbewerbs, also des Erkaufens von Wählerstimmen durch Leistungsversprechungen.
  • Wohlfahrtsstaatliche Versorgung verdrängt private Alternativen, insbesondere individuelle Kapitalbildung und Eigentumserwerb, aber auch die freiwillige Philanthropie und zivilgesellschaftliches Engagement.
  • Private Alternativen würden Vielfalt, Wahlfreiheit und Wettbewerb ermöglichen, während Staatsmonopole zur Nivellierung neigen.  Das gilt im Sozialbereich nicht weniger als beispielsweise in der Produktion von Autos.

Da die Autoren sich weltanschaulich durchaus auch untereinander unterscheiden, dürfte sich wohl kaum ein Leser finden, der jeder Zeile des Buches ohne Vorbehalte zustimmen würde. Wer aber Denkanstöße aus einer konsequent freiheitlichen Perspektive, außerhalb des engen gedanklichen Rahmens der deutschen Sozialstaatsdebatte, sucht, der wird in diesem Buch sicher fündig werden.


Christian Hoffmann und Pierre Bessard (Hrsg.): „Sackgasse Sozialstaat. Alternativen zu einem Irrweg“, Zürich 2011

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 3 Kommentare zu Neue Stabilität wird beerdigt

Neue Stabilität wird beerdigt

Mit dem heutigen Beschluss des Bundestags über weitere Finanzhilfen für Griechenland, begräbt er die zukünftigen Stabilitätsregeln für die Euro-Länder gleich mit. Ab Juli 2013 soll der Europäische Stabilitäts-Mechanismus (ESM) die bisherigen provisorischen Hilfssysteme ablösen und die Maastricht-Kriterien bzw. den Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzen. Zu den Kerngedanken des ESM gehört, im Falle einer faktischen Staatsinsolvenz unter strengen Sparauflagen Finanzhilfen zu gewähren – allerdings, und das wäre neu, unter Beteiligung der Gläubiger.

Das Haftungsprinzip gehört zu den Grundpfeilern der Sozialen Marktwirtschaft. Denn ohne Wettbewerb, Vertragsfreiheit und eben Haftung kann der Markt keine glaubwürdigen Informationen liefern. Die faktische Sozialisierung des Risikos der Staatsverschuldung von Griechenland ist insoweit nicht nur Folge sondern eben auch Ursache zu niedriger Zinsen in der Vergangenheit bzw. der überhöhten Verschuldung. Das Haftungsprinzip sollte mit der im ESM verankerten Gläubiger-Beteiligung bei zukünftigen Staatsinsolvenzen wieder gestärkt werden. Sollte…Wird aber nicht. Denn mit der erneuten Griechenland-Hilfe wird dieser Grundsatz schon wieder verletzt, bevor das neue Regelwerk überhaupt beschlossen ist.

Nach EMS-Regelwerk müsste es bei einer negativen Schuldentragfähigkeitsanalyse zu einer Verhandlung des Schuldners mit seinen Gläubigern kommen – Finanzhilfen vom ESM gäbe es nur dann, wenn Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Anleihezinsen, die einen drohenden Zahlungsausfall berücksichtigen, wären höher und würden ausufernde Verschuldung frühzeitig dämpfen. Im Fall Griechenlands läuft es aber jetzt wieder ganz anders. Hier sollen die Gläubiger lediglich dazu angehalten werden, ihre Kreditlaufzeiten zu verlängern. Schäuble nennt das „weiche Umschuldung“. Tatsächlich ist das aber ein warmer Geldsegen für alle, die von hohen Anleihezinsen profitieren. Statt Haftung wird so Risikofreiheit garantiert. Die Geschichte des Euros ist eine Aneinanderreihung ungesühnter Rechtsbrüche. Ein neues Kapitel wird gerade geschrieben.


* WestLB (Bad Bank): 1.400 Mio., LBBW: 1.389 Mio, Landesbank Berlin: 364 Mio., HSH Nordbank: 295 Mio., NordLB: 197 Mio., BayernLB: 121 Mio., WestLB: 97 Mio., Helaba: 78 Mio.

Weitere Informationen:
*cep-Standpunkt: Freie Fahrt in die Schuldenunion, April 2011

*cep- Kommentierung zur Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes

Bildung, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , 14 Kommentare zu Elterngeld verpufft

Elterngeld verpufft

Bis 2007 galt die Entscheidung für oder gegen Kinder als eine Privatsache. Seit Einführung des Elterngeldes mischt sich der Staat kräftig ein. So wird das Verhältnis von Bürger und Staat auf den Kopf gestellt. Der Staat richtet sich nunmehr nicht mehr an den Bedürfnissen seiner Bürgers aus, sondern versucht sich die passenden Bürger selbst heranzuziehen. Jenseits dieser Kritik am paternalistischen Staatsverständnis sprechen noch weitere Argumente gegen das Elterngeld.

Da es sich beim Elterngeld nicht um eine allgemeine bevölkerungspolitische Prämie handelt, sondern um eine einkommensabhängige Transferleistung, werden vor allem gut verdienende Eltern privilegiert. Wer ein gutes Gehalt verdient (z.B. 2.750 Euro netto), bekommt mehr als drei Mal so viel wie derjenige, der vor der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nur 750 Euro nach Hause bringt. Und: Kann es denn sein, dass man solche Programme auflegt, statt sich einer ernsthaften bildungspolitischen Debatte zu stellen? Immerhin zeigen uns Bildungsstudien immer wieder auf, wie undurchlässig unsere Systeme sind, dass Kinder aus Geringverdiener-Haushalten weniger Chancen auf eine gute Ausbildung haben als Kinder von Besserverdienern. Wer die Durchlässigkeit und damit so etwas wie Chancengerechtigkeit verbessern will, wirkt mit der Privilegierung der gut verdienenden Familien leider in die falsche Richtung.

Jetzt könnte man meinen: Zum Glück funktioniert es nicht. Tatsächlich wäre es bedenklich, wenn gutverdienende Karrieristen nur wegen des Elterngeldes sich plötzlich für Kinder entscheiden würden. Tatsächlich dürften es reine Geschenke sein, die die Eltern nun freudig mitnehmen. Dennoch muss das Elterngeld vom Steuerzahler finanziert werden – jährlich sind das mehr als vier Milliarden Euro. Warum eigentlich? Und wie lange noch?


Die Langfassung dieses Beitrags „Zum Glück nur Klientelpolitik“ ist am 07. Juni 2011 als „Ordnungspolitischer Kommentar“ des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln erschienen.

Weitere Informationen:

*Elterngeld kein Allheilmittel – General-Anzeiger

*Deutschland bei Geburtenrate auf viertletztem Platz – Die Welt

*Durchschnittliche Kinderzahl je Frau (Geburtenziffer) – Statistisches Bundesamt

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 13 Kommentare zu Eine Umschuldung ist alternativlos

Eine Umschuldung ist alternativlos

„Der Euro führt nicht zur Einigung, sondern zur Teilung Europas“, warnte schon 1998 der Soziologe Lord Rolf Dahrendorf. Seine Ermahnungen blieben damals ungehört. 13 Jahre später drohen sie aber real zu werden. Europa steht vor der Zerreißprobe.

Trotz aller Versprechungen hat Griechenland die Haushaltsprobleme nicht in den Griff bekommen. Es ist nicht gelungen, einen glaubwürdigen Sparkurs einzuschlagen und angebotspolitische Versäumnisse zu beseitigen. Interessensgruppen und Eliten konnten ihre Rentenansprüche weiterhin durchzusetzen. Darunter leiden vor allem die griechischen Steuerzahler.

Gleichzeitig leidet das Image vor allem Deutschlands bei den Griechen, unter anderem weil die deutsche Regierung im Frühjahr 2010 falsch gehandelt hat. Nicht der Aufkauf griechischer Schrottpapiere durch die EZB war alternativlos, sondern deren Umschuldung. Nun scheinen die Regierungen dies zu wissen und warten ab – so lange bis genug griechische Papiere in staatlicher Hand sind. Damit werden erneut die Banken geschützt und die Risiken auf den Steuerzahler übertragen; dieses Mal allerdings indirekt und in der Hoffnung, dass die Wähler/Steuerzahler dies nicht bemerken. Was wir jetzt endlich brauchen, ist eine europäische Strategie. Diese muss eine endgültige Härtung des SWP, eine konsequente Verankerung und Umsetzung des No-bail-out-Prinzips, eine Befristung der Rettungsinstrumente und eine beherzte Rettung Griechenlands (einschließlich Umschuldung) umfassen. Sonst erleben wir noch mehr Desintegration durch nationalistische Vorurteile – und dann wären die europäischen Regierungen tatsächlich die Totengräber Europas.


