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Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , 17 Kommentare zu Das verflixte Wahljahr 2011

Das verflixte Wahljahr 2011

Wahltage sind Zahltage! Die Parteien werden im Neuen Jahr bei mindestens sieben Landtags- und drei Kommunalwahlen vom Wahlvolk bewertet. Wahljahre sind aber auch Jahre, in denen Entscheidungen nicht getroffen, sondern vertagt werden. Parteien wollen möglichst keine Angriffsflächen für die politische Konkurrenz bieten und halten sich deshalb mit Anstößen für substanzielle Veränderungen zurück.

2011 könnte also zum Jahr des politischen Attentismus werden. Für die öffentliche Meinungsbildung wird das bereits vertraute Lied vom neuen Wirtschaftswunderland Deutschland in allen Variationen angestimmt, in dem die Arbeitslosigkeit immer weiter sinkt und kräftige Lohnerhöhungen für neue Kaufkraft sorgen. Für die soziale Balance wird kräftig getrommelt, speziell für flächendeckende Mindestlöhne und höhere Sozialtransfers. Vom Sparen wird immer weniger geredet werden, stattdessen umso mehr von der notwendigen Nettoentlastung der Steuerzahler. Begriffe wie Staatsschulden- und Währungskrise nehmen bald nur noch notorische Defätisten in den Mund.

Deutschland ist in der Tat derzeit relativ stark. Das hat zwei Hauptgründe: der eine ist ein schlichter statistischer Basiseffekt. Weil 2009 die Jahreswirtschaftsleistung in den Keller rauschte wie nie zuvor, gelingt 2010 mit der Kehrtwende in wichtigen Exportmärkten der schnelle Wiederaufstieg.

Der zweite Grund für die relative deutsche Stärke liegt an dem Anpassungsschock, den die Deutsche Wiedervereinigung auslöste. Weil die Staatswirtschaft der alten DDR binnen Monaten implodierte, Arbeitslosigkeit, Staatsschulden und Sozialbgaben explodierten, sank der Pro-Kopf-Wohlstand in Deutschland über viele Jahre hinweg kontinuierlich. Die Einkommen stagnierten oder sanken inflationsbereinigt über eineinhalb Jahrzehnte auf breiter Front. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände flexibilisierten starre Tarifstrukturen. Der Zwang zu Reformen in der Rentenversicherung und bei der Sozialhilfe wurde so groß, dass die unterschiedlichsten Regierungskonstellationen nicht daran vorbei kamen. Wenn man so will, ist die deutsche Volkswirtschaft krisenerprobter in die globale Finanzmarktkrise geraten als viele andere Ökonomien, die ihre Anpassungsschocks erst noch bewältigen müssen.

Doch gerade wenn man sich die Ursachen des deutschen Wintermärchens zum Jahreswechsel vergegenwärtigt, dann wird die Botschaft zu Beginn des verflixten Wahljahres an das politische Establishment umso dringlicher:

1. Deutschland muss steigende Steuereinnahmen in erster Linie zum Abbau der Staatsverschuldung nutzen. Konsolidierung ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für langfristige Prosperität!

2. Soziale Absicherung heißt Absicherung auf existenzsicherndem Niveau, nicht Lebensstandardsicherung!

3. Kranken- und Pflegeversicherung harren weiter einer demografiefesten Reform!

4. Ohne Abbau der Beamtenprivilegien werden die meisten Länderhaushalte das Ziel, ab 2020 ohne Nettoneuverschuldung auszukommen, nie erreichen!

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 35 Kommentare zu Mit Mindestlohn in die Planwirtschaft

Mit Mindestlohn in die Planwirtschaft

Alle Jahre wieder werden auch Forderungen nach Mindestlöhnen von Seiten einzelner Unternehmen laut. 10 Euro für alle fordert Lidl. Lohndumping soll so verhindert werden. Warum eigentlich ausgerechnet 10 Euro? 20 Euro Stundenlohn wäre doch gerade vor Weihnachten für viele ein willkommenes Geschenk.

Man muss wissen: Grundsätzlich unterscheidet sich der Arbeitsmarkt nicht von einem Gütermarkt. Löhne bilden sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Übersteigt die Lohnforderung die Produktivität wird der Arbeitnehmer nicht eingestellt bzw. muss von seiner Forderung abrücken. So einfach ist das. Wird aber ein Mindestlohn vereinbart, übersteigt in vielen Fällen die Mindestzahlung die Produktivität. Der Arbeitnehmer wird nicht eingestellt. So verursachten Mindestlöhne Arbeitslosigkeit.

Wären die Mindestlohn-Befürworter konsequent, müssten sie sich auch für Mindestpreise aussprechen. Denn nur wenn ein planwirtschaftlich vereinbarter Mindestpreis an Produzenten bezahlt wird, können diese auch „ausreichend“ hohe Löhne zahlen. Was dabei allzu gerne übersehen wird: Die Kosten werden immer an den Verbraucher weitergegeben. Die Zeche zahlt so der Konsument.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 27 Kommentare zu Von Schnäppchenjägern und Mindestlöhnen

Von Schnäppchenjägern und Mindestlöhnen

Viele Nachbarstaaten Deutschlands haben Mindestlöhne. Auch in Deutschland gibt es mit Hartz IV einen impliziten Mindestlohn.

Die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen ist populär im Land. Wer in Vollzeit arbeitet, soll auch davon leben können! Das klingt sozial, nicht nur in der Vorweihnachtszeit.

Doch die Wirklichkeit ist komplizierter und wir alle sind nicht nur Arbeitnehmer, die für sich selbst ordentliche Löhne erwarten. Wir sind auch Konsumenten. Viele Deutsche sind Schnäppchenjäger, allzeit bereit, jedes Produkt und jede Dienstleistung zu Schnäppchenpreisen einzukaufen. Der Gegenwert für die im Produkt steckende Arbeitsleistung ist dem Kunden schlussendlich egal – Hauptsache billig! Dasselbe gilt im Handwerk. Allzu gerne weichen wir Kunden auf Schwarzarbeit aus. Denn wer will schon freiwillig Verrechnungspreise für Gesellen bezahlen, die inklusive Mehrwertsteuer bereits knapp 50 Euro pro Stunde kosten?

Wir sind Heuchler und Pharisäer, wenn wir die ökonomischen Zusammenhänge in der Diskussion um gesetzliche Mindestlöhne außer Acht lassen. Die Lohnfindung gehört in die Betriebe, ist Aufgabe von Gewerkschaften und Arbeitgebern, nicht des Gesetzgebers.

Das Münchner ifo-Institut hat den Arbeitsplatzverlust durch einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro (!) vor gut zwei Jahren auf bis zu 1,1 Millionen geschätzt. Was haben Menschen mit geringer Qualifikation oder Langzeitarbeitslose davon, einen gesetzlichen Mindestlohn garantiert zu bekommen, wenn dieser verhindert, dass sie überhaupt einen Arbeitsplatz finden?

Übrigens: Wir haben in Deutschland einen Mindestlohn – der nennt sich Hartz IV. Für einen arbeitslosen Alleinstehenden ist eine Vollzeitstelle unattraktiv, wenn sein monatlicher Bruttolohn nicht höher als 1200 Euro liegt. Das entspricht einem Stundenlohn von rund 7,50 Euro.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 6 Kommentare zu Amerikanisch sind wir geworden

Amerikanisch sind wir geworden

Deutschland hat bei der ökonomischen Aufholjagd nach der Krise die Nase vorn. Die Konjunktur brummt: Bei den Exporten wie auch beim privaten Verbrauch. Warum kann gerade die deutsche Volkswirtschaft die Krise so kraftvoll bewältigen?

Sicher profitieren wir jetzt von der internationalen Verflechtung unserer Industrie: zieht die Weltkonjunktur an, steigt auch der Umsatz der exportorientierten Unternehmen. Das alleine macht Deutschland aber noch nicht zur Wachstumslokomotive: Deutschland profitiert jetzt von seiner Veränderungsbereitschaft vergangener Jahre. Das Land des rigiden Flächentarifvertrags und der starren Ladenschlusszeiten gibt es nicht mehr. Der “Rheinische Kapitalismus” mit der Macht der Verbände hat Schritt für Schritt einer Marktwirtschaft (Marke: “Berliner Republik”) Platz gemacht. Dies ist letztlich die Folge zweier epochaler Ereignisse: der Deutschen Einheit und der Globalisierung.

In Ostdeutschland entstand nach der Wiedervereinigung eine moderne Industrie außerhalb des Tarifkorsetts – und wurde so auch zum Vorbild für viele Betriebe im Westen. Mit der günstigen Entwicklung der Lohnstückkosten stieg auch die globale Wettbewerbsfähigkeit beider Landeshälften spürbar an. Mit der Leiharbeit wurden die rigiden Vorschriften des Kündigungsschutzes umschifft. Kurz gesagt: Deutschland rückte ein Stück näher an Amerika, und zwar genau dort, wo es besonders nötig war: in der marktwirtschaftlichen Flexibilität. All dies geschah nicht ohne Protest. Aber es geschah. Und heute profitieren wir davon.


* Ursprung dieses Blogbeitrages ist ein Namensartikel im Handelsblatt – diesen können Sie hier nachlesen.
* Eine Rezension zum Buch „Wachstum“ von Karl-Heinz Paqué finde Sie hier.

Bildung, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 3 Kommentare zu Große Reformen – erste Früchte

Große Reformen – erste Früchte

Seit 2000 haben sich die PISA-Ergebnisse der deutschen Schüler deutlich verbessert.

In Deutschland ist in den letzten Jahren viel in Bewegung geraten. Der frühkindliche Bereich wurde ausgebaut, die Sprachförderung beginnt bereits bei den Kleinsten. In den Schulen wurden Bildungsstandards festgelegt, das Abitur nach 12 Schuljahren in vielen Bundesländern beschlossen und das erfolgreiche Zentralabitur von anderen Bundesländern übernommen. Zudem verkündete Bundesbildungsministerin Schavan am ersten Dezember, dass die öffentlichen Bildungsausgaben im Jahre 2010 erstmals über 100 Mrd. Euro liegen. Bei diesen großen Zahlen und der Fülle der Reformen liegt die Frage nach den Ergebnissen nicht allzu fern. Die PISA-Studie 2009 zeigt, dass die nach dem Schock der PISA-Studie 2000 ausgelösten Reformen zu Verbesserungen geführt haben. Bei den Kompetenzen der Schüler liegen die Ergebnisse im guten Mittelfeld der OECD, in Mathematik und Naturwissenschaften wurden dabei die größten Verbesserungen erreicht. Problematisch bleibt aber, dass zu viele Jugendliche massive Leseschwächen aufweisen und damit leider als nicht-ausbildungsfähig bezeichnet werden müssen.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 10 Kommentare zu Mehr Bildung, mehr Lohn

Mehr Bildung, mehr Lohn

Der Mangel an qualifiziertem Personal schlägt sich bereits heute in der Lohnentwicklung nieder.

Als vor einiger Zeit den Arbeitnehmern in Deutschland aufgrund des beginnenden Fachkräftemangels rosige Zeiten in Aussicht gestellt worden sind, meldeten sich viele skeptische Stimmen zu Wort. Der Befund wurde in Frage gestellt. Dabei schlägt sich der Mangel an qualifiziertem Personal bereits schon heute in der Lohnentwicklung nieder. Vergleiche zwischen verschiedenen Branchen zeigen: Je höher die erforderliche Qualifikation und je höher gleichzeitig der Personalbedarf, desto höher die Löhne.

Arbeitnehmer in leitender Stellung in der Spitzentechnologie verdienten 2008 im Schnitt 7,7 Prozent mehr als ihre Kollegen im verarbeitenden Gewerbe. Für die herausgehobenen Fachkräfte ergab sich ein Plus von 10,9 Prozent. Kurz: Der Fachkräftemangel in Hightech-Branchen ist keine Fiktion und kein Problem der Zukunft, sondern bereits heute Realität. Und wer sich entsprechend bildet, wird belohnt.

Arbeitsmarkt, Buchkritik, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , 12 Kommentare zu Mehr Staat ist kein Allheilmittel

Mehr Staat ist kein Allheilmittel

Heiner Flassbeck: Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, München 2010.

Rezension: Heiner Flassbeck: Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, München 2010

Eine Marktwirtschaft fürs 21. Jahrhundert zu entwerfen, damit hat Flassbeck sich wahrlich ein großes Ziel gesteckt. Man kann dem Autor nur Recht geben, die Weltwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Und Flassbeck ist gewillt, zu allen drängenden ökonomischen, sozialen und ökologischen Fragen unserer Zeit kritisch Stellung zu nehmen. Soweit so gut. Leider entpuppt sich die dann dargebotene vermeintlich neue Idee als ein Rückgriff in die keynesianischen Werkzeugkiste der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts: Permanente staatliche Einwirkung auf den wirtschaftlichen Verlauf – kurz Globalsteuerung. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ohne staatliche Hilfsmaßnahmen wäre die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Großen Depression mit größter anzunehmender Wahrscheinlichkeit weitaus weniger „glimpflich“ abgelaufen.

Zur Wahrheit gehört aber ebenso, dass der Staat vorher tatkräftig an dem Zustandekommen dieser Krise mitgewirkt hat. Erst durch die unsolide Haushaltsführung konnten Staaten zum Objekt von Spekulanten werden. Auch ist die „Schuldenkrise“ nicht das primäre Ergebnis von Spekulation oder mit den Worten des Autors: „Weil der Staat glaubte, für die Zocker an den Finanzmärkten einstehen zu müssen, …“. Der überwiegende Teil dieser Schulden stammt aus der Vorkrisenzeit. In Deutschland immerhin rund 1,5 Billionen Euro. Vor diesem Hintergrund erscheint der den Autor so irritierende Beschluss der Großen Koalition, gerade inmitten dieser großen Krise eine Schuldenbremse einzuführen, nicht abwegig, sondern konsequent. Geht es hier doch nicht darum, dem Staat den nötigen Handlungsspielraum für Notsituationen zu nehmen. Ganz im Gegenteil durch die Verpflichtung zu einer soliden Haushaltsführung in „Normalzeiten“ soll dieser eben erst geschaffen werden. Denn gegenwärtig ist Deutschland mit einer sich in diesem Jahr auf 60 Milliarden Euro belaufenden Belastung für Zinszahlungen für die nächste Krise denkbar schlecht vorbereitet.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 8 Kommentare zu Fachkräfte: Deutschland verliert

Fachkräfte: Deutschland verliert

In Deutschland sind zwischen 2005 und 2009 mehr Spitzenkräfte ausgewandert als eingewandert.

Angesichts Millionen Arbeitsloser stand das Thema Fachkräftemangel lange nicht auf der politischen Agenda. Auch dachte niemand darüber nach, was Deutschland für Hochqualifizierte als Wohn– und Arbeitsort interessant machen könnte. Andere Länder waren aktiver – und nun droht das Land der Dichter und Denker im Wettbewerb um die klügsten Köpfe das Spielfeld als Verlierer zu verlassen. Nicht nur, dass weniger Fachkräfte als erwartet den Weg aus dem Ausland nach Deutschland finden. Deutschland erleidet auch einen dramatischen Verlust an Führungskräften und Wissenschaftlern durch Abwanderung in andere Länder, die offenbar bessere Bedingungen bieten. Im Zeitraum 2005 bis 2009 waren es etwa 40.000 gut ausgebildete und vor allem junge Menschen, die ihrer Heimat den Rücken kehrten.

Das ist in doppelter Weise schmerzhaft. Denn die Ausbildung dieser Spitzenkräfte wurde überwiegend vom deutschen Steuerzahler finanziert. Nun profitiert aber das neue Heimatland der Auswanderer von deren Leistungen. Deutschland muss jungen Spitzenkräften wieder bessere Perspektiven bieten. Leistung muss sich in Deutschland lohnen. Ohne eine grundlegende Änderung des deutschen Steuer- und Abgabesystems wird dies nicht gehen. Vor allem eine grundlegende Reform der Sozialsysteme ist dringend notwendig. Passiert dort nichts, drohen die steigenden Beiträge auch die letzten verbliebenen Leistungsträger zu vertreiben.


Hier geht es zur Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung: Einwanderungsland Deutschland? Die Migration Hochqualifizierter im europäischen und internationalen Vergleich, Wiesbaden 2010  

Arbeitsmarkt, Buchkritik, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , 1 Kommentar zu Der Unbiegsame

Der Unbiegsame

Steinbrück Unterm Strich 1

Buchkritik: Peer Steinbrück: Unterm Strich, Hamburg 2010

Steinbrückfans sollten es lesen; diejenigen, die mehr über die Geschehnisse der Finanzkrise wissen wollen, auch; Anhänger zum Beispiel der amerikanischen Tea-Party-Bewegung lieber nicht.

Die gute Nachricht vorweg: Peer Steinbrück hat das Buch tatsächlich selbst geschrieben. Wort für Wort – und nicht wie Menschen seines Genres üblicherweise von einem Ghostwriter schreiben lassen. Steinbrück schreibt klar, gestochen, so scharf wie er denkt und manchmal so spitz wie das „s“, dass ihm beizeiten über seinen norddeutschen Lippen springt. Insofern – Kompliment an diesen Autor. Sein „Unterm Strich“ soll weder ein Erinnerungsbuch mit autobiographischen Zügen sein, noch den Anspruch auf Wahrheit erfüllen. „Nur ein Idiot glaubt, dass er über sich die Wahrheit schreiben kann“, zitiert Steinbrück den Schriftsteller Eric Ambler.

Nun ja, was ist schon Wahrheit? Bringt es den Leser auf die Spur der Wahrheit, wenn ihm subjektiv gefärbte An- und Einsichten eines ehemaligen Finanzministers präsentiert werden, der es sich durchaus nicht nehmen lässt, den ehemaligen Kollegen rechts wie links in gedruckter Form kleine, unauffällige Tritte zu verpassen?

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Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 21 Kommentare zu Renteneintrittsalter: Oben bleiben!

Renteneintrittsalter: Oben bleiben!

Das Renteneintrittsalter wird von 2012 an stufenweise bis zum Jahre 2029 auf 67 Jahre ansteigen.

Unter Ökonomen herrscht Einigkeit: An der Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters führt kein Weg vorbei. Auch die Ursache dafür sollte eigentlich hinlänglich bekannt sein. Immer weniger Junge, müssen immer länger lebenden Alten die Rente finanzieren. Die Anhebung des Rentenzutrittsalters verkürzt die Bezugsdauer der Rentner, die aber aufgrund der längeren Lebenserwartung in den vergangenen Jahren ja auch drastisch gestiegen ist.

Umso verwunderlicher ist es deshalb, dass die Reform von jenen in Zweifel gezogen wird, die es eigentlich besser wissen müssten. Das bayerische Argument, ältere Arbeitnehmer hätten zu wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt und müssten deshalb früher in Rente geschickt werden, ist so falsch wie teuer. Seit die Renteneintrittshürden für Frührentner erhöht wurden, ist auch die Beschäftigungsquote der Arbeitnehmer über 55 drastisch gestiegen. Und zum anderen würde die Aussetzung der Rente mit 67 die jüngeren Generationen mit bis zu 90 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050 belasten. Einmal mehr müssten die jungen Generationen politische Fehlentscheidungen alleine schultern. Das ist nicht nur unsozial, sondern nicht mehr zumutbar.


Zur Grafik: Das Renteneintrittsalter wird ab 2012 stufenweise angehoben, so dass 2029  das Renteneintrittsalter von 67 Jahren erreicht wird. Demnach wird der Jahrgang 1964, der erste sein, der mit 67 in die Rente gehen wird.

 

Weitere Beiträge im ÖkonomenBlog zum Thema Rente:

*Prof. Raffelhüschen – Rente mit 67 – Rentenkürzung ohne Alternative

*Oswald Metzger – Rolle Rückwärts bei der Rente

*Prof. Raffelhüschen  – Weg mit der Rentengarantie

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 2 Kommentare zu Weniger Bürokratie, mehr Fachkräfte

Weniger Bürokratie, mehr Fachkräfte

Gut jeder zweite mittlere Bildungsabschluss sowie Weiterbildungsabschluss der Bildungsausländer fällt in die Fachrichtung „Ingenieurswesen und Technik“.

Händeringend suchen Unternehmen in Deutschland Fachkräfte. Paradox: Bereits heute leben viele Ausländer mit den gesuchten Qualifikationen in Deutschland. Jedoch üben sie keine ihrer Qualifikation entsprechende Tätigkeit aus. So arbeiten nach Deutschland immigrierte Ärzte als Krankenpfleger, ausländische Ingenieure fahren Taxi. Gut jeder zweite mittlere Bildungsabschluss sowie Weiterbildungsabschluss der Bildungsausländer fällt in die Fachrichtung „Ingenieurswesen und Technik“. Warum wird aber dieses vorhandene Potential nur rudimentär genutzt?

Damit ein Einwanderer in Deutschland in seinem erlernten Beruf arbeiten kann, müssen seine im Herkunftsland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüsse auf dem Arbeitsmarkt akzeptiert werden. In vielen Berufen braucht er auch eine formale Anerkennung, bevor er seinen Beruf ausüben darf. Um aber die Qualifikation der Immigranten bewerten zu können, bedarf es ausreichender Informationen über die Ausbildungs- und Berufsinhalte der jeweiligen Herkunftsländer und standardisierte Bewertungsverfahren.

Offensichtlich liegen hier auf Seiten des Staates große Versäumnisse vor. Denn bisher existieren solche notwendigen Bewertungsmöglichkeiten meist nur für sogenannte reglementierte Berufe und zulassungspflichtige Meisterqualifikationen im Handwerk – wie etwa Kfz-Mechaniker oder Elektroniker. Für kaufmännische Berufe fehlen sie dahingegen bislang weitgehend. Eine Ausnahme stellen nur die Spätaussiedler mit einem umfassenden Zugang zur Abschlussbewertung dar. Mit dem geplanten Anerkennungsgesetz zur Bewertung ausländischer Abschlüsse will die Bundesregierung hier nun Abhilfe leisten. Ärgerlich aus Sicht der betroffenen Einwanderer und der Unternehmen, dass es so lange gedauert hat. Dabei war schon lange klar: Ein Abbau der bürokratischen Hürden bei der Anerkennung der Qualifikation von Einwanderern kann einen immensen Beitrag zur Lösung des Fachkräftemangels leisten.


Ilona Riesen ist beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln unter anderem für Berichte und Analysen zu Fragen der Integration von Migranten verantwortlich.

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , 7 Kommentare zu OECD verrennt sich in Nachhilfe

OECD verrennt sich in Nachhilfe

Die OECD sieht berufsbildende Schulen in Deutschland in der Verantwortung, den Auszubildenden nun auch Nachhilfe in Allgemeinbildung zu geben. Dies sei die richtige Antwort auf die häufig beklagte mangelnde Ausbildungsfähigkeit der jungen Leute, stellt die OECD in ihrer Studie zur Berufsbildung in Deutschland fest.

Rechnen, lesen, schreiben – und im Übrigen auch ein Mindestmaß an sozialen Kompetenzen -dies sind die Grundanforderungen, die ein potentieller Auszubildender für jeden Lehrberuf in Deutschland mindestens erfüllen sollte. Deren Vermittlung ist die Pflicht der allgemein bildenden Schulen. Doch diese scheinen an der Aufgabe immer häufiger zu scheitern, denn nach PISA gilt: Jeder fünfte deutsche Jugendliche ist nicht oder kaum ausbildungsfähig. Diese Aufgaben nun teilweise an die berufsbildenden Schulen delegieren zu wollen ist absurd und kann keine tragfähige Lösung sein. Es ist nicht möglich, dass die Auszubildenden in der Berufsschule erst mit den Grundkompetenzen die zu einer Ausbildungsreife gehören, ausgestattet werden müssen. Denn dies würde letztendlich auch zu Lasten der fachpraktischen Ausbildung im Betrieb gehen.

Das Problem ist da, es wird erkannt und es wird darauf reagiert. Viele Firmen geben ihren Auszubildenden intern Nachhilfe. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Das deutsche Schulsystem muss effizienter und leistungsfähiger werden. Die Vermittlung grundsätzlicher Kompetenzen zu verschieben macht keinen Sinn.

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Plädoyer für Wachstum

Paque

Rezension: Karl-Heinz Paqué: Wachstum! Die Zukunft des globalen Kapitalismus, München 2010

Kritik am Wirtschaftswachstum ist nichts Neues. Neu ist aber, dass die Diskussion über die Notwendigkeit von Wachstum nicht mehr ein Phänomen des Feuilletons oder gesellschaftlicher Randgruppen darstellt. Längst zweifeln breite Teile der Bevölkerung, Politik und Wirtschaft, ob Wachstum die Lösung oder nicht vielmehr die Ursache für gegenwärtige und zukünftige Probleme ist. Bezeichnenderweise sinkt gleichzeitig die Zuversicht am gesellschaftlichen Fortschritt. In der Regel herrscht dabei eine eindimensionale Vorstellung darüber, was Wachstum ist: Eine fortwährende quantitative Steigerung – die Gier nach immer mehr. Zur Recht kritisiert der Autor „diese Vorstellung als grob irreführend. Tatsächlich verbindet sich mit dem Wachstum eine stete Veränderung der Produktionspalette und der Qualität der Erzeugnisse“.

Unerwähnt bleibt in der Regel auch, dass Wachstum aus Freiheit resultiert. Der unternehmerischen Freiheit selbst zu entscheiden, welche Produkte auf welchem Wege hergestellt und am Markt angeboten werden. Soll diese Freiheit tatsächlich staatlich beschnitten werden? Der Motor des Wachstums ist Wissen, transformiert in technischen Fortschritt. Insofern erscheint dem Autor die Forderung nach Verzicht auf Wachstum recht merkwürdig: „Sie bedeutet nämlich den Verzicht auf die Umsetzung von neuem Wissen in eine qualitativ bessere und vielfältigere Produktwelt, und zwar privatwirtschaftlich und gemeinnützig.“ Nicht alle werden mit einer staatlichen Wachstumsbeschränkung einverstanden sein. Wer einen Ausstieg aus dem Wachstumspfad fordert sollte sich deshalb der absehbaren Konsequenzen bewusst sein: „Eine drohende Massenabwanderung von Leistungsträgern“.

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Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , , 17 Kommentare zu “Nicht locker lassen, Herr Schäuble!”

“Nicht locker lassen, Herr Schäuble!”

Marc Beise von der Süddeutschen Zeitung fordert in seinem aktuellen VideoBlog Die Konjunktur in Deutschland entwickelt sich besser als erhofft: Es gibt mehr Steuereinnahmen und gleichzeitig fallen die Ausgaben. Und schon wachsen wieder die Begehrlichkeiten. Übersehen wird dabei, dass Deutschland nach wie vor eine gravierende strukturelle Verschuldung abzubauen hat. Nicht allen in der Politik scheint dies bewusst zu sein. Der Druck auf Schäuble, vom Sparkurs abzuweichen, wird sich in den nächsten Wochen erhöhen. Marc Beise, Wirtschaftschef der Süddeutschen Zeitung, fordert in seinem wöchentlichen VideoBlog den Finanzminister auf: „Nur nicht locker lassen, Herr Schäuble!“

Arbeitsmarkt, Bildung, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , 4 Kommentare zu Uni-Maut: Mehr Qualität, bessere Betreuung

Uni-Maut: Mehr Qualität, bessere Betreuung

So verwenden die Fakultäten an der Ruhr-Universitäten ihren Anteil an den Studiengebühren.

Die Begeisterung der Studenten in NRW über die Ankündigung der Landesregierung die Studiengebühren ab dem Wintersemester 2011/12 abzuschaffen, könnte schon bald verfliegen. Denn die Einnahmen von 249 Millionen Euro fehlen nun in den Kassen der Unis. Diese Einnahmen machten es möglich, dass Bibliotheken an vielen Hochschulen auch am Wochenende geöffnet sind, Kurse zur Berufsvorbereitung offeriert werden und zusätzliches Lehrpersonal und Tutoren für ein reichhaltigeres Lehrangebot und kleinere Seminare sorgen. Sofern all diese Errungenschaften auch zukünftig erhalten bleiben sollen, müssen sie nunmehr auf anderem Wege finanziert werden.

Zwar hatte die neue Regierung versprochen, die notwendigen Finanzmittel aus dem NRW-Landeshaushalt zu bestreiten. Doch vor dem Hintergrund der hohen Haushaltsverschuldung ist die Frage mehr als berechtigt, ob eine Kompensation im vollen Umfang wirklich realisiert werden kann. Groß sind seine Befürchtungen, dass es am Ende genauso abläuft wie in Hessen. Nachdem dort die Studiengebühren abgeschafft wurden, wurde das Defizit zwar tatsächlich aus dem Landeshaushalt ausgeglichen. Jetzt werden aber die Wissenschaftsetats der Hochschulen um eben diesen Betrag gekürzt. Das werden die Studenten spüren. Kurz: Qualität hat nun einmal ihren Preis. Wer davon profitiert, sollte sich auch an der Finanzierung beteiligten.


Weitere Informationen zu diesem Thema:

*Der langsame Abschied von den Studiengebühren – Welt online vom 15.09.2010

*NRW-Unis fürchten ums Geld – Der Westen vom 03.09.2010

*NRW will die Studiengebühren streichen: Wie Weihnachten – General Anzeiger Bonn vom 01.09.2010

*Bloß kein zweites Hessen – Financial Times Deutschland vom 25.06.2010