Debatte

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , 7 Kommentare zu Bereit für grüne Wende

Bereit für grüne Wende

autohersteller_mit_umsatzpl

Es scheint, als könne die deutsche Industrie unberührt von den anhaltenden Schwächen des Finanzsektors einen eindrucksvollen Expansionskurs fahren. Die im angelsächsischen Raum gepflegte Bewertung der Industrie als „Old Economy“ hat sich nun ihr Gegenteil verkehrt. Deutschland mit seinem vergleichsweise großen Industriesektor hat die Krise viel besser gemeistert als beispielsweise die USA. Während in Deutschland ein Fachkräftemangel droht, drücken in den USA gegenteilige Sorgen. Wie zu Beginn der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts ist hier wieder „beschäftigungsloses Wachstum“ (Jobless Growth) das Thema.

Besonders imposant ist die Entwicklung bei den Automobilherstellern. Die in der Vergangenheit so gescholtenen deutschen Konzerne stehen vor allem im Premiumbereich vor einem Rekordabsatz. Vor knapp zwei Jahren schienen hier die Lichter auszugehen. Die Sorge, dass der Aufschwung ausbleibt, hat sich zu der Sorge verändert, dass der Aufschwung nicht ökologisch, nicht grün genug wird. Doch der Rückblick auf die letzten vier Jahrzehnte macht eigentlich Hoffnung. Die Zeichen der Zeit sind von den Unternehmen immer erkannt worden. Chancen für gute Geschäfte mit mehr Effizienz und geringerem Ressourcenverbrauch wird sich ein guter Unternehmer auch jetzt nicht entgehen lassen.

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 4 Kommentare zu Weniger Reiche

Weniger Reiche

Die Steuerquote in Deutschland ist zuletzt wieder angestiegen. Die   Steuerbelastung in Relation zum BIP lag 2009 bei 23,1 Prozent.

Die Zahlen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kann man eigentlich nicht falsch verstehen. Und dennoch vermitteln die dicke Buchstaben am Zeitungsständer den Eindruck: Deutschland wird ärmer. Dabei zeigt die DIW-Studie etwas ganz anderes: Im Krisenjahr 2009 musste vor allem eine Gruppe Federn lassen, nämlich die mit den höchsten Einkommen. In Deutschland gibt es also in der Krise weniger Reiche als davor. Das ist alles andere als eine gute Nachricht. Weniger Spitzenverdiener bedeutet nämlich lange nicht, dass es den ärmeren Menschen besser geht. Gerade deshalb ist es Unsinn, jetzt über die Erhöhung etlicher Steuern nachzudenken. Schon heute schultern die Spitzenverdiener den weitaus dicksten Anteil des Steueraufkommens. Die Steuerquote erreichte im Jahr 2008 ein Zwischenhoch von 23,9 Prozent – nur in den 80er Jahren wurde den Deutschen noch tiefer in die Tasche gegriffen. All das mit dem Ergebnis, dass die Steuerquelle wieder kräftig sprudelt. Was soll daran sozial gerecht sein, die Steuern jetzt weiter zu erhöhen? Nichts. Denn wer den Starken jetzt noch mehr auflastet, wird für die Schwächeren keinen Nutzen erreichen.

Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , 2 Kommentare zu Reflexionen nach dem Köhler-Rücktritt: Politik als Beruf

Reflexionen nach dem Köhler-Rücktritt: Politik als Beruf

Der Rücktritt eines Bundespräsidenten, der im Volk jahrelang in hoher Wertschätzung stand, weil er gerade nicht der allseits unbeliebte Prototyp des Profi-Politikers war, hat fast unisono in den Medien zur Schlussfolgerung geführt: Jetzt muss für das oberste Staatsamt aber wieder ein politischer Profi her! Doch ist in einer Zeit, in der sich die Politik vom Volk entfremdet hat wie selten und die Legitimation der politischen Macht als Folge zunehmender Wahlabstinenz immer fragwürdiger wird, nicht ein grundsätzlicheres Nachdenken über unser politisches Personal notwendig?

Max Weber, Jurist und Nationalökonom, ist schon vor 90 Jahren der Frage nachgegangen, was einen guten Politiker auszeichnet. „Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß.“ Leidenschaft bedeutet für Weber keine „sterile Aufgeregtheit“, die sich im tagespolitischen Aktionismus manifestiert, dem alles sachliche Verantwortungsgefühl fehlt. Leidenschaft setzt Kompetenz voraus. Es bedeutet die Fähigkeit und den Willen, sich mit den komplexen Wirkungsmechanismen unserer Wirtschaft und Gesellschaft auseinanderzusetzen. Im guten Politiker muss ein inneres Feuer brennen, das aus Lebenserfahrung, sachlicher Kompetenz und Herzensbildung gespeist wird.

Continue reading “Reflexionen nach dem Köhler-Rücktritt: Politik als Beruf”

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , 1 Kommentar zu Vertrauen: Schnee von gestern

Vertrauen: Schnee von gestern

Griechenland-Beschluss: Dies ist der begleitende Beschluss des Deutschen Bundestages zur Griechenland-Rettung.

Griechenland, Spanien, Portugal – ja auch Deutschland haben den Euro in eine erhebliche Vertrauenskrise gestürzt. Anleger in In- und Ausland trauen den Euro-Staaten nicht mehr zu, den Ausweg aus ihrer selbst verschuldeten Defizitkrise zu finden. Wo Vertrauen schwindet, fallen die Kurse, steigen die Zinsen, fällt der Euro, steigen die Schulden. Wer ist Schuld an dieser Misere: Diejenigen, denen der Glaube auf eine stabile Währung abhanden kommt, oder diejenigen, die ihre selbst gesetzten Regeln (Stabilitäts- und Wachstumspakt) konsequent und erheblich missachtet haben?

Ein Teufelskreis, der ohne einen klaren Schnitt und harte Regeln nicht unterbrochen werden kann. Schon bei Griechenland hat es keinen konsequenten Schnitt gegeben, sondern eine Bürgschaft. Und viel Hoffnung auf Besserung. Neues Vertrauen sollte damit geschaffen werden. Wie dieses Vertrauen aber begründet werden kann, bleibt ungeklärt. Hatte die Bundesregierung doch erst vor eineinhalb Wochen bekräftigt (siehe Entschließungsantrag – Beschluss des Bundestages), die Griechenland-Hilfe sei ein „Ausnahmefall, der nicht in einen Mechanismus für weitere notleidende Staaten führt.“ Diese Zusage ist bereits seit vorletztem Sonntag Schnee von gestern. Heute wird das gigantische Rettungspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro im Bundestag debattiert – und damit ein Schutzschirm auch für andere Euro-Staaten aufgespannt. Zu den 22 Milliarden für die Hellenische Republik kommen jetzt noch einmal 148 Milliarden Euro hinzu. Aus der Ausnahme wird die Regel. Aus der Absicht, für überschuldete Staaten ein geordnetes „Insolvenzsystem“ (siehe ebenfalls Entschließungsantrag vom 6.5.) einzuführen, wird eine Farce. Vertrauen kann so nicht entstehen, sondern höchstens neue Unsicherheit.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 2 Kommentare zu Regelverstöße konsequent ahnden

Regelverstöße konsequent ahnden

Nicht nur Griechenland ist bei deutschen Gläubigern verschuldet.

Die Rettungspakete sind geschnürt, die Anpassungsleistungen der Griechen definiert und einer strengen Überwachung der EU und des Internationalen Währungsfonds beschlossen. Jetzt geht es um die Umsetzung. Doch für einige Kommentatoren geht es längst nicht mehr um Griechenland. Vielmehr stellen sie den Euro oder gar die europäische Politik der letzten Jahrzehnte in Frage. Aus verfassungsrechtlicher Sicht werden Zweifel reaktiviert, die schon gegen die Gründung der Europäischen Währungsunion angeführt worden waren. Es ist gut, dass unser Land wache Geister hat, die das hohe Gut der Währungsstabilität würdigen und die öffentliche Wahrnehmung dafür schärfen. Andererseits: Glaubt man denn, Europa würde Griechenland ohne Euro einfach fallen lassen?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Regelverstöße der europäischen Regierungen gegen den Vertrag von Maastricht und den Stabilitäts- und Wachstumspakt sind allesamt nicht akzeptabel. Das gilt für den Beschluss über Beitritt Griechenlands ebenso wie für die Aufweichung der Fiskalkriterien, als diese mehrfach von Deutschland gerissen wurden. Und dennoch: Zu bedeutsam sind die Vorteile, die wir alle aus der gemeinsamen europäischen Währung ziehen: Geringe Transaktionskosten, vermiedene Kurssicherungsgeschäfte, Stärkung der europäischen Kapitalmärkte und die gelebte europäische Verpflichtung zur Preisniveaustabilität. Jene, die jetzt das Ende des Euros freudig erwarten, haben wohl vergessen, wie es zuvor war. Welche Lektion können wir dann aber aus dem Fall Griechenland ziehen. Entscheidend ist, dass bestehende Sanktionen auch glaubwürdig drohen. Die griechische Regierung musste sich dieser Einsicht nun leidvoll beugen.


ÖkonomenBlog zur Griechenlandkrise
Nein – weil´s nicht hilft – von Frank Schäffler, MdB
Rosskur für Griechenland – von Prof. Dr. Michael Hüther
Griechenland sollte Währungsunion verlassen – von Prof. Dr. Rolf Peffekoven
Axt an Wurzeln des Wohlstandes – von Prof. Dr. Andreas Freytag
Griechensoli mehr als fragwürdig – von Prof. Dr. Michael Hüther
Darf´s ein bisschen mehr sein? – von Marco Mendorf
Stabilität des Euros gefährdet? – von Prof. Dr. Renate Ohr
Und tschüs – von Frank Schäffler
Griechische Naturkatastrophe – von Prof. Dr. Andreas Freytag
Starker Euro – nur ohne Griechen-Hilfe – von Frank Schäffler, MdB
Dossier zur Finanzkrise in Griechenland
auf INSM.de

ÖkonomenBlog zur Verschuldungskrise
Stabilitätsrat oder Sünderkartell? – von Fabian Disselbeck
Staatsverschuldung oder Der Tanz auf dem Vulkan – von Oswald Metzger
Eine Schuldenbremse für die Euro Länder? – von Prof. Dr. Michael Hüther
Bald griechische Verhältnisse? – von Oswald Metzger

ÖkonomenBlog zum Europäischen Währungsfonds
Nein zum EWF! – von Jürgen Matthes
EWF – Grundstein zur Ausbeutung – von Prof. Dr. Michael Hüther
EWF – Eine absurde Idee! – von Prof. Dr. Andreas Freytag

ÖkonomenBlog zur Bankenabgabe
Bankenabgabe im Ansatz marktwirtschaftlich – von Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels

ÖkonomenBlog zur Börsentransaktionssteuer
Börsenumsatzsteuer: Liquidität in Gefahr – von Prof. Dr. Christoph Kaserer

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 2 Kommentare zu Geld ist genug da

Geld ist genug da

Die Steuerschätzer haben sich um fast 40 Mrd. verschätzt. Die Einnahmen des Staates sinken dennoch nicht. Ab 2012 gehts wieder steil bergauf.

Das Ergebnis des heutigen Tages war abzusehen. Die geschätzten Zahlen der Steuereinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden liegen bei der aktuellen Prognose unter denen der bisherigen Schätzung von November 2009. Ja und? Wo ist das Problem? Das BMF läutet die Alarmglocken und kommuniziert Steuerausfälle von 38,9 Milliarden Euro. Stimmt aber nicht! Das sind nicht die Steuerausfälle, sondern die korrigierten Zahlen zur bisherigen Einnahmeprojektion.

Tatsächlich müsste die Botschaft lauten: Geld ist genug da. Denn im Vergleich mit der Legislaturperiode 2005 bis 2008 werden in der aktuellen Phase der Jahre 2009 bis 2012 genau 49,1 Milliarden Euro mehr Steuermittel in die Staatshaushalte gepumpt. Die aktuelle Regierung verfügt über deutlich mehr Geld als jede bisherige. Richtig ist, dass im letzten und in diesem Jahr die Steuereinnahmen erheblich eingebrochen sind – vor allem in den Kommunen. Die Fehler wurden aber auf allen Ebenen gleichermaßen gemacht: zu viel Geld ausgegeben. Seit dem Jahr 2005 liegt das Ausgabenwachstum des Bundes deutlich über dem Wachstum der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes (BIP). Insoweit macht es keinen Sinn, den Finger auf Griechenland zu richten: Auch wir werden in diesem Jahr eine Staatsverschuldung von fast 80 Prozent des BIP erreichen. Deutlich zu viel – und schon lange ein Verstoß gegen die Maastricht-Kriterien. Ohne Ausgaben- und Aufgabenkritik auf allen Ebenen wird die Schuldenspirale immer weiter gedreht.


Ergebnisse der 136. Sitzung des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom 4. bis 6. Mai 2010 in Lübeck.
Focus online berichtet:
38,9 Milliarden weniger Einnahmen bis 2013.

Bildung, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 5 Kommentare zu Weniger Ingenieure, weniger Wohlstand

Weniger Ingenieure, weniger Wohlstand

ingenieurmangel_droht

Deutschland mangelt es an Tüftlern. Jahrelang hatten Arbeitsmarktexperten darauf hingewiesen, dass Deutschland zukünftig ein Fachkräftemangel drohe. Jetzt ist das bei den Ingenieuren bittere Realität: 2009 fehlten mehr als 34.000 Ingenieure. Das bedeutet Wertschöpfungsverluste von rund 3,4 Mrd. Euro, wie eine jetzt veröffentlichte Studie des Vereins Deutscher Ingenieure e. V. und des Instituts der Deutschen Wirtschaft zu Köln zeigt. Ursache für diese Entwicklung ist vor allem der demographischen Wandel.

In den letzten fünf Jahren hat Deutschland durchschnittlich knapp 37.000 Erstabsolventen eines ingenieurwissenschaftlichen Studiums hervorgebracht –inklusive der ausländischen Studenten, die nach Studienabschluss dem deutschen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung standen. Insgesamt reichte dies noch nicht einmal aus, um die 36.000 Ruheständler zu kompensieren, geschweige denn den zusätzlich vorhandenen Expansionsbedarf zu decken. Und zukünftig wird die Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften weiter drastisch steigen. Ab 2013 werden jährlich 33.800, ab 2018 dann 44.100 und schließlich ab 2023 sogar 48.300 neue Ingenieure benötigt, um die ausscheidenden zu ersetzen. Ohne beträchtliche Anstrengungen von Schulen und Universitäten, von Wirtschaft und Staat wird das nicht gelingen. Ein massiver Wohlstandverlust wäre die Folge.


Hier geht es zu weiteren Beiträgen zu diesem Thema:

Industrie verliert jährlich Milliarden – Berliner Morgenpost vom 20.04.2010

Ingenieurmangel wächst mit dem Aufschwung – Hamburger Abendblatt vom 20.04.2010

Ingenieurmangel kostet drei Milliarden Euro pro Jahr – Die Welt vom 20.04.2010

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 3 Kommentare zu Griechenland sollte Währungsunion verlassen

Griechenland sollte Währungsunion verlassen

Griechenland kann sich faktisch nicht mehr refinanzieren: die Zinsen für Staatseinleihen sind in den letzten Tagen in die Höhe geschossen.

Schon vor Beginn der Europäischen Währungsunion ist immer wieder darauf hingewiesen worden: In der Währungsunion entfallen die Wechselkurse als Instrument zur Abfederung unterschiedlicher realwirtschaftlicher Entwicklungen. Diese können zwar prinzipiell über die Mobilität von Gütern und Produktionsfaktoren (vor allem Arbeit) und über die Flexibilität der Preise (vor allem der Löhne) ausgeglichen werden. Die auf den Arbeitsmärkten der EU bestehenden Mobilitätsbarrieren und die mangelnde Flexibilität der Löhne dürften eine marktmäßige Anpassung jedoch behindern. Insoweit besteht schon die Gefahr, dass politischer Druck entsteht, verstärkt auf Transfers zu setzen, um realwirtschaftliche Divergenzen auszugleichen. Darin ist stets eine Fehlentwicklung, ein Sprengsatz für die Integration in Europa und eine arge Belastung der öffentlichen Haushalte in Deutschland gesehen worden.

Alle Politiker haben versichert, es werde im Zuge der Währungsunion nicht zu zusätzlichen Transfers kommen. Das sollten die Eintrittkriterien zur Währungsunion und der Stabilitäts- und Wachstumspakt garantieren. Wie diese Regelungen in den letzten Jahren – auch und gerade im Verhältnis zu Griechenland – traktiert worden sind, ist sattsam bekannt. Was vor zwölf Jahren nur befürchtet worden ist, dass nämlich die Währungsunion zu einer Transferunion – mit hohen Belastungen des deutschen Steuerzahlers – werden könne, wird nun schon sehr bald Realität sein. Wie kann jetzt noch ein Ausweg gefunden werden? Griechenland sollte aus der Währungsunion austreten und wieder seine eigene nationale Währung (Drachme) einführen.

Continue reading “Griechenland sollte Währungsunion verlassen”

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 8 Kommentare zu Axt an Wurzeln des Wohlstandes

Axt an Wurzeln des Wohlstandes

Die Staatsverschuldung ist nicht nur in Griechenland aus dem Ruder geraten. Fast alle Euro-Staaten haben die Maastricht-Kriterien gebrochen. Die griechische Tragödie nimmt immer groteskere Züge an, nun ist auch Portugal zur Zielscheibe der Spekulation geworden. Wie konnte es dazu kommen, und was ist zu tun? ÖkonomenBlog-Autor Andreas Freytag warnt davor, der hellenischen Republik mit Krediten aus der Patsche zu helfen. Vielmehr plädiert der Volkswirt für eine geordnete Insolvenz: langfristige Umschuldung und flankierende Hilfe durch den IWF. Die negativen Wohlfahrtseffekte wären bei diesem Weg geringer – wenn auch nicht Null.

Ein Grundproblem ist, dass die griechische Verschuldung und gesamtwirtschaftlich niedrige Produktivität in der Europäischen Kommission nicht ausreichend wahrgenommen wurde und dass die Kommission auch keine echte Handhabe mehr hat, gegen derartige Unsolidität vorzugehen. Denn das Instrument dagegen, der Stabilitäts- und Wachstumspakt, ist ein zahnloser Tiger geworden. Sanktionsmöglichkeiten bestehen nicht mehr, seit der Pakt auf Initiative der Bundesregierung in 2003 verwässert wurde. Der Sinn für solide Fiskalpolitik und gute Regierungsführung kann so verloren gehen. In Griechenland ist dies geschehen, aber auch in anderen Ländern der EWU. Da Griechenland das Instrument der Abwertung, das zumindest zeitweise Linderung verspricht, in einer Währungsunion nicht mehr zur Verfügung hat, muss es die Wirtschafts- und Finanzpolitik stark reformieren und dabei auf die Unterstützung aus dem Ausland hoffen.

Continue reading “Axt an Wurzeln des Wohlstandes”

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , 3 Kommentare zu Darf’s ein bisschen mehr sein?

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Gewährleistungsermächtigung: Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird das Bundesfinanzministerium ermächtigt, Bürgschaften in Höhe von über acht Milliarden Euro zu erteilen.

„Wir lassen Griechenland nicht fallen“, verspricht Finanzminister Schäuble heute im Handelsblatt. Bereits gestern hatte er seinen Entwurf für das „Gesetz zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion“ (PDF-Download hier) verbreiten lassen. Inhalt: Mit § 1 soll der Bundestag eine Gewährleistungsermächtigung für Kredite an die Hellenische Republik in Höhe von 8,4 Milliarden Euro aussprechen – für das erste Jahr. Für 2011 und 2012 ist die Bürgschaftshöhe noch nicht beziffert (im Gesetzentwurf steht „[xx]“).

Nach aktueller Lage dürfte das Bürgschafts-Budget bereits wieder passé sein: Es muss wohl mehr Geld fließen, um die Hellenische Republik vor einem Totalschaden zu bewahren. Wirtschaftsminister Brüderle rechnet mit bis zu 135 Mrd. Euro. Riesige Summen, mit riesigem Risiko. Vor allem für die deutschen Steuerzahler. Wieso eigentlich? Wieso sollen die einfachen steuerzahlenden Angestellten, Handwerker und Freiberufler das Rettungspaket aus ihrem Portemonnaie berappen? Auch an dieser Stelle hilft uns undifferenzierte Bankenschelte nicht weiter. Es wäre aber ungerecht, die Fremdkapitalgeber, also private wie institutionelle Anleger, gänzlich aus der Verantwortung und Haftung zu nehmen. Ohne Umschuldungsmaßnahmen wird auch die griechische Regierung ihren Konsolidierungskurs kaum finden. Heute rächt sich vor allem eins: Die Angst vor der eigenen Courage. Dass die Staats- und Regierungschefs vor den vereinbarten Sanktionsregeln des Maastricht-Vertrages bisher gekniffen haben. Was bisher fehlte, war eine konsequente Anwendung des Stabilitätspaktes und ein vertraglich vereinbartes Ausstiegsszenario für Dauersünder.


Prof. Dr. Michael Hüther: Griechensoli mehr als fragwürdig.
Prof. Dr. Renate Ohr:
Stabilität des Euro gefährdet?
Frank Schäffler, MdB: Und Tschüs.

OrdnungspolitikTagged , , , , , 2 Kommentare zu Stabilitätsrat oder Sünderkartell?

Stabilitätsrat oder Sünderkartell?

Aufgrund der Schuldenbremse muss der Bund bis

Wenn heute die Finanzminister der Länder und des Bundes sowie der Bundeswirtschaftsminister in Berlin zur konstituierenden Sitzung des Stabilitätsrates zusammenkommen, sind sie offiziell dem Ziel der Vermeidung von Haushaltsnotlagen verpflichtet. Der in der Verfassung verankerte Stabilitätsrat soll als präventives Element der neuen Schuldenbremse die öffentlichen Haushalte überwachen und gegebenenfalls Sanierungsverfahren durchführen. Sicher: Mit diesem Gremium wird ein wohl gemeinter Versuch gestartet, der ausufernden Staatsverschuldung präventiv Einhalt zu gebieten. Und dennoch sind große Zweifel an seiner Wirksamkeit angebracht.     

Denn die Zusammensetzung des Stabilitätsrates gleicht einer Versammlung von Schuldnern, bei der die Teilnehmer gemeinsam die finanzielle Situation von sich und den anderen Schuldnern beurteilen sollen. Es sitzen mit den Finanzministern also genau diejenigen am Tisch, die den immens hohen Schuldenberg der öffentlichen Haushalte zu verantworten haben – und so den nachfolgenden Generationen die finanzielle Luft zum Atmen nehmen. Ein Schelm wer bei diesem Sünderkartell an folgende Redewendung denkt: Die eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Falls das offensichtliche massive Überschreiten der festgelegten haushaltspolitischen Kennziffern den Stabilitätsrat dann doch zum Handeln zwingen sollte, verfügt dieser ausschließlich über die Möglichkeit ein Sanierungsprogramm aufzustellen. Wird dieses nicht eingehalten, erschöpft sich die Macht des Stabilitätsrates darin, das betroffene Land oder den Bund zu verstärkten Bemühungen aufzufordern. Es gilt abzuwarten, ob der Druck der Öffentlichkeit den Stabilitätsrat trotz der genannten Probleme zu einer positiven Rolle bei der Vermeidung von übermäßigen öffentlichen Defiziten drängen kann. 


Am heutigen Mittwoch tagt zum ersten Mal der so genannte Stabilitätsrat in Berlin. Das neue Gremium besteht aus den Finanzministern von Bund und Ländern. Es soll die Haushaltsführung von Bund und Ländern im Sinne der neu im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse überwachen und die Nachfolge des bisherigen Finanzplanungsrats antreten.

Fabian Disselbeck hat Staatswissenschaften und Public Policy studiert und ist Promotionsstipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. In seiner Dissertation befasst er sich mit Staatsverschuldung und der Schuldenbremse im Grundgesetz.

Europa, Finanzmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 6 Kommentare zu Staatsverschuldung oder Der Tanz auf dem Vulkan

Staatsverschuldung oder Der Tanz auf dem Vulkan

Ohne Ausgaben zu kürzen trifft es die Industrieländer zukünftig erst noch richtig. Deren Gesamtschuldenstand wird von heute knapp 100 auf etwa 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Schwellenländer können die krisenbedingte Neuverschuldung hingegen besser verkraften. Deren Wachstumsrate liegt auf jeden Fall deutlich über der Höhe der Realzinsen für den Schuldendienst.

Trotz der horrenden Verschuldung vieler Industriestaaten, trotz des faktischen Staatsbankrotts des Euro-Landes Griechenland, trotz der demographischen Alterung – der Tanz auf dem Vulkan der unsere Vorstellungskraft übersteigenden Staatsverschuldung geht weiter.

Besonders gefährdet sind vor allem wir selbst. Denn Problem verschärfend wirken die kostspieligen Sozialsysteme und die Alterung unserer Gesellschaften. Die Staatsschulden in den Industriestaaten werden in der kommenden Dekade unweigerlich weiter steigen. Es sei denn, die Politik wagt sich an massive Ausgabenkürzungen. Wenn nicht, steigt deren Gesamtschuldenstand von heute knapp 100 auf etwa 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Schwellenländer können die krisenbedingte Neuverschuldung hingegen besser verkraften. Deren Wachstumsrate liegt auf jeden Fall deutlich über der Höhe der Realzinsen für den Schuldendienst. Damit finanzieren sich die Schulden in den Schwellenländern quasi von selbst, ja lassen sich sogar die absoluten Schuldenstände – gemessen an der Jahreswirtschaftskraft – senken. In vielen reifen Industriestaaten dagegen sind inflationsbereinigte Wachstumsraten über der Höhe des Realzinses unwahrscheinlich oder ausgeschlossen.

Deshalb müsste die Politik in Deutschland allein schon für die Stabilisierung der Schuldenstandsquote auf dem heutigen Niveau gewaltige Sparanstrengungen unternehmen. Eine Herkulesaufgabe – und das bei dem herrschenden Anspruchsdenken im Land.


Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf folgender Seite:                   

Ordnungspolitik, SozialesTagged , 3 Kommentare zu Die Parteien züchten den Opportunismus

Die Parteien züchten den Opportunismus

Politischen Parteien obliegt nach unserer Verfassung eine verdienstvolle Aufgabe: Sie „wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ So postuliert es unser Grundgesetz in Artikel 21. Aus der Mitwirkung bei der Willensbildung ist im Lauf der Jahrzehnte in Wahrheit eine Dominanz geworden. Ohne Partei keine Karriere in der Berufspolitik, ohne das jeweils richtige Parteibuch keine Führungsposition im öffentlichen Dienst. Und selbst die Hüter der Verfassung, die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, werden nach parteipolitischen Präferenzen vorgeschlagen und gewählt.

Die meisten Berufspolitiker, die ich kennen gelernt habe, sind Produkte einer typischen parteipolitischen Sozialisation. Schon in der Schulzeit werden sie Mitglied einer Jugendorganisation, bewähren sich beim Plakatekleben, Prospektverteilen, an den Infoständen oder als Administrator des Internetauftritts der lokalen Parteigliederung. An der Bildung mangelt es zumeist nicht – es gibt überdurchschnittlich viele Akademiker in der Berufspolitik. Doch gleichzeitig verfügen immer weniger Abgeordnete über Berufserfahrung außerhalb der Politik.

Doch weil sie die (partei)politischen Mechanismen aus dem Effeff beherrschen, sind sie geradezu prädestiniert, in der Politik Karriere zu machen. Quereinsteiger, nach denen die Gesellschaft immer wieder ruft, haben schon deshalb kaum eine Chance, weil sie nie gelernt haben, wie die offizielle Politik funktioniert.

Nach vielen Jahren Parteiarbeit hüten sich fast alle, einen pointierten Standpunkt einzunehmen, weil man sich damit als Politiker innerhalb der eigenen Reihen, aber auch in der Öffentlichkeit angreifbar macht. Es gilt die Devise: Lege dich nie zu früh fest und am besten überhaupt nicht, dann kann dir niemand einen Strick aus deiner Haltung drehen. Denn der Zeitgeist weht, wohin er will.

Arbeitsmarkt, Bildung, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 1 Kommentar zu Arbeit – ein hohes Gut

Arbeit – ein hohes Gut

Der Job ist viel wert. Zur Not würden viele sogar mit Abstrichen vom Lohn leben wollen. Das sagt die IW-Consult-Umfrage.

Die Wirtschaftskrise erscheint erst einmal überstanden. Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich – nicht zuletzt dank der Kurzarbeit – bislang außerordentlich gut gehalten. Doch niemand weiß, wie die Entwicklung weitergehen wird. Kommen wir mit einem blauen Auge davon oder kommt die Krise am Arbeitsmarkt erst noch? Für die Arbeitnehmer bedeutet dies: der eigene Arbeitsplatz ist nicht sicher. Offensichtlich sind sich viele deutsche Arbeitnehmer dieser brisanten Lage bewusst. Deshalb sind viele auch bereit, ihren Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung zu leisten. Dies geht aus einer aktuellen Arbeitnehmerbefragung hervor.

In einer repräsentativen IW-Consult-Umfrage wurden Arbeitnehmer gefragt: Wozu wären sie im Gegenzug für eine Arbeitsplatzgarantie von mindestens einem Jahr in Ihrem Unternehmen bereit? Über ein Drittel der Befragten würden unter diesen Umständen eher auf einen Einkommenszuwachs verzichten. Kürzere Arbeitszeiten zu entsprechend niedrigerem Einkommen finden 14,3 Prozent in Ordnung. Jeder zehnte ist sogar bereit, auf bis zu10 Prozent seines Einkommens zu verzichten. 18,4 Prozent der Befragten würden aber in keinem Fall Einkommenseinbußen akzeptieren. Für viele gilt aber: Lieber weniger Lohn, als arbeitslos.


Holger Schäfer ist Senior Economist beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Seine Schwerpunktthemen sind Arbeitsökonomik, Arbeitsmarktpolitik und Zuwanderung.

Mehr Infos zur Umfrage finden Sie im Deutschlandcheck: www.deutschland-check.de

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 3 Kommentare zu Vollzeitbeschäftigung: kein Auslaufmodell

Vollzeitbeschäftigung: kein Auslaufmodell

vollzeitarbeit_stabil

Noch im Jahr 2005 waren zeitweise mehr als 5 Millionen Deutsche arbeitslos. Nicht wenige spekulierten damals, wann die 6-Millionen-Grenze fallen wird. Parallelen zur Lage in den 30er Jahren kursierten in der Medienlandschaft. Nur drei Jahre später hat sich die Lage gründlich geändert. Im Herbst 2008 lag die Zahl der Arbeitslosen erstmals wieder seit 1992 unter 3 Millionen. Dies hat vor allem auch mit den Reformen der Agenda 2010 zu tun. Für viele eine erfreuliche Entwicklung. Andere sprechen von einer Mogelpackung.

Von einer massenhaften Umwandlung sozialversicherungspflichtiger Vollzeitstellen in andere Billigjobs ist die Rede. Doch diese Behauptung ist nicht haltbar, wie jetzt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zu Köln ergeben hat. Es stimmt zwar, dass der Anteil der geringfügig Beschäftigten an allen Erwerbsfähigen von 2003 (4 Prozent) bis 2008 (5 Prozent) leicht gestiegen ist. Dieser Anstieg erfolgte jedoch nicht zur Lasten der Vollzeitbeschäftigten. Ganz im Gegenteil: Auch der Anteil der Vollbeschäftigten ist von 2003 (40 Prozent) bis 2008 (42 Prozent) angestiegen. Das heißt in der Summe: Mehr kleine und mehr Vollzeitjobs. In diesem Punkt, kein schlechtes Ergebnis.


Hier geht’s zu  weiteren Beiträgen zu diesem Thema:
Flexible Jobs: Sprungbrett in den Beruf – Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln

Hartz IV gefährdet keine Vollzeitstellen Studie – Welt-online vom 09.03.2010
IW-Forscher ziehen positive Hartz-IV-Bilanz – Zeit-online vom 08.03.2010