Quelle Grafik: WiWo, Ausgabe vom 16.05.2011, Seite 20-27

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 10 Kommentare zu Mit mehr Mobilität zur Vollbeschäftigung

Mit mehr Mobilität zur Vollbeschäftigung

Die Wirtschaft boomt, die Arbeitslosenzahlen sinken. Es scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis ganz Deutschland nach Jahrzehnten der Massenarbeitslosigkeit wieder Vollbeschäftigung erreichen wird. Aber ganz so einfach wird es dann doch nicht gehen. Denn die Entwicklung der Arbeitslosenquoten in den einzelnen Bundesländern unterscheidet sich eklatant. Bayern mit 3,6 Prozent und Baden-Württemberg mit 4 Prozent haben das Ziel Vollbeschäftigung bereits faktisch erreicht. Rheinland-Pfalz steht mit einer Quote von 5,2 Prozent kurz davor. Hier ist von Massenarbeitslosigkeit keine Spur. Es herrscht Fachkräftemangel.

Andererseits liegen die Arbeitslosenquoten in den neuen Bundesländern mit Ausnahme von Thüringen sowie den alten „Sorgenkindern“ Bremen und Berlin nach wie vor bei über 10 Prozent. Natürlich wäre es ideal, wenn auch hier vor Ort genügend Arbeitsplätze für alle geschaffen werden könnten. Es ist jedoch stark zu bezweifeln, dass dies in absehbarer Zeit der Fall sein wird. Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass die Bereitschaft zur Mobilität in Regionen mit Fachkräftemangel ein entscheidender Faktor auf dem Weg zur Vollbeschäftigung sein wird.

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 1 Kommentar zu Inszenierung statt Verantwortung

Inszenierung statt Verantwortung

Es sind merkwürdige Zeiten: Killerbakterien und ein deutsch-spanischer „Gurkenkrieg“ beherrschen seit Wochen die Schlagzeilen. Dabei relativieren sich die Krankheits- und Todesfälle durch den EHEC-Erreger,  wenn man die Fallzahlen bei jeder größeren Grippe-Welle in der kälteren Jahreszeit damit vergleicht. Hier wird medial vor allem Panik inszeniert!

Bereits im zweiten Jahr befindet sich die Inszenierung um die Griechenland-Rettungsaktion, die fälschlicherweise als „Euro-Rettung“ apostrophiert wurde. Statt den Kern des Problems zu benennen, die selbst verschuldete griechische  Überschuldung, das permanente Leben auf Pump, machten Politiker, Notenbanker und Medien die Zukunft des Euro zum Thema: Wer Griechenland nicht hilft, macht die europäische Währungsunion kaputt!

Doch Griechenland ist ohne Umschuldung, ohne Verzicht der Gläubiger auf große Teile ihrer Forderungen, nicht zu retten. Wer das angesichts des derzeit verhandelten 2. Hilfspakets immer noch bestreitet , handelt verantwortungslos. Vor lauter Rettungs-Inszenierung ist der Politik inzwischen die Tuchfühlung zum Volk in der Euro-Frage abhanden gekommen. Weil die Politik die Griechenland-, Portugal- und Irland-Rettung zur Euro-Rettung verklärte, haben besonders wir Deutschen die Lektion gelernt: Die Euro-Skepsis ist mit Händen zu greifen, Währungsreform-Debatten werden in privaten Runden und am Arbeitsplatz geführt und sie bestimmen zunehmend langfristige Anlage- und Investitionsentscheidungen.

Plötzlich muss die Politik ihre Argumentationsketten ändern, um den Flächenbrand an Europa-Skepsis zu stoppen, der im Land herrscht.  Plötzlich sagen und schreiben alle vom Euro als Erfolgsgeschichte, der uns Deutschen Wohlstand und politische Stabilität gebracht habe. Man redet jetzt lieber von Haushaltsdisziplin, die durchzusetzen es in den peripheren Mitgliedsstaaten im Süden und Nordwesten der Euro-Zone gehe. Man inszeniert wieder, statt dort Verantwortung einzufordern, wo jahrelang Schindluder getrieben wurde:  bei den politisch Verantwortlichen in den betroffenen Ländern, bei den EU-Institutionen und der EZB, die nicht so genau hingeschaut haben, bei Banken und anderen Gläubigern, die trotz der absehbaren Risiken großzügig die Verschuldungsorgien mitfinanziert haben.

Inszenierung ersetzt niemals Verantwortung! Diese Lektion verbindet so unterschiedliche Themen wie EHEC und Euro.

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , 10 Kommentare zu Aufschwung adé?

Aufschwung adé?

Haben Sie davon gehört, dass Deutschland ein internationaler Musterknabe ist? Die Wirtschaft brummt, was voraussichtlich zu sprudelnden Steuereinnahmen führen wird. Was merkt man in Zeiten allgemeiner Weltuntergangsprophetie davon?  Die Bürger können zwar in der Zeitung lesen, dass sich die volkswirtschaftlichen Eckdaten erfreulich entwickeln. In ihrer Haushaltskasse kommt der Aufschwung aber nicht an. Steuerentlastung ist für den Finanzminister vorerst kein Thema. Absurd: Sogar nach Keynes‘ Lehre müsste sich in dieser Situation der Staat zurückziehen und den Bürgern die Möglichkeit einräumen, die bestmögliche Verwendung für ihr Geld zu finden.

Es kann nicht sein, dass diejenigen, die in schlechten Zeiten den Garten bestellt haben, jetzt nicht ernten dürfen. Der strukturelle Vorteil, den Deutschland als Standort der hochentwickelten mittelständischen Industrie entfaltet, wird verpuffen, wenn der Mehrwert vom Staat abgeschöpft wird und in Form wahnwitziger  Rettungspakete die nächste Anleiheblase  finanziert. Zur marktwirtschaftlichen Ordnung gehört natürlich, dass die Verursacher von Kosten diese selbst tragen. Aber gerade wer Werte schafft, muss davon auch profitieren können.

Trotzdem wird munter behauptet, für „Steuergeschenke“ sei kein Platz. Seit wann ist es ein Geschenk, jemandem weniger wegzunehmen? Wenn dieser Aufschwung nicht bald bei den Menschen ankommt, ist er schneller vorbei, als er begonnen hat.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, UmweltTagged , , , , 4 Kommentare zu Social Corporate Responsibility: Einfallstor für politische Ideologie

Social Corporate Responsibility: Einfallstor für politische Ideologie

Wer bei Lidl, Netto oder Aldi einkauft, kann sicher sein, dass er volle Regale vorfindet, weitgehend alles findet, was er sucht und seinen Einkauf zu günstigen Preisen erledigen kann. Wer in die Tankstelle fährt, um zu tanken, findet nicht nur Benzin (zu nicht ganz so günstigen Preisen), sondern auch eine Einkaufsmöglichkeit, jenseits des Prokrustesbetts der Ladenöffnungszeit. Wer ins Kino geht, kann sicher sein, dass er für vermutlich die nächsten zwei Stunden ein mehr oder weniger gutes Unterhaltungsprogramm geboten bekommt.

Alle Beispiele haben eines gemeinsam, ein Konsument fragt ein Produkt oder eine Leistung nach und erhält sie zu einem vereinbarten Preis. Man sollte denken, damit ist der Handel zwischen Konsumenten und Unternehmern, zwischen Nachfrager und Anbieter abgeschlossen. Doch dem ist nicht so, denn neuerdings formieren sich immer mehr Gruppen, die eine „Corporate Social Responsibility“ von Unternehmen einfordern. Die EU fordert Corporate Social Responsibility, die OECD findet Corporate Social Responsibility wichtig, und selbst die Weltbank macht sich für Corporate Social Responsibility stark.

Wer sich in Google Scholar einen kurzen Überblick über die Menge der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu „Corporate Social Responsibility“ macht, findet erschlagende 79.200 Einträge. Wer deutsche wissenschaftliche Bücher zu dem Thema scannt, stellt schnell fest, dass Corporate Social Responsibility von nahezu allen Autoren als etwas Positives und Begrüßenswertes angesehen wird. Kaum jemand hinterfragt das Konzept. Und so steht Philip Booth (2009, S.2) mit seiner Frage, warum Unternehmen dann, wenn sie ihrem Zweck nachgehen und produzieren, als Unternehmen charakterisierte werden, die etwas aus der Gesellschaft nehmen, während dann, wenn sie Kapital in unternehmensfremde Zwecke investieren, behauptet wird, sie gäben der Gesellschaft etwas zurück, bislang ziemlich alleine da.

Vor Booth hat sich vor allem Milton Friedman gegen das von Archie Carroll zum Ende der 1970er Jahre aufgebrachte Konzept der Corporate Social Responsibility ausgesprochen und festgestellt, dass „there is one and only one social responsibility of business – to use its resources and to engage in activities designed to increase its profit“ (Friedman, 1993, S.250). In der Tat ist die Frage berechtigt, warum Unternehmen ihre eigentliche Aufgabe, nämlich ihren Nutzen zu maximieren, zu Gunsten von Corporate Social Responsibility aufgeben sollten. Um diese Frage zu beantworten ist es sinnvoll, etwas genauer darauf zu schauen, was Corporate Social Responsibility konkret bedeutet.

Einen guten Einblick in die Welt der Corporate Social Responsibility (CSR) vermittelt der CSR-Index des Unternehmens KLD Research and Analytics. Interessant ist der Index vor allem, wenn man sich ansieht, aus welchen Variablen er sich zusammensetzt, was als Indikator von Corporate Social Responsibility angesehen wird. Hier finden sich so profitable Dinge wie (1) Unterstützung lokaler Gemeinschaften, (2) Gleichbehandlung von Frauen und Minoritäten, (3) Behandlung von Angestellten, (4) Umweltschutz, (5) Produktsicherheit, (6) keine Beteiligung an der Herstellung von Waffen und (7) keine Beteiligung an der Produktion von Kernenergie. Vor dem Ende der Apartheid enthielt der Index noch die Handelsbeziehungen mit Südafrika als Stolperstein auf dem Weg zu dem Prädikat „Corporate Social Responsible“. Was die Indikatoren alle gemein haben, ist ein bestimmtes und leicht zu identifizierendes ideologisches Fundament, was den Verdacht nahe legt, dass Corporate Social Responsibility ein Mittel der ideologischen Gleichschaltung von Unternehmen, ein Mittel der ideologischen Kriegsführung darstellt.

Und dem ist wirklich so, wie sich schon daran zeigt, dass die Bundesregierung, genauer, das Ministerium für alle außer Männern, Unternehmen prämiert, die sich aus der Sicht des Bundesministeriums wohlgefällig verhalten, die gefügig sind. Wohlgefällig verhalten sich Unternehmen, die die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass „Menschen Verantwortung für ihre Familie übernehmen können“. Dies wird vornehmlich durch „Angebote zur Kinderbetreuung“ und „Familienpflegezeit“ erreicht. Fast 1000 solcher devoten Unternehmen, Institutionen und Hochschulen hat das BMFSFJ bereits zertifiziert. Die Zertifikate schmücken die Brust der entsprechenden Verantwortlichen und belegen, dass „betriebliche Kinderbetreuung“, „weitere Unterstützung bei Kinderbetreuung“, „Kontakt während der Elternzeit“, „Unterstützung bei Pflegezeit“ und eine besondere „Väterförderung“ gewährleistet sind. Das Bundesministerium gebraucht die zertifizierten Unternehmen somit ganz offen, um die hauseigene Ideologie zu verbreiten und auf andere (noch) nicht zertifizierte Unternehmen Druck auszuüben, um auch noch das letzte unzertifizierte Unternehmen gleichzuschalten.

Damit ist deutlich, wem Corporate Social Responsibility dient, und warum es vornehmlich politische Kreise sind, die Social Corporate Responsibility propagieren. Das Konzept ist das Einfallstor politischer Ideologie in Unternehmen, es wirkt als trojanisches Pferd um Unternehmen gleichzuschalten, denn ein gutes, d.h. ein zertifiziertes Unternehmen lebt, was ihm aus dem Ministerium an Werten vorgegeben wird. Corporate Social Responsibility ist ein Wertimperialismus, der zwangsläufig zu Lasten der Effizienz von Unternehmen gehen muss und am Ende zu einer nachlassenden Produktivität führen muss. Deshalb kann man sich als verantwortlicher Unternehmer nur gegen Corporate Social Responsibility entscheiden. Und man darf keine Kompromisse und schon gar keine Zugeständnisse machen, denn das ist der Anfang vom Ende unternehmerischer Eigenständigkeit: „Unfortunately,…, many businesses have apparently endorsed it (CSR] they have perhaps sought to deflect CSR activists‘ wrath by consulting them, and even funding them in hopes of buying approval. But as has been observed ‚that’s as likely as converting a crocodile to vegetarianism by feeding it your leg“ (Sternberg, 2009, S.8). Diese Erkenntnis gilt besonders für Krokodile aus Familienministerien.

Booth, Philip (2009). Editorial: Corporate Social Responsibility. Economic Affairs 29(4): 2-4.

Carroll, Archie (1979). A Three-Dimensional Conceptual Model of Corporate Performance. Academy of Management Review 4(4): 497-505.

Friedman, Milton (1993). The Social Responsibility of Business is to Increase Profits. In: Chryssides, George D. & Kaler, John H. (eds.). Business Ethics. London: Thompson Learning, pp.249-254.

Sternberg, Elaine (2009). Corporate Social Responsibility and Corporate Governance.  Economic Affairs 29(4): 5-10.


Dieser Beitrag erschien auch auf http://sciencefiles.org.

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Soziales, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , , 12 Kommentare zu Energiewirtschaftliche Vollbremsung

Energiewirtschaftliche Vollbremsung

Innerhalb eines halben Jahres hat die Bundesregierung gestern zum zweiten Mal ein Energiekonzept für die Zukunft vorgelegt. Gleichzeitig hat die von der Bundesregierung eingesetzte Ethikkommission ihren Abschlussbericht vorgelegt. Klar ist nun auch offiziell: Die Bundesregierung will raus aus der Kernenergie, und das so schnell wie möglich. Nachdem im Herbst noch die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke beschlossen wurde, wurde nun nach dem Reaktorunglück von Japan eine hundertprozentige Kehrtwendung vorgenommen.

Trotz des radikalen Kurswechsels bleiben die Ziele der Politik gleich: Strom soll auch weiter sicher, bezahlbar und umweltfreundlich sein. Das dies nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch wirtschaftlich riskant. Wenn billiger Strom aus Kernkraftwerken durch teure Gaskraftwerke erzeugt werden soll, bedeutet das Kosten in hoher Milliardenhöhe:

– Energieintensive Industrien müssen mit einem um gut 10 Prozent erhöhten Strompreis rechnen, was es einigen unmöglich machen kann, in Deutschland weiter wettbewerbsfähig zu arbeiten.

– Private Haushalte zahlen ebenfalls mehr für den Strom, dies wird aber in vertretbaren Dimensionen bleiben.

– Der Staat wird niedrigere Steuereinnahmen haben – Brennelementesteuer, Gewinnabführungen und  Gewinnsteuern von Energieerzeugern und -verbrauchern fallen niedriger aus oder ganz weg.

Die wirklichen Kosten der energiewirtschaftlichen Vollbremsung liegen auch mit den neuen Beschlüssen noch nicht auf dem Tisch. Klar ist nur: Es wird teurer. Gleichzeitig wird die Sicherheit der Stromversorgung gefährdet, weil die Netze überlastet sind. Umweltfreundlicher wird es auch nicht, weil mehr Kohlendioxid ausgestoßen wird. All dies muss in eine gesellschaftliche Risikobewertung einbezogen werden.

OrdnungspolitikTagged , , , , , Leave a Comment on VWL für Lieschen Müller: van Suntums “Die unsichtbare Hand” in vierter Auflage

VWL für Lieschen Müller: van Suntums “Die unsichtbare Hand” in vierter Auflage

Nicht wirklich schöner geworden: Die Cover von "Die unsichtbare Hand" zweite Auflage (links) und vierte Auflage
Nicht wirklich schöner geworden: Die Cover von "Die unsichtbare Hand" zweiter (links) und vierter Auflage.

Medien versuchen aus Nachrichten Einzigartigkeiten zu schaffen. Das ist ihr Geschäft. Denn das Einzigartige findet Aufmerksamkeit. Was es (angeblich) noch nie gegeben hat, wird gelesen, gehört, geschaut.

Volkswirte sind so etwas wie die natürlichen Feinde der Medien, zumindest der Boulevard-Medien. „Der Euro führt uns in die Katastrophe!“ Die Welt hat schon viele Währungsreformen erlebt – und überlebt. „Die aufstrebenden asiatischen Staaten greifen nach der ökonomischen Weltherrschaft!“ Arbeitsteilung hilft am Ende allen. – Den apokalyptischen medialen Zukunftsszenarien stellt der besonnene Volkswirt die entspannte Analyse menschlicher Interaktionen gegenüber.

Ulrich van Suntum ist so ein besonnener Volkswirt. Gerade ist in vierter Auflage sein Buch „Die unsichtbare Hand – ökonomisches Denken gestern und heute“ erschienen (Bestellung bei Amazon). Wie kein zweites deutschsprachiges Buch liefert es zu den alltäglichen Nachrichten fundierte ökonomische Zusammenhänge.

Vernichtet der technische Fortschritt Arbeitsplätze? Wie entsteht Inflation? Gehen uns bald die Rohstoffe aus? Auf alle relevanten ökonomischen Debatten der vergangenen Jahrzehnte bietet „Die unsichtbare Hand“ das ökonomische Rüstzeug – in Form von ökonomischer Theorie, auch durch historische Vergleiche. (Download Inhaltsverzeichnis)

Auch die aktuelle Finanzkrise ist für den Professor am „Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung“ an der Universität Münster keine wirkliche Überraschung: „Große Finanzkrisen hat es auch schon früher gegeben, etwa den holländischen Tulpenwahn im 17. Jahrhundert oder den Zusammenbruch der Papiergeldwährung in Frankreich ein knappes Jahrhundert später “, schreibt van Suntum, „nur sind die Lehren daraus vielfach wieder vergessen worden.“

Es ist wohl Hans Besters, dem verstorbenen Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum, zu verdanken, dass es dieses Buch überhaupt gibt. „Er hat mich davor gewarnt“, schreibt van Suntum, „allein der Mathematik zu trauen, wenn es um ökonomische Probleme geht.“ Letzten Endes habe Besters immer nur das gelten lassen, was man notfalls auch „Lieschen Müller“ habe klarmachen können.

Das ist die Stärke von „Die unsichtbare Hand“: Es ist für Nicht-Ökonomen verständlich und für Ökonomen dennoch erhellend.

Diesem Buch sind viele Leser zu wünschen. Doch dazu wird es vermutlich nicht kommen. Der Wissenschaftsverlag Springer gibt sich wenig bis keine Mühe, das Buch mit Hilfe der Optik für breitere Leserschichten attraktiv zu machen. Seit der ersten Auflage prangt eine langweilige Luftbildaufnahme Manhattens auf dem Cover. Das Foto soll wohl als Symbol für die Wirtschaft stehen. Doch van Suntums Buch ist so ziemlich genau das Gegenteil. Es geht ihm nicht um anonymes Wirtschaften. Zahlreiche ökonomische Denker stellt van Suntum in seinem Buch vor, und ganz grundsätzlich steht immer der Mensch im Mittelpunkt seiner Überlegungen.

Eine große Auflage ist also nicht zu erwarten. Es wäre schon viel gewonnen, wenn es in mancher Redaktion gelesen würde.

Arbeitsmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , 13 Kommentare zu Vorsicht vor Preiskontrollen!

Vorsicht vor Preiskontrollen!

 

Der Deutschen liebstes Kind ist ihr Auto. Wenn vor der Reisezeit wieder einmal die Benzinpreise steigen, ist der Ärger groß. Für die erhitzten Autofahrergemüter war schon längst klar, dass hinter den alljährlichen Preissteigerungen Absprachen der Ölmultis stecken. Und tatsächlich deuten die Preissteigerungen immer kurz vor Feiertagen und zu Hauptreisezeiten auf einen eingeschränkten Wettbewerb hin – was nun auch die Sektoruntersuchung des Kartellamts bestätigt.

Herzstück der Sozialen Marktwirtschaft ist der wettbewerbsgenerierte Marktpreis. Gibt es Hinweise auf Preisabsprachen oder sonstigen Einschränkungen im Wettbewerb, muss der Staat zweifelsohne reagieren. Doch die Lösung des Problems ist keineswegs eine staatliche Preiskontrolle. Sie stellen einen schweren Eingriff in den Markt dar und können sogar kartellstabilisierend wirken. Preiswettbewerb gibt es dann gar nicht mehr, aber im Zweifel sogar lange Schlangen an den Tankstellen. Politisch festgelegte Preise, die dann primär durch Lobbygruppen auf der einen Seite und Interessen von Politikern auf der anderen Seite bestimmt werden, führen fast immer zu erheblichen Verwerfungen an den Märkten und letzten Endes zu Mängelwirtschaft und Stillstand auf den Märkten. Das jüngste Beispiel ist Russland. Nachdem Putin eine Reduktion der Benzinpreise angeordnet hat, wird an den Tankstellen ausgerechnet in dem Land knapp, das zu den größten Erdölexporteuren gehört.

Die Tatsache, dass die Tankstellen in Deutschland ständig ihre Preise ändern, teilweise sogar mehrfach täglich, ist allein kein Zeichen für eine Kartellbildung. Eher gilt das Gegenteil: Ein Kartell ist meistens an stabilen Preisen interessiert und nicht an dauernden Preisänderungen. Genauso hat z.B. das italienische Tankstellenkartell von 2004 bis 2007 funktioniert. Die Preise wurden nur ganz selten verändert und man musste daher als Tankstellenpächter auch nicht dauernd die Konkurrenz beobachten, sondern hatte seine Ruhe. Dass die Preise sich bei uns dauernd ändern, kann auch darauf hindeuten, dass man sich doch vor der Konkurrenz fürchtet – zumindest ein wenig.

Allerdings ist auch klar, dass der Wettbewerb zwischen den Tankstellen eingeschränkt ist. Eine Belebung des Wettbewerbs wäre für die Verbraucher wünschenswert. Eine bessere Möglichkeit als eine staatliche Preisregulierung wäre es beispielsweise, Raffineriekapazitäten für die kleinen Anbieter zu sichern, sodass diese günstig am Markt auftreten können und so die großen unter Preisdruck setzen. Dadurch würden zu hohe Preisabsprachen der großen Anbieter durch günstigere Marktpreise der kleinen unterboten. Um keine Marktanteile zu verlieren, müssten die großen nachziehen. Sinnvoll ist auch die Ankündigung des Kartellamtes, langfristige Lieferverträge genau zu untersuchen und ggf. zu unterbinden. Der Wettbewerb wäre wieder in Gang – und die Autofahrer können wieder volltanken.

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Eine Chance für Griechenland!

Griechenland droht unter seinem eigenen Schuldenberg zu ersticken. Die Milliarden aus den Rettungspaketen sind mehr oder weniger verpufft. Selbst in den Finanzministerien in Europa wird nun seit kurzem offen über eine Umschuldung gesprochen. Die Frage lautet nicht mehr, ob ein Schuldenschnitt gut oder schlecht ist, sondern wann und in welcher Form er kommt. Dabei gilt: Je eher der Schnitt kommt, umso besser. Denn die Unsicherheit schadet Unternehmen und Konsumenten – auch hierzulande. Und je länger man wartet, umso mehr können sich private Gläubiger davonmachen und desto stärker bleibt das Risiko bei den Staaten und damit beim Steuerzahler.

Im Prinzip bleiben folgende Möglichkeiten: Erstens „Das Schrecken ohne Ende Szenario“. Das würde bedeuten, man schiebt die Rückzahlungen der Anleihen 10, 20 oder 30 Jahre auf und verringert gleichzeitig die Zinszahlungen oder setzt sie sogar ganz aus. Oder Zweitens „Das Ende mit Schrecken Szenario“ – der Haircut. Von einem Tag auf den anderen müssten Gläubiger einen Teil der Schulden abschreiben. Danach könnten allerdings schwache Banken in- und außerhalb Griechenlands existenzielle Probleme bekommen, da sie hohe Summen abschreiben müssen. Eine dritte und wohl günstigste Möglichkeit ist eine Kombination aus beidem. Ein Gremium aus Internationalem Währungsfonds und EU-Vertretern müsste den Insolvenzverwalter mimen und jedem Gläubiger die Wahl zwischen den beiden Szenarien anbieten. Das wäre ein elegantes Modell, um die negativen Seiten eines harten Haircuts abzufedern. Mittels Investitionen mit zinsvergünstigten Krediten aus dem ESM könnte die griechische Wirtschaft danach wieder aufgepäppelt werden. Das wäre eine Chance für Griechenland.