Arbeit

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Wachstumschancen nicht genutzt

Konjunkturpakete: Ein Großteil der Investitionen von Bund und Länder hat kaum das Potential, das langfristige Wachstum in Deutschland zu steigern.

Um eine möglichst schnelle konjunkturelle Erholung der deutschen Volkswirtschaft zu fördern, hat die Bundesregierung im Rahmen der Konjunkturpakete öffentliche Investitionen von mehr als 23 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. DIW econ hat die bis einschließlich August 2009 bekannte Verwendung der vorgesehenen Mittel nun analysiert. Sind die realisierten Investitionen dazu geeignet, das langfristige Wachstumspotential der deutschen Wirtschaft zu erhöhen? Kann das Konjunkturpaket der anhaltenden Wachstumsschwäche entgegenwirken?

Die Studie kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Ein Großteil der Investitionen von Bund und Länder hat kaum das Potential, das langfristige Wachstum in Deutschland zu steigern.

Um die Wachstumswirkungen genauer zu untersuchen, wurden sieben wichtige Wachstumsfelder für öffentliche Investitionen identifiziert und anhand einer Indikatorenanalyse der konkrete Nachholbedarf Deutschlands im Vergleich zu den EU-15 ermittelt. Vor diesem Hintergrund erfolgt eine Zuordnung der im Rahmen der Konjunkturpakete geplanten und getätigten Investitionsmaßnahmen auf die einzelnen Aktionsfelder (siehe Abbildung).

Demnach werden 80% in die Bereiche Basis-Infrastruktur, Bildung sowie Energieeffizienz und Klimaschutz investiert. Betrachtet man die einzelnen Maßnahmen jedoch genauer, ergibt sich ernüchterndes Bild: Bei einem Großteil der Investitionen in den drei Bereichen handelt es sich um Maßnahmen zur Bestandserhaltung, von denen keine Wirkung auf das langfristige Wachstumspotential zu erwarten ist. Bezogen auf die insgesamt im Rahmen der beiden Konjunkturpakete vorgesehenen öffentlichen Investitionen bedeutet dies, dass nur etwa 30% davon tatsächlich die nach Gesetz erwünschten Zukunftsinvestitionen darstellen.

Besonders negativ ist das Verhältnis im Bereich Bildung. Lediglich 8% der Mittel sollen in Bildungsinhalte zur Erhöhung der Bildungsqualität investiert werden, während 92% für die Erhaltung und Sanierung der Bausubstanz von Bildungseinrichtungen vorgesehen sind.

Darüber hinaus wird die Allokation der verfügbaren Mittel auf die einzelnen Aktionsfelder insgesamt sowie die Allokation der verfügbaren Mittel auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene untersucht. Insgesamt zeigt sich eine unausgewogene Mittelverwendung. Einem zu starken Fokus auf Energieeffizienz und Klimaschutz sowie Basis-Infrastruktur steht die zu geringe Berücksichtigung von Gesundheit, Informationsgesellschaft und IKT-Infrastruktur gegenüber. Auf Ebene der Gebietskörperschaften lässt sich am ehesten auf der Länderebene eine ausgewogene Allokation der Investitionsmittel feststellen. Dies liegt vor allem an dem relativ starken Fokus auf Bildungsinhalte und Innovation.

Insgesamt bedeutet das: Es wurde eine Chance vertan, das langfristige Wachstumspotential in Deutschland nachhaltig zu erhöhen und so der anhaltenden Wachstumsschwäche entgegenzuwirken. Vielmehr scheinen die Mittel zur Abschwächung von Finanzierungsproblemen auf Ebene der Länder und Gemeinden verwendet zu werden. Nur so sind etwa die erheblichen Investitionen in den Gebäudebestand von Bildungseinrichtungen zu erklären, die eigentlich aus den laufenden Ausgaben der Länder zu finanzieren sind.


Dr. Ferdinand Pavel am 30. März: Konjunkturpaket – programmierte Geldverschwendung
Dr. Ferdinand Pavel am 22. Juni: Bildung kommt zu kurz! 
Wirtschaft soll wieder wachsen, 14. Januar:  Kommentare zum Konjunkturpaket II

Arbeitsmarkt, Bildung, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 2 Kommentare zu Verschenktes Wachstumspotenzial

Verschenktes Wachstumspotenzial

Wachstumstreiber der deutschen Wirtschaft: Zuwanderung und qualifizierte Mitarbeiter.

Trotz des krisenbedingten Anstiegs der Arbeitslosigkeit steuert Deutschland langfristig auf einen Fachkräfteengpass zu. Eine qualifizierte Zuwanderung kann dazu beitragen, die Lücke langfristig zu schließen und sowohl das gesamtwirtschaftliche Wachstum als auch das Wachstum pro Kopf deutlich zu erhöhen. Denn Zuwanderer steigern mit ihrem Wissen und Fertigkeiten die Produktivität der Unternehmen. Umso höher die Qualifikation der Zuwanderer, umso größer der volkswirtschaftlich Nutzen. Doch in diesem Punkt hat Deutschland ein Problem. Das Qualifikationsniveau unter den Kindern von Einwandererfamilien ist im Vergleich zu einheimischen besonders niedrig. Jeder zweite 15-Jährige aus der zweiten Einwanderergeneration gilt in Deutschland als bildungsarm. Deutschland verschenkt dadurch zukünftige Wachstumsimpulse. Außerdem drohen soziale Probleme, wenn es nicht gelingt, das Bildungsniveau der Einwandererkinder zu steigern. Deswegen ist es notwendig, die frühkindliche Förderung und das Angebot an Ganztagsschulen auszubauen. Denn Studien zeigen: die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasiumsbesuchs bei Migranten steigt durch den Besuch einer Betreuungseinrichtung für unter Dreijährige um knapp 56 Prozent. Diese Chancen sollten wir nutzen.


Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird. Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite http://www.wohlstandsbilanz-deutschland.de/

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 1 Kommentar zu Arme Zweitjobber gibt es kaum

Arme Zweitjobber gibt es kaum

Zweitjobber: Anteil in Prozent an allen Erwerbstätigen

Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen in Deutschland, die neben ihrem Hauptberuf einem regulären zweiten Job nachgehen. Von Anfang an wurde diese Entwicklung von den Gewerkschaften als Beleg für die Amerikanisierung des deutschen Arbeitsmarktes angesehen. Mit dem Gespenst einer „working poor“ lässt sich natürlich effektvoll Angst verbreiten. Um über die Runden zu kommen, müssten immer mehr Menschen im Nebenjob zusätzlich schuften. Für die USA mag dies zutreffen. Aber für Deutschland und fast alle europäischen Länder eben nicht.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt: Seit 1992 sind es nunmehr doppelt so viele, die neben ihrem Haupt- auch einen Nebenjob erfüllen: 1,4 Millionen Menschen. In Deutschland aber alles andere als ein Massenphänomen – das sind gerade einmal 3,7 Prozent aller Erwerbstätigen. Wer aber gehört dazu? Sind dies die Niedrigverdiener, die ohne eine Nebentätigkeit in die Armut rutschen? Die Zahlen belegen das nicht: Personen mit geringem Ausbildungsniveau sind unter den Zweitjobbern unterrepräsentiert. Zweitjobs sind vielmehr eine Domäne von Facharbeitern und Akademikern: Versicherungsvertretern, Professoren, Lehrern, Publizisten, Künstlern und Juristen.

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Neue gerechte Mindestlöhne?

20080313-FORM3-001_dl.psBisher gab es lediglich in sechs Branchen staatlich fixierte Lohnuntergrenzen. Seit gestern sind es drei Branchen mehr. Was aber soll das bringen? Mehr Gerechtigkeit? Weniger Armut? Oder doch eine neue Hürde beim Einstieg in Arbeit? Dr. Hagen Lesch sagt dazu: Nicht ein Mindestlohn, sondern aufstockende Transfers sorgen für mehr Lohngerechtigkeit und -zufriedenheit.

Die Mindestlohndiskussion bezog sich bisher vor allem auf die beschäftigungspolitischen Risiken. Die Frage der Lohngerechtigkeit wurde zwar auch aufgeworfen, aber auf zwei einfache Formeln reduziert: Mindestlohnbefürworter erhoffen sich von einem Mindestlohn mehr Gerechtigkeit, weil er das Problem “arm trotz Arbeit” lindert. Mindestlohngegner verweisen darauf, dass Mindestlöhne für Geringqualifizierte den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren und deshalb ungerecht seien. Sie plädieren dafür, niedrige Markteinkommen durch staatliche Transfers, also über das Arbeitslosengeld II, aufzustocken.

Diese enge Sichtweise ist erstaunlich, weil doch gerade die Mindestlohndiskussion Anlass geben sollte, tiefer darüber nachzudenken, was die Wahrnehmung von Lohngerechtigkeit beeinflusst. In der ökonomischen Theorie wird abseits der Neoklassik längst anerkannt, dass Lohn und Arbeitsleistung in einer Wechselbeziehung zueinander stehen. Einerseits bestimmt die Produktivität den Lohn, andererseits wirkt der Lohn auf die Arbeitsleistung und damit auf die Produktivität zurück. Vor diesem Hintergrund mag es geradezu zwingend erscheinen, durch einen gesetzlichen Mindestlohn für mehr Lohngerechtigkeit zu sorgen. Ein gerechterer Lohn finanziert sich über eine höhere Arbeitsmotivation fast von selbst.

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Arbeitsmarkt, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 2 Kommentare zu Abwrackprämie – moralische Katastrophe

Abwrackprämie – moralische Katastrophe

Die Deutschen geben mal wieder mehr Geld aus, als die anderen: je Einwohner investiert der Staat 61 Euro für die Verschrottung alter Autos.Wie kein anderes Industrieland auf der Welt hat Deutschland den Kauf von Neuwagen subventioniert. Kurz vor dem Auslaufen der Abwrackprämie diskutieren Union und SPD bereits über „Nachfolgeregelungen“. ÖkonomenBlog-Autor Andreas Freytag hatte bereits mehrfach vor den ökonomischen und ökologischen Gefahren gewarnt. Seine Bilanz: Die sog. „Umweltprämie“ hat viel gekostet – aber nichts gebracht.

In wenigen Wochen wird die sog. Umweltprämie – bekannter und besser charakterisiert als Abwrackprämie – auslaufen. Dann ist Bundestagswahl, und es kann auch von der Politik eine ehrliche Bilanz gezogen werde. Dieser Beitrag soll eine kleine Argumentationshilfe bieten. Dabei muss man zahlreiche Perspektiven einnehmen, die psychologische, die moralische, die ökologische, die fiskalpolitische, die industriespezifische, die finanzwirtschaftliche und die entwicklungspolitische.

Was die Psychologie angeht, die ja in der Wirtschaftspolitik enorm wichtig ist, so wird die These vertreten, die Prämie hätte die allgemeine Stimmung angehoben. Die Deutschen konsumierten mehr und erfreuten sich an neuen Autos und tollen Schnäppchen (selbst wenn diese gar keine sind, weil beispielsweise das verschrottete Auto deutlich mehr als 2.500 Euro wert war). Dem Verfasser bekannte Einzelfälle z.B. von jubilierenden Ordnungspolitikern, die ihren 20 Jahre alten Wagen gut losgeworden sind und den Neukauf um acht Monate vorzogen, sprechen für diese These. Fraglich bleibt, wie die Stimmung aussieht, falls wie vielfach erwartet die Automobilindustrie nach dem Auslaufen der Prämie in eine umso schwerere Absatzkrise gerät. Die Freude derer, deren Arbeitsplätze dann gefährdet sind, ist vermutlich begrenzt.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Finanzmarkt, SozialesTagged , , , , , 1 Kommentar zu Die Krise nutzen

Die Krise nutzen

Die Zahl der Kurzarbeiter ist aktuellen Schätzungen zu Folge auf 1,3 Millionen angestiegen

Die anhaltende Wirtschaftskrise hat sich bisher kaum auf die Arbeitslosigkeit niedergeschlagen. Im Kampf gegen Entlassungen erweist sich die Kurzarbeit zumindest vorläufig als Wunderwaffe. Unternehmen können bei konjunktureller Talfahrt Kosten durch Verkürzung der Arbeitszeit einsparen, ohne dabei Leute entlassen zu müssen. Neuesten Schätzungen zufolge arbeiten derzeit 1,2 bis 1,4 Millionen Mitarbeiter kurz.

Gleichwohl regt sich Kritik an dem Instrument. Kurzarbeit kann notwendige strukturelle Anpassungen der Unternehmen verzögern. Außerdem häufen sich Berichte über eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Instruments. Erstaunlicherweise gibt es jedoch bis heute keine einzige ernstzunehmende Untersuchung, in der Ertrag und Nutzen der Kurzarbeit valide überprüft worden wäre, obwohl das Instrument inzwischen schon seit über 50 Jahren existiert.

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Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 3 Kommentare zu Familienfreundlichkeit importieren

Familienfreundlichkeit importieren

Die Erwerbsquote von jungen Müttern in Deutschland ist sehr gering.

Deutschland wird älter- das wissen wir alle. Bis zum Jahr 2050 steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung von heute 42,6 auf 51,4 Jahre. Das wird sich extrem auf den Arbeitsmarkt auswirken – immer weniger Menschen stehen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung. Noch gefragter werden sein: Mobilität und Qualifizierung.

Großes Potential, um die Arbeitsangebotslücke zu schließen, steckt in den deutschen Müttern. Von ihnen sind heute nur rund 36 Prozent erwerbstätig. Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass dort Erwerbsquoten von Müttern bis zu 80 Prozent nicht unüblich sind. Deutschland hinkt also hinterher. Was wir brauchen ist eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf – qualitativ gute, zuverlässige Betreuung von Kindern ist daher eine zentrale Vorraussetzung, um dieses Potential zu erschließen. Aber auch die Unternehmen selbst sind gefordert. Mit flexiblen Arbeitszeiten, Telearbeit und Akzeptanz der besonderen Erfordernisse von Müttern müssen sie ihren Teil dazu beitragen, die Verbindung von Beruf und Familie im Alltag besser zu ermöglichen. Andere Länder machen es uns vor – Beruf und Familie schließen sich nicht gegenseitig aus. Importieren wir einfach mal mehr Familienfreundlichkeit!


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Arbeitsmarkt, Bildung, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 2 Kommentare zu Trotz Krise Chancen am Arbeitsmarkt

Trotz Krise Chancen am Arbeitsmarkt

Trotz Krise - hohe Fluktation auf dem Arbeitsmarkt

Wirtschaftskrise, Bankenkrise, Kaufhauskrise – bei diesen Schreckensmeldungen haben Jobsuchende keine Chance, könnte man zumindest meinen. Doch der Arbeitsmarkt ist bisher robuster als vielfach befürchtet. Das liegt neben dem starken Einsatz der Kurzarbeit vor allem an zwei Dingen.

Zum einen steht auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Arbeitsmarkt nicht still. Auch in der Krise werden Unternehmen gegründet, expandieren manche Betriebe, gehen Mitarbeiter in den wohlverdienten Ruhestand oder verlassen aus anderen Gründen das Unternehmen. Diese Faktoren sorgen für reichlich Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind im Jahr 2008 weit über sieben Millionen neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse geschlossen worden. Selbst im Krisenjahr 2005 konnten immerhin noch 6,3 Millionen Menschen eine neue Stelle antreten. Dabei unterscheidet sich die Fluktuation von Branche zu Branche erheblich. Erwartungsgemäß ist die Fluktuation in Behörden sehr gering, aber überraschenderweise auch bei Banken: Dort bekleidet mehr als die Hälfte der Beschäftigten ihren Posten seit mehr als 10 Jahren. Wahre Job-Hopper findet man hingegen bei den Unternehmensdienstleistern, wie beispielsweise in der Wirtschaftsberatung und bei der Zeitarbeit. Hier ging 2007 jeder fünfte Arbeitnehmer seiner Tätigkeit seit weniger als einem Jahr nach.

Zum anderen gibt es auch in Krisenzeiten noch strukturelle Engpässe bei bestimmten Qualifikationen. So klafft derzeit allein im Bereich der MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik)-Qualifikationen noch eine Fachkräftelücke von etwa 55.000. Auch wenn sich diese Lücke gegenüber dem Höchststand im Herbst letzten Jahres mehr als halbiert hat, werden spätestens nach dem Ende des konjunkturellen Abschwungs die demografischen und strukturellen Effekte wieder die Oberhand gegenüber der derzeit negativen konjunkturellen Entwicklung gewinnen. Allein aus demografischen Gründen besteht ein Ersatzbedarf an altersbedingt ausscheidenden MINT-Akademikern von jährlich 49.000 bis zum Jahr 2014 und jährlich 59.000 zwischen 2015 und 2020. Dazu kommt ein jährlicher Expansionsbedarf von etwa rund 52.000 MINT-Akademikern. Die derzeitige Zahl an Hochschulabsolventen wird diesen Bedarf nicht decken können.

Arbeitsmarkt, Bildung, Finanzmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 1 Kommentar zu Mehr Akademiker, mehr Wachstum

Mehr Akademiker, mehr Wachstum

Der Bedarf an Akademikern wird sich in den nächsten Jahren noch weiter erhöhen

Der historisch einmalige Wirtschaftseinbruch schlägt sich allmählich auf dem Arbeitsmarkt nieder. Im Juli 2009 waren rund 252.000  mehr Menschen arbeitslos gemeldet als im Vorjahr. Dabei dürfte die Ausweitung der Kurzarbeit noch das schlimmste verhindert haben. Gleichzeitig klagt die Industrie über einen Mangel an hochqualifizierten Arbeitskräften. Schon jetzt können 60.000 Stellen nicht besetzt werden. Und in Zukunft wird sich der Fachkräfteengpass noch weiter zuspitzen. Denn zum einen wird der Bedarf an Fachkräften aufgrund des Strukturwandels zu einer wissens- und forschungsintensiveren Gesellschaft weiter ansteigen. Zum anderen verknappt sich die Zahl der Arbeitskräfte aufgrund des demographischen Wandels – mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft. Denn kann eine Stelle gar nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung besetzt werden, führt dies – insbesondere im Bereich der Hochqualifizierten – zu einer geringeren Wertschöpfung der Volkswirtschaft.

Ein Vergleich der Akademikerersatzraten zeigt, dass Deutschland davon in besonderem Maße betroffen ist. Danach stehen in Deutschland nur 1,2 Akademiker im Alter zwischen 25 und 34  pro Akademiker zwischen 55 und 64 Jahren zur Verfügung. Das ist der geringste Wert innerhalb der OECD. Zum Vergleich: In Spanien ersetzen 4,7 junge Akademiker einen alten. Daher wird es zunehmend wichtiger die nachfolgenden Generationen gut auszubilden, damit sie die aus dem Arbeitsmarkt ausscheidenden Personen adäquat ersetzen können. Gegenwärtig werden jedoch noch nicht alle Bildungspotentiale genutzt. So könnte beispielsweise die frühkindliche Förderung weiter ausgebaut werden und das Angebot an Ganztagsschulen erhöht werden. Nur wenn es gelingt, den Fachkräftemangel auszugleichen kann die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhalten werden.


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Arbeitsmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 1 Kommentar zu Steuern: Ein Punkt runter reicht nicht

Steuern: Ein Punkt runter reicht nicht

Eingangs- und Spitzensteuersatz im internationalen Vergleich

Deutschland hat als Exportweltmeister extrem vom Welthandel profitiert: fast neun Millionen Arbeitsplätze hängen davon ab. Mehr als andere bekommt die Exportnation den weltweiten Nachfragerückgang jetzt aber auch zu spüren – wobei erste Anzeichen für eine Besserung erkennbar sind. Umso wichtiger ist es, der Krise mit klugen Reformen zu strotzen. Wichtiger Hebel für die Binnenkonjunktur und die Leistungsbereitschaft der Menschen: die Steuerpolitik. Nicht ohne Grund wurde rückwirkend zum 1. Januar 2009 der Eingangsteuersatz um einen Prozentpunkt gesenkt – als Konjunkturimpuls auf 14 Prozent.

Ein erster guter Schritt – immerhin liegt Deutschland im internationalen Vergleich mit seinen Steuersätzen (Spitzensteuersatz 47,5 Prozent) nur im Mittelfeldplatz. Nehmen wir Steuern und Sozialabgaben zusammen, entpuppt sich Deutschland als eines der teuersten Staaten der Welt. Bei der Einkommensteuer kommt es nicht nur um die Tarifeckpunkte an, sondern allem auf den Verlauf dazwischen. Hier wird der Reformbedarf nochmals offensichtlich: mit steigendem Einkommen steigt der Grenzsteuersatz überproportional an. Die Einkommen bis 12.739 Euro werden von der Progression besonders hart getroffen. Macht es Sinn, die Leistungsbereitschaft der mittleren Einkommensgruppen durch eine hohe Steuerlast zu erdrücken? Eine Reform nach der Bundestagswahl müsste diese Gruppe endlich steuerlich entlasten – denn die Beseitigung der kalten Progression wurde bis heute verhindert. Krise hin oder her: Geld dafür ist genug da.


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Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, SozialesTagged , , , 5 Kommentare zu Lohnkürzung oder Entlassung

Lohnkürzung oder Entlassung

Je höher das Ausmass der Lohnstarrheit ist, um so höher ist die Arbeitslosenwuote

Theoretisch hat ein Unternehmen zwei Möglichkeiten, in der Rezession auf harsche Auftragseinbrüche zu reagieren. Es kann Teile der Belegschaft entlassen oder die Löhne für alle solidarisch kürzen. In der Praxis sind Entlassungen weitaus üblicher als Lohnkürzungen. Warum das so ist, haben jetzt Schweizer Forscher ermittelt: Ausgerechnet dort, wo es starke Gewerkschaften und Mindestlöhne gibt, kommen solidarische Lohnkürzungen nicht vor. Doch auch die Lohnsysteme der Firmen sind so gestaltet, dass die Lohnflexibilität eingeschränkt ist. Ausschlaggebend sind jedoch selbst auferlegten Fainessnormen: Lohnkürzungen verletzen den psychologischen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Lieber entlässt man und verärgert so einen Teil der Belegschaft – der dann ja aber nicht mehr in der Firma arbeitet – als dass man alle Löhne kürzt und so die gesamte Belegschaft demotiviert.


Zur Grafik: Die Löhne der Belegschaften werden in Krisenzeiten nur in den seltensten Fällen nach unten angepasst. Dabei gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Lohnstarrheit und der Arbeitslosenquote. Je höher die gemessene Lohnstarrheit ausfällt, umso höher ist auch die Arbeitslosenquote.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , 2 Kommentare zu Kurzarbeit bremst Strukturwandel

Kurzarbeit bremst Strukturwandel

Laut einer Umfrage wollen 62 Prozent der befragten Unternehmen die Zahl ihrer Angestellten reduzieren.

Zweifelsohne ist Kurzarbeit ein probates Mittel, um einen starken, konjunkturell bedingten Auftragsrückgang in der Wirtschaft zu überbrücken. Dabei liegen die Vorteile für Unternehmer, Arbeiter und den Staat auf der Hand. Die Arbeitnehmer behalten ihren Arbeitsplatz. Somit droht ihnen keine Dequalifizierung infolge von Arbeitslosigkeit. Unternehmer müssen kein qualifizierten Personal entlassen. Geht es mit der Wirtschaft wieder bergauf, sind sie personell gut aufgestellt und werden nicht durch Such- und Einarbeitungskosten für neues Personal belastet. Und auch die Bundesregierung profitiert von der Kurzarbeit, drückt sie doch damit die offizielle Arbeitslosenquote. Vor dem Hintergrund der im Herbst stattfindenden Bundestagswahl kein zu unterschätzendes Argument. Mittlerweile sind bereits 1,4 Millionen Beschäftigte in Deutschland von Kurzarbeit berührt. Ist Kurzarbeit also das ultimative Instrument zur Überwindung von Wirtschaftskrisen, ohne negative Begleiterscheinungen?

Leider nein. Zum einen verliert die deutsche Arbeitslosenstatistik zunehmend an Aussagekraft, da sie den Grad der Unterbeschäftigung nur noch unzureichend abbildet. Die Arbeitsmarktlage wird dadurch in der Öffentlichkeit verzerrt wahrgenommen. Hierdurch droht der Reformeifer der Bundesregierung zu erlahmen, denn aufgrund der umfangreichen Kurzarbeit blieb in Deutschland im internationalen Vergleich ein markanter Anstieg der Arbeitslosenzahlen aus.

Das gravierendste Problem dauerhafter Kurzarbeit besteht aber darin, dass sie – zu erheblichen Kosten – einen notwendigen Strukturwandel bremst. Kurzarbeit kann zwar zur Überbrückung von konjunkturellen Engpässen dienen, aber nicht dauerhaft eingesetzt werden. Bei der gegenwärtigen Krise handelt es sich jedoch mitnichten um eine rein konjunkturelle Krise. Branchen wie beispielsweise die Automobilindustrie stehen aufgrund von strukturellen Überkapazitäten unter einem massiven Anpassungsdruck. Daher wäre es unredlich, wenn der Eindruck vermittelt würde, dass nach Überwindung der Konjunkturkrise alle Beschäftigten der Branche wieder Vollzeit arbeiten könnten. Ehrlicher und hilfreicher wäre es, den drängenden Strukturwandel aktiv anzugehen, Chancen zu entwickeln für Weiterbildung, Umorientierung und alternative Beschäftigungen.

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International wettbewerbsfähig (bleiben)

Arbeitskosten der Industrie je Arbeitnehmer

Seit 2003 ist Deutschland Exportweltmeister. So sehr man sich über den Titel auch freuen kann, überbewerten darf man ihn nicht. Denn als große, offene Volkswirtschaft mit hohem Industrieanteil inmitten des Euroraums verfügt Deutschland auch über beste Vorraussetzungen dazu. Verhängnisvoll wäre es, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Gerade jetzt sehen wir, dass eine Exportwirtschaft extremen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt ist.

Zu den wichtigsten Standortfaktoren gehören nach wie vor die Arbeitskosten pro Stunde: Deutschland ist und bleibt aber nicht gerade ein billiger Standort. Nur Belgien, Schweden, Dänemark und die Schweiz sind teurer. Im Standortwettbewerb ist das ein gehöriger Nachteil, insbesondere bei Neuansiedlungen.

Entscheidender Kostentreiber in Deutschland ist allerdings nicht das hohe Lohnniveau. Das zeigt ein Blick auf die große Kluft zwischen Netto- und Bruttoeinkommen, also auf die international viel zu hohen Lohnzusatz- und Nebenkosten. Wenn die Einkommen auch in Zukunft steigen sollen, muss es zunächst einmal gelingen, die Arbeitnehmer von zu hohen Steuern und Abgaben zu befreien. Zum anderen müssen die Wachstums- und Fortschrittspotentiale gestärkt werden. Nur so kann der Produktivitätsvorsprung gegenüber der Konkurrenz langfristig gesichert werden – mit Qualität und Innovation lassen sich höhere Preise auch im Ausland rechtfertigen. Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Entwicklung von Humankapital – dies sind die Wachstumstreiber der Zukunft. So können wir die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken und den Wohlstand jedes Einzelnen erhalten und ausbauen.


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Steuern: heimlich durch die Hintertür

Entlastungspotential durch Beseitigung der kalten Progression
Mit der Festlegung der Wahlprogramme ist die Diskussion um das richtige Steuerkonzept voll entbrannt. Die Einen fordern Steuersenkungen, die Anderen behaupten, Steuersenkungen seien nicht finanzierbar – und fordern deswegen Steuererhöhungen. Richtig ist, dass sich angesichts der konjunkturell bedingten Steuerausfälle und der hohen Haushaltsdefizite der Spielraum für steuerliche Entlastungen tatsächlich stark eingeschränkt hat. Höhere Steuern sind in der jetzigen konjunkturellen Phase allerdings kontraproduktiv, weil sie die Nachfrage schwächen und den wirtschaftlichen Erholungsprozess hinauszögern.

Dennoch besteht im Bereich der Einkommensbesteuerung Handlungsbedarf. Zwar wurden im Zuge des Konjunkturpaketes II Entlastungsschritte, wie die Anhebung des Steuerfreibetrages und die Verringerung des Eingangsteuersatzes um 1 Prozentpunkt, beschlossen, jedoch reichen diese Reformen nicht dazu aus, das deutsche Steuersystem den international üblichen Standards anzupassen.

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Finanzmarkt, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , 3 Kommentare zu Unbezahlbare Rente

Unbezahlbare Rente

Durchschnittliches Rentenzugangsalter in der Bundesrepublik

Der Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering war es, der gegen den Widerstand seiner eigenen Parteimitglieder die Rente mit 67 im Jahr 2006 durchsetzte. Ein Jahr darauf trat das Gesetz in Kraft. Die Begründung damals: Die Rentenbezugsdauer steige immer weiter an, denn die Deutschen werden immer älter. Eine nachhaltige Finanzierung der Rentenkasse sei nicht mehr gewährleistet. Doch durch die Anpassung des Renteneintrittsalters auf 67, kombiniert mit der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors aus dem Jahr 2005 schienen die Verheißungen des ehemaligen Arbeitsministers Blüm „die Rente ist sicher“ das erste Mal seit langer Zeit der Realität wenigstens etwas näher.

Heute, zu Zeiten der Finanzkrise, scheint dies jedoch alles vergessen. Die Rentner erfahren durch Manipulationen an der Rentenformel ungerechtfertigt die größte Rentensteigerung seit 15 Jahren, während die Beitragszahler mit Kurzarbeit und Reallohnverlusten kämpfen. Durch das Aussetzen der Riester-Treppe aus dem vergangenen Jahr steigt der Renten-Beitragssatz auf die schwindelerregende Höhe von 21,1 Prozent im Jahr 2011. Darüber hinaus wird jetzt noch die Rente mit 67 ins Visier genommen. Das Argument: infolge der Rezession drohe die Arbeitslosigkeit zu steigen – um dem entgegenzuwirken sollen alte Arbeitnehmer Platz für junge machen.

Die Argumente von 2006 scheinen im Wahlkampf 2009 vergessen worden zu sein. Dabei lehrt die Erfahrung, dass die frühere Ausmusterung älterer Arbeitnehmer die Beschäftigungschancen der jüngeren nicht verbessert. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Höhere Sozialabgaben erhöhen die Arbeitskosten und veranlassen Unternehmen stärker als bisher, Jobs abzubauen. Die zukünftigen Beitrags- und Steuerzahler werden durch den demografischen Wandel ohnehin schon so stark belastet, wie keine Generation vor ihnen. Die frühzeitige „Ausmusterung“ älterer Arbeitnehmer war ökonomisch noch nie sinnvoll. Zukünftig wird es unbezahlbar sein.