Reformen

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , 3 Kommentare zu Staat gesund nutzen

Staat gesund nutzen

Buchbesprechung: „Sharper Axes, Lower Taxes – Big Steps to a Smaller State“

Wer in den letzten Monaten eine britische Zeitung gelesen hat, konnte leicht den Eindruck gewinnen, der britische Staat sei gerade mit seiner eigenen Abschaffung beschäftigt. Wann immer vom Sparpaket der Regierung die Rede war, wimmelte es nur so von dramatischen Formulierungen und blutigen Metaphern.

Kein Wunder also, wenn die große Mehrheit der Bevölkerung die Größenordnung des Sparpaketes völlig falsch einschätzt. 70% glauben, der Schuldenstand würde bis 2015 deutlich sinken. Schön wär’s; was sinkt, ist lediglich die Neuverschuldung. Das Sparpaket ist, allem Geschrei zum Trotz, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Staatsausgaben werden real um 0,7% pro Jahr fallen, womit die Staatsquote bis 2015 wieder auf das Niveau von 2007 zurückfallen wird. Die Gesamtverschuldung wird dabei immer noch um £350 Mrd. zunehmen.

Um die Perspektive wieder etwas zurechtzurücken, hat das Institute of Economic Affairs (IEA) in London nun einen Sammelband herausgegeben, in dem elf Autoren zeigen, wie ein wirklich gründliches Sanierungsprogramm der Staatsfinanzen aussehen würde. Der Ansatz der Autoren ist nicht die „Rasenmähermethode“, denn bei dieser bleiben staatliche Ausgabenprogramme in ihrer Struktur unangetastet, und werden nur ein wenig zurechtgestutzt. In „Sharper Axes, Lower Taxes“ wird strategischer an die Sache herangegangen.

Es werden Ausgabenbereiche identifiziert, in denen Verhältnis von Aufwand und Ertrag des staatlichen Handelns besonders miserabel ist. Darauf aufbauend werden Strategien für einen geordneten Rückzug des Staates aus vielen Lebensbereichen ausgearbeitet. Diese grundsätzliche Herangehensweise macht die Vorschläge des Buches prinzipiell auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar.

Mit diesem Programm würde die Staatsquote innerhalb einer einzigen Legislaturperiode auf unter 30% gesenkt. Der Freibetrag der Einkommenssteuer könnte mehr als verdoppelt, und der Steuersatz auf 15% gesenkt werden. Mehrere Steuerarten könnten komplett abgeschafft werden. Die jährliche Wachstumsrate der britischen Wirtschaft würde in der Folge um einen Dreiviertelprozentpunkt steigen. Die noch verbleibenden Staatseinnahmen würden immer noch spielend leicht ausreichen, um den ärmsten Haushalten Zugang zu Bildung und Gesundheit zu ermöglichen.

Wem diese Vorschläge radikal erscheinen, der sollte bedenken, dass bis in die frühen 1960er fast alle OECD-Länder Staatsquoten von um die 30% aufwiesen. In besonders erfolgreichen Ländern wie Japan und der Schweiz beanspruchte der Staat damals gar weniger als 20% der Wirtschaftsleistung.

Von solchen Verhältnissen wäre Großbritannien selbst bei vollständiger Umsetzung des in diesem Buch vorgestellten Programms noch weit entfernt. Vielleicht ein Thema für einen Band 2?

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 24 Kommentare zu Gewitterwolken am Konjunkturhimmel

Gewitterwolken am Konjunkturhimmel

„Neues deutsches Wirtschaftswunder“ und „Turboaufschwung“: Mit diesen Attributen verklärte die Politik in den vergangenen 12 Monaten die Konjunkturlage im Land. Doch mitten in der Sommerpause wird deutlich, dass sich die seit Monaten verschlechternden Frühindikatoren bereits auf die Geschäftserwartungen der Unternehmen negativ auswirken.

Paradox dabei: Wohl selten hat eine Bundesregierung, trotz guter Konjunkturlage und deutlich gestiegener Beschäftigung, so wenig davon profitiert. Paradox ist aber auch, dass die vordergründige konjunkturelle Stärke die Handlungsfähigkeit der Politik lähmt, obwohl eine Vielzahl struktureller Baustellen dringend einer Lösung harrt. Da ist zum einen die Überschuldung der öffentlichen Haushalte. Wer thematisiert noch offensiv, dass Deutschland selbst im „Turboaufschwung“ nach wie vor Dutzende Milliarden Euro neuer Schulden macht

Zerknirscht stellen die Statistiker fest, was Millionen von Bürgern seit Jahr und Tag schmerzlich spüren: Die Kaufkraft des verfügbaren Einkommens tritt auf der Stelle oder sinkt gar. Zwar stiegen die Bruttoeinkommen, aber höhere Sozialversicherungsbeiträge und die Steuerprogression in der Einkommensteuer fraßen den Zuwachs nahezu auf. Den Rest des Kaufkraftschwundes erledigte die Geldentwertung. Doch dieses Phänomen ist bei Lichte betrachtet doch die logische Konsequenz einer Haltung, die immer mehr Aufgaben an den Staat delegiert. Je älter eine Gesellschaft aber wird, je länger und umfänglicher wir Bürger Leistungen des Staates für uns in Anspruch nehmen können, umso höher muss die Zeche für diejenigen sein, die das alles bezahlen

Nur wenn die Politik die steigenden Kosten des demographischen Wandels vom Lohneinkommen entkoppelt – durch ein Prämiensystem in der Kranken- und Pflegeversicherung etwa -, wird sie den Arbeitnehmern künftig noch reale Einkommenszuwächse verschaffen können. Und nur eine Politik, die das Einkommensteuerrecht auf Fairness, Transparenz und Leistungsfreundlichkeit trimmt und sich statt Tippelschritten auf ein Paul Kirchhof-Modell einlässt, erntet langfristige Prosperität in unserem Land. Und nur wer die Privilegien unseres öffentlichen Dienstes, vor allem des Berufsbeamtentums, ernsthaft beschneidet, wird den Kollaps der Länderhaushalte verhindern, die gewaltig unter den exorbitant steigenden Pensionsausgaben leiden. Ich will nicht Kassandra spielen, die Ihnen den Sommer zusätzlich vermiest. Aber glauben Sie ernsthaft an den für diese Herkulesaufgaben notwendigen Elan der Politik?

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 1 Kommentar zu Keine Euro-Rettung ohne TARGET2-Reform!

Keine Euro-Rettung ohne TARGET2-Reform!

Von Prof. Dr. Andreas Freytag und Dr. Christian Fahrholz

Die von Hans-Werner Sinn eröffnete Debatte um das sogenannte Target-2-System der Zentralbanken bewegte sich bisher vornehmlich auf der monetären Ebene. Realwirtschaftlich wurde das Problem bisher aber wenig durchleuchtet.

Das Target-2-System stellt sicher, dass der Zahlungsverkehr zwischen den Zentralbanken des Euro-Systems funktioniert. Die starke Ausweitung der Target-2 Salden in den Bilanzen der nationalen Zentralbanken ist einerseits dadurch bedingt, dass der private Sektor Wertpapieranlangen in der Peripherie auflöst und in die Kernländer umschichtet. Jenseits dieser finanziellen Konsolidierung bzw. Kapitalflucht finanzieren die Peripherieländer weiterhin Warenimporte über die Zentralbankgeldschöpfung im Target-2-System. Das hat realwirtschaftliche Konsequenzen.

Die über Target-2 finanzierten Warenimporte in die Peripherie zementieren so die dortigen nicht wettbewerbsfähigen Produktionsstrukturen und befeuern auf der anderen Seite den Export und die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland. Zu Vor-Euro-Zeiten hätten Wechselkursbewegungen frühzeitig einen Strukturwandel ausgelöst. Das gegenwärtige System verschärft jedoch die realwirtschaftliche Fehlallokation und macht Kreditereignisse in der Peripherie wahrscheinlicher. Sollte ein Peripherieland als insolvent eingestuft werden und aus dem Euro austreten, muss die EZB, die in ihrem Besitz befindlichen Staatsanleihen abschreiben genauso wie die Bundesbank ihre Target-2-Forderungen. Die mögliche Belastung für die deutschen Steuerzahler beläuft sich bereits gegenwärtig in etwa auf Höhe des jährlichen Bundeshaushalts.

Was also tun? Aus der Theorie des Marktversagens ergeben sich drei Alternativen. Erstens: Die Politik könnte eine Obergrenze für Target-2-Salden einführen. Zweitens: Die EZB könnte einen Sonderabschlag für Staatsanleihen, die sie als Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte entgegen nimmt, erheben – also eine Art Pigou Steuer. Und Drittens – eine überaus effiziente Alternative: Man schafft einen Markt für Verschuldungsrechte im Euro-Raum,  in dem man eine Höchstgrenze des Kreditwachstums festlegt. Die Länder bekämen anteilig Verschuldungsrechte zugeteilt, die sie untereinander handeln könnten. Negative Externalitäten durch übermäßige Verschuldung wären damit weitestgehend ausgeschaltet. Ohne Reform des Target-2-Systems laufen andere Reformen ins Leere und eine Rettung des Euro würde in immer weitere Ferne rücken.


Dr. Christian Fahrholz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Graduiertenkolleg Global Financial Markets an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der Beitrag ist eine Zusammenfassung des Working Papers “Realwirtschaftliche Aspekte der gegenwärtigen Krise im Eurosystem: Ursachen, Wirkungen und Reformansätze”.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 5 Kommentare zu Vater Kurt

Vater Kurt

Buchkritik: Kurt Biedenkopf: Wir haben die Wahl – Freiheit oder Vater Staat, Berlin 2011

Sind wir verantwortungsbegabte Bürger oder Untertanen, fragt Kurt Biedenkopf. Und die Wortwahl des Demokraten zeigt schon, wohin die Reise gehen soll. Viele Menschen in Deutschland beginnen die mit der Freiheit verbundene Verantwortung als Last oder gar als Zumutung zu empfinden, schreibt er in seinem Buch „Wir haben die Wahl“. Gleichzeitig aber verhindere das „vormundschaftliche Konzept der Sozialpolitik“ Eigenverantwortung. Damit komme den Menschen das Glück abhanden, das der freie Bürger empfände, wenn es ihm durch persönlichen Einsatz gelänge, Gemeinsamens zu gestalten und stolz darauf zu sein, was durch die freie Leistung vieler geschaffen wurde, erklärt Biedenkopf.

Freiheit und Vormundschaft – sie sind nicht vereinbar. Den ehemaligen Ministerpräsidenten Sachsens treibt das alte Problem: Wie kann sich Freiheit im Rahmen ihrer Verantwortung für Gerechtigkeit und Solidarität zum Wohl der Bürger und des Landes entfalten. Dass er sich den Übervater bundesrepublikanischer Ökonomie, Ludwig Erhard, zum Paten seiner Ausführungen erwählt, hat zunächst mit seiner persönlichen Verehrung für den alten Meister zu tun. Aber auch ist es Biedenkopfs gewisser Koketterie geschuldet, dass er sich als Erhards Epigone ins Spiel bringt, um scheinbar unantastbar den jungen Eliten in Politik und Wirtschaft als Mahner sozialstaatlicher Vernunft ins Gewissen zu reden.

Für Erhard galt das magische Dreieck „Preisstabilität, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht“. Wachstum war daraus eine natürliche Folge. Heute diene Wachstum nicht in erster Linie der wirtschaftlichen Stabilität, sondern der Expansion der Politik, erklärt Biedenkopf.

So entspannt lässt es sich sprechen, wenn man nicht mehr politisch gestalten muss. Zwar erklärt Biedenkopf, dass er es schon 1978 für halsbrecherisch gehalten habe, Wachstum zu einer existenziellen Voraussetzung für die Regierbarkeit westlicher Länder zu erklären. Doch auch auf die Frage, wie binnenwirtschaftliche Verpflichtungen im Rahmen des sozialen Sicherungssystems auch dann erfüllt werden können, wenn sie nicht vom Zuwachs, sondern vom Vorhandenen bezahlt werden müssen, wussten weder er noch andere damals eine Antwort.

Biedenkopfs heutiger Ruf nach Erneuerung zielt – nicht unbedingt originell – auf das Prinzip der Subsidiarität, um die Innovationspotenziale der Gesellschaft endlich voll zu erfassen, und – auch nicht überraschend – auf die Familie. Gerade sie gelte es als Fundament der Sozialordnung neu zu entdecken und zu stärken.Wenn Biedenkopfs Buch wirklich etwas schafft, dann ist es das: wieder Interesse für Ludwig Erhard zu wecken. Und ihn zu lesen. Am besten aber gleich im Original.

Steuern und FinanzenTagged , 3 Kommentare zu Plan B

Plan B

Immer noch steht als das große Ziel die große Steuerreform vor Augen. Es gilt, ein Steuersystem zu schaffen, das Einfachheit mit niedrigen Steuersätzen verbindet und so gerechter ist. Ein solches System hat z.B. Herr Kirchhof ausgearbeitet. Ein vereinheitlichter Steuersatz verhindert automatisch und fast vollständig die kalte Progression, da jeder Euro mehr in gleicher Höhe besteuert würde. Ein gänzliches Ende wäre der kalten Progression gesetzt, wenn die Freibeträge einem jährlichen Inflationsausgleich unterlägen. Für eine große Steuerreform gibt es mehrheitlichen Rückhalt in der Bevölkerung, aber nur widerwilliges Zustimmen in der Union und offenen Widerspruch im Bundesrat.

Erforderlich ist daher ein Plan B, mit dem eine zweitbeste Lösung durchgesetzt werden kann. Die zweitbeste Lösung wäre nicht beides gleichzeitig durchzusetzen, sondern entweder ein nur-gerechteres System oder eine Entlastung. Größere Gerechtigkeit lässt sich nur mit dem Bundesrat erreichen, so dass sich die Wahl auf eine Netto-Entlastung reduziert. Gegen den mehrheitlichen Widerspruch im Bundesrat geht das nur dort, wo der Bund das alleinige Steueraufkommen hat. Das verengt den politischen Handlungsspielraum auf den Solidaritätszuschlag.

Der Soli ist ein seit 1991 erhobener Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Gedacht war er für die Finanzierung des Golfkriegs und zum Aufbau Ost, doch übersteigt sein Volumen mittlerweile sogar die Höhe der Mittel, die für den Solidarpakt II aufgewendet werden. Dabei ist das Soli-Aufkommen nicht einmal an den Aufbau Ost gebunden, sondern fließt in den Bundeshaushalt, trägt also heute etwa auch zu den Kosten des Afghanistan-Einsatz bei. Steuersystematisch ist er ein Fremdkörper, da er als Ergänzungsabgabe konzipiert war und diese nur für vorübergehende Bedarfsspitzen erhoben werden dürfen. Dem Argument, eine Abschaffung des Solis beeinträchtige die verfassungsrechtliche Schuldenbremse, kann also damit entgegengetreten werden, dass seine Beibehaltung die grundgesetzliche Finanzverfassung gefährde. Denn Deutschland befindet sich definitiv nicht mehr in einer außergewöhnlichen Haushaltssituation. Der Bundesfinanzminister feiert Rekordeinnahmen und überspringt die Maastrichter Defizithürde mit Leichtigkeit. Nach der aktuellen Steuerschätzung sollen mit dem Soli 2011 rund 12,15 Milliarden Euro eingenommen werden. In den Folgejahren werden es 13 Milliarden, 13,75 Milliarden, 14,35 Milliarden und 2015 schließlich 15 Milliarden Euro sein.

Vorzugsweise käme es zur erstbesten Lösung mit niedrigeren, einfacheren und gerechteren Sätzen. Deshalb hat die Koalition beschlossen, kleinere und mittlere Einkommen zum 1. Januar 2013 steuerlich zu entlasten und die kalte Progression zu vermindern. Damit sorgen wir dafür, dass mehr netto vom Bruttoeinkommen beim Steuerzahler verbleibt. Wenn dies aus welchen Umständen auch immer nicht umzusetzen ist, dann verbleibt die Abschaffung des Soli als Plan B. Die ersten Schritte hierzu sollten bereits nach der Sommerpause unternommen werden.


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Bildung, Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 9 Kommentare zu Sozialismus voraus

Sozialismus voraus

Deutschland steht kurz vor dem Sozialismus – zumindest nach der Definition von Altkanzler Helmut Kohl. „Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt Sozialismus“, soll dieser einmal gesagt haben. Bankenrettung, steigende Sozialausgaben, Subventionen – dies alles treibt die Staatsquote nach oben. Fast die Hälfte der erwirtschafteten Einkommen wurde im vergangenen Jahr in die Verfügungsgewalt des Staates umgeleitet.

Wo genau die optimale Staatsquote liegt weiß keiner und dürfte zudem von Land zu Land verschieden sein. Ohnehin komme es auf die Qualität der Staatsausgaben an – darauf verwies schon Walter Eucken. Etwa 100 Milliarden gab der Staat vergangenes Jahr für Bildung aus. Viel Geld, aber im internationalen Vergleich eher zu wenig. Beliebter sind dagegen Ausgaben für Subventionen. 160 Milliarden spendierte die öffentliche Hand dafür. Ausgaben, die man sich sparen könnte, finanziert mit Geld, das man vorher den Bürger und Unternehmen durch Steuern und Sozialabgaben weggenommen hat.

Nach Eucken ist die Aufgabe des Staates einen Ordnungsrahmen für Gesellschaft und Wirtschaft vorzugeben, nicht aber in den Prozess einzugreifen. Letzteres tut er aber im Übermaß. Folgt man Eucken müssten sämtliche Subventionen abgebaut werden. Damit  ließe sich die jüngst angekündigte Steuerentlastung von 10 Milliarden gleich 16 Mal refinanzieren. Und der Systemwechsel wäre auch erst einmal vertagt.

Soziales, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , , , , , 3 Kommentare zu Energiewende: Marktwirtschaft statt Planwirtschaft

Energiewende: Marktwirtschaft statt Planwirtschaft

Die Energiewende in Deutschland wird unbezahlbar, wenn in der Förderpolitik kein grundlegender Kurswechsel vollzogen wird. Schon 2010 wurde die EEG-Stromerzeugung mit  12,7 Milliarden Euro subventioniert – das sind über 600 Euro für eine vierköpfige Familie. Und in diesem Jahr wird es wieder mehr. Dazu kommen noch enorme Kosten für den Netzausbau. Alleine 34 Milliarden Euro – 1.660 pro Familie – werden für den Anschluss der Off-Shore Windparks an das Stromnetz fällig. Besonders teuer ist aber die Solarenergie, die noch nicht einmal gegen Biomasse oder Windenergie wettbewerbsfähig ist. Und in der Produktion haben längst asiatische Firmen die Nase vorn. Die Förderung der Photovoltaik ist ein einziger Misserfolg.

Es ist aber wohl gesellschaftlicher Konsens langfristig komplett auf erneuerbare Energien zu setzen. Man muss aber zusehen, dass das auf einem möglichst effizienten Weg erreicht wird. Und -frei nach Hayek – nur Wettbewerb deckt auf, welche Pläne effizient sind und welche nicht. Heißt: Statt die Energiewende über Verbrauchsabgaben zu finanzieren brauchen wir eine grundlegende Umstellung auf ein marktwirtschaftliches System. Z.B. könnten Zertifikate für grünen Strom gehandelt werden, die die Stromanbieter aufkaufen und einspeisen müssten. Damit entstünde für grünen Strom Wettbewerb, auf dem sich die effizienteste Technologie durchsetzen würde.  Die Kostenersparnis wäre erheblich.

Steuern und FinanzenTagged , , , 14 Kommentare zu Die Krux mit der Steuer: Paul Kirchhof lässt grüßen

Die Krux mit der Steuer: Paul Kirchhof lässt grüßen

Gleich zwei Zäsuren sind am Ende dieser Woche von der deutschen Politik zu vermelden: Eine der größten Volkswirtschaften der Welt steigt in einer fast Allparteienkoalition aus der Atomkraft aus. Außerdem ist seit wenigen Tagen die Wehrpflicht passe, ein jahrzehntelanger Eckpfeiler der deutschen Sicherheitspolitik.

Eine andere Zäsur lässt dagegen auf sich warten: eine fundamentale Steuerreform, die endlich Transparenz und Fairness in unser undurchschaubares Steuerdickicht bringt. Zu Wochenbeginn hat Paul Kirchhof einen neuen Aufschlag gemacht. Mit seinem „Bundessteuergesetzbuch“ dampft er Abertausende von Vorschriften in 146 (!) Paragraphen ein und formuliert Leitsätze für eine komplette Revision des Steuerrechts.

Ich möchte eine Lanze für eine Steuerstrukturreform brechen, die viele Steuerpflichtige weit stärker herbeisehnen, als es der bornierte Berliner Politikbetrieb wahrhaben will. Mir geht es nicht um eine Nettoentlastung, sondern um Vereinfachung und Transparenz.

Heute haben wir unterschiedliche Steuersätze: Körperschaften bezahlen einen Steuersatz von 15%, für private Kapitalerträge sind 25% fällig und in der Einkommensteuer sind  zwischen 14% bis zu 45% Steuersatz fällig. Kirchhof fasst alles in einem Steuersatz von mindestens 25% zusammen.  Damit entlastet er vor allem den Faktor Arbeit, der heute überdurchschnittlich hohe Grenzsteuersätze zu tragen hat. Mehr Fairness des Staates im Umgang mit der Leistungsbereitschaft seiner Bürgerinnen und Bürger ist Grundvoraussetzung für die Prosperität im Land.

Um die massive Absenkung der Steuersätze in der Einkommensteuer finanzieren zu können, sind alle Ausnahmetatbestände zu streichen. Populäre Arbeitnehmertatbestände  wie Pendlerpauschale und Schicht- und Nachtarbeitszuschläge fallen dann weg. Dafür gibt es hohe Grundfreibeträge von 10.000 Euro pro erwachsenem Haushaltsmitglied und je 8.000 Euro pro Kind. Ein vierköpfiger Arbeitnehmerhaushalt hätte dann erst ab einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von über 36.000 Euro überhaupt Einkommensteuer zu bezahlen.

Paul Kirchhof hat eine steuerpolitische Vision formuliert, die ich für umsetzbar halte, wenn der politische Wille da ist. Die Abschaffung der Wehrpflicht ist vollzogen, der Atomausstieg beschlossen. Warum bitte sollte es dann nicht auch eine Steuerrevolution des Professors aus Heidelberg in das Bundesgesetzblatt schaffen?


Zur Grafik:
1.) 10.000 zu versteuerndes Einkommen sind auf jeden Fall steuerfrei.
2.) Innerhalb der ersten 5.000 Euro über 10.000 werden nur 60 Prozent angerechnet. De facto Steuersatz 15%.
3.) Innerhalb der ersten 5.000 Euro über 15.000 werden nur 80 Prozent angerechnet. De facto Steuersatz 20%.

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 5 Kommentare zu Heimliche Steuererhöhung vermeiden!

Heimliche Steuererhöhung vermeiden!

Mit steigendem Einkommen nimmt die zu entrichtende Einkommensteuer überproportional zu. Um diese „heimliche Steuererhöhung“ zu vermeiden, sollten die Freibeträge und der Tarifverlauf regelmäßig angepasst werden. So sieht das Dr. Alfred Boss, Steuerexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Eine Korrektur der Einkommensteuer sei in diesem Sinne keine echte „Entlastung“, sondern in Wahrheit nur eine Kompensation der Steuerzahler, die ansonsten durch die Hintertür stärker belastet würden.

Seit Jahrzehnten ist das deutsche Einkommensteuerrecht so gestaltet, dass bei einem Anstieg des Einkommens die darauf zu entrichtende Einkommensteuerschuld weit überproportional zunimmt. Bei unverändertem Steuerrecht kommt es zu progres­sionsbedingten Mehreinnahmen des Staates. Manche nennen dieses Phänomen „heimliche Steuererhöhung“, andere „kalte Progression“. Nicht nur abhängig Beschäftigte sind davon betroffen, auch Unternehmer oder Personenunternehmer, die einkommensteuerpflichtig sind, also nicht Körperschaftsteuer zahlen müssen.

Für die heimliche Steuererhöhung gibt es zwei Gründe. Erstens: Bestimmte Beträge, die bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgesetzt werden dürfen (z. B. die Werbungskostenpau­schale von aktuell 920 Euro je Jahr), sind in absoluten Beträgen festgelegt; dies hat zur Folge, dass der Betrag, der zu versteuern ist, rascher steigt als das Einkommen. Zweitens: Der Einkommen­steuer­tarif ist so konstruiert, dass der durchschnitt­liche Steuersatz mit steigendem zu versteuerndem Einkommen zu­nimmt; der Grundfreibetrag ist absolut (aktuell 8 004 Euro je Jahr) festge­legt, der Grenzsteuersatz steigt mit zunehmendem zu versteuern­dem Einkom­men von 14 auf 45 Prozent.

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Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 8 Kommentare zu Wer kontrolliert die Ratingagenturen?

Wer kontrolliert die Ratingagenturen?

Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass die drei großen Ratingagenturen Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch die Kreditwürdigkeit der USA herabzustufen, würde das eine weitere Verschärfung des amerikanischen Schuldenproblems bedeuten. Denn entsprechend würde für die als risikoreicher bewerteten Staatsanleihen eine höhere Rendite eingefordert. In der Konsequenz würden die jährlichen Zinslasten und damit die laufenden Staatsausgaben steigen.

Eine Herabstufung der USA ist aber nicht nur für Amerika ein Desaster: Der Verlust der Bestnote zwingt die Gläubiger weltweit, ihre Vermögen neu zu bewerten und umzuschichten. Denn die Noten der Ratingagenturen werden von den staatlichen Finanzaufsichtsbehörden zur Geschäftsgrundlage gemacht, wenn sie Banken und Versicherungen «Stresstests» aussetzen. Das Urteil der Ratingagenturen hat quasi hoheitliche Kraft und ist verbindlich. Diese herausragende Sonderstellung der Ratingagenturen ist mehr als kritisch. Denn wer kontrolliert die Ratingagenturen? Niemand! Für alles, was auf den Finanzmärkten passiert, gibt es Aufsichtsgremien – nicht jedoch für die Ratingagenturen.

S&P, Moody’s und Fitch Ratings sind nichts anders als private Gesellschaften, deren oberstes Ziel die Gewinnmaximierung ist. Sie sind keinesfalls unabhängige Schiedsrichter und unterliegen kaum einem Wettbewerb. Vielmehr sind sie Teil der Finanzwelt und verfolgen ihre ganz eigenen Interessen. Und die Vermutung, die Ratingagenturen hätten als Schiedsrichter mit den Spielern vor und während der Finanzkrise unter einer Decke gesteckt und es zu Gefälligkeitsurteilen gekommen sei, steht immer noch im Raum.

Eine Reform muss her. Die Einnahmequellen der Ratingagenturen zu ändern, wäre ein erster Schritt zur Besserung. Ein möglicher Ansatz: Alle an einer Bewertung durch unabhängige Ratingagenturen Interessierten beteiligen sich per Pflichtabgabe an einer Umlage. Eine Offenlegung der Bewertungsmodelle und eine strengere Aufsicht über Interessenverflechtungen der Ratingagenturen wären weitere Schritte. Noch wichtiger wäre es, die Ratingagenturen für ihre Bewertungen in Haftung zu nehmen und zu normalen Mitspielern auf dem Finanzparkett zu machen. Deren Urteil sollte nur noch Meinung sein, auf die hören mag, wer will.


Die Langfassung dieses Beitrags ist in der Basler Zeitung vom 14. Juni 2011 erschienen.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 3 Kommentare zu Gibt es Chancen für eine Steuersenkung?

Gibt es Chancen für eine Steuersenkung?

Die Koalitionsparteien stehen  im Wort: Im Wahlkampf 2009 und auch im Koalitionsvertrag vom November 2009  sind Steuersenkungen versprochen worden; die Bevölkerung sollte „Mehr Netto vom Brutto“ bekommen. Dabei sollte die „kalte Progression“ abgeschwächt werden –  jene unerwünschte Wirkung, wonach bei steigenden (auch nur inflationär steigenden) Einkommen die Steuerbelastung überproportional ansteigt. Davon sind vor allem die mittleren Einkommen betroffen (sog. Mittelstandsbauch), weil in diesem Bereich die Grenzsteuersätze stark ansteigen. Um diesen Effekt abzubauen, sollte bis  zum 01.01.2011 ein Stufentarif  eingeführt werden. Über die gesamte Legislaturperiode hinweg waren Steuersenkungen im Gesamtvolumen von 24 Milliarden Euro geplant. 

Daraus ist bisher nichts geworden und konnte auch wegen der enormen Haushaltsbelastungen durch die Finanzmarktkrise und die starke Rezession nichts werden; denn die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ging eindeutig vor Steuersenkungen. In dieser Situation hätte man Steuern höchstens dann und in dem Umfang senken können, wie die Politik bereit gewesen wäre – über die beschlossenen Konsolidierungsprogramme hinaus – zusätzliche Ausgaben zu kürzen. Da sie bei der Rückführung der Ausgaben angeblich aber längst am Ende der Fahnenstange angekommen war, konnte es in den Jahren 2009 und 2010 auch keine Steuersenkungen geben.

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Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 3 Kommentare zu Steuern: nicht nur senken – auch effizient gestalten

Steuern: nicht nur senken – auch effizient gestalten

Während sich die Bundesregierung nun bereits fast zwei Jahre über Steuersenkungen unterhalten hat, und nun offenbar endlich bereit ist auch zu handeln, wurde das Feld der Steuervereinfachung bisher gänzlich ausgeklammert. Welche Wege zur Reform der Mehrwertsteuer sind möglich? Der frühere Wirtschaftsweise Professor Dr. Rolf Peffekoven zeigt sie auf.

“Die Politik hat also durchaus Handlungsalternativen: Entscheidet sie sich für die „kleine Lösung“, dann werden die Steuermehreinnahmen bei etwa 4 Mrd. Euro liegen; denn auf die dann weiterhin ermäßigt besteuerten Lebensmittel und Kulturgüter entfallen gut 80% des Aufkommens aus der Besteuerung zum ermäßigten Satz. Politischen Ärger wird es dennoch geben, weil gegen viele bisher erfolgreich vertretene Sonderinteressen einzelner Branchen vorgegangen werden muss. Das wird im Ergebnis für den Finanzminister wenig attraktiv ein. Entscheidet er sich für die „große Lösung“, wird der politische Widerstand noch größer werden, zumal dann der Vorwurf gemacht werden wird, die Reform sei verteilungspolitisch unausgewogen. Zwar steigt auch das Mehraufkommen (auf etwa 20 Mrd. Euro), in diesem Fall müsste aber wohl gleichzeitig der Regelsatz abgesenkt und den Beziehern sehr niedriger Einkommen eine Kompensation über höhere Transferzahlungen geboten werden. Zur Konsolidierung des Staatshaushaltes trägt die Reform der Umsatzsteuer also kaum bei – gleichgültig für welche Lösung sich die Politik entscheidet. Die „große Lösung“ hat aber noch einen anderen Vorteil: Sie wäre ein Beitrag zu einer einfacheren, gerechteren und effi zienteren Besteuerung – angeblich Leitlinie der Steuerpolitik der Bundesregierung.”

 Gelesen im Wirtschaftsdienst 6/2011: „Reform der Umsatzsteuer kommt nicht voran“

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 10 Kommentare zu Zuwanderung alleine bringt´s nicht

Zuwanderung alleine bringt´s nicht


Fachkräftemangel – diesem Thema will sich die Bundesregierung nun fachkundig und kraftvoll widmen. Gut so. Gestern wurde im Kabinett ein Konzept zur „Sicherung der Arbeitskräftebasis“ verabschiedet. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will vor allem an der Stellschraube „Zuwanderung“ drehen. Hier scheint sich die Politik auf einem demoskopisch sicheren Pfad zu befinden. Wurde von der Bevölkerung früher die Zuwanderung als Bedrohung empfunden, befürworten heute über 40 Prozent der Deutschen die These, Zuwanderung sei notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Über einen regierungsinternen Prüfauftrag  zum „Zugang von ausländischen Hochqualifizierten und Fachkräften zum deutschen Arbeitsmarkt“ ist das Konzept allerdings nicht hinausgekommen.

Enttäuschend ist, dass die echten Probleme weitgehend unkonkret geblieben sind. Deutsche Unternehmen suchen händeringend nach Facharbeitern, weil viele  Schulabgänger weder über die Ausbildungsreife noch über einen Schulabschluss verfügen. Zudem fehlen noch immer Betreuungsangebote für Kinder – so werden vor allem Frauen für einen zu langen Zeitraum aus ihrem Job gedrängt, obwohl sie beste Qualifikationen aufweisen. Außerdem steuert der Staat teilweise in die falsche Richtung, indem er widersprüchliche Anreize setzt: Die Beschäftigungsquote von Älteren wird gedrückt, weil das Arbeitslosengeld über 24 Monate ausgezahlt wird. Und auch durch Familienpflegezeiten und Elterngeld sinkt die Beschäftigungsquote vor allem von jungen Frauen. Hier müssen die teuren staatlichen Anreizsysteme auf ihre tatsächliche Wirkung hin überprüft werden – denn die Zuwanderung alleine kann es nicht bringen.


Mit der Aktion “Fachkräfteturm” vor dem Bundesarbeitsministerium am 31. Mai 2011 hat die INSM symbolisch gezeigt, was passiert, wenn die Fachkräftelücke nicht schnell geschlossen wird.

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , 5 Kommentare zu Die Progression schlägt kalt zu!

Die Progression schlägt kalt zu!

Vielen Arbeiter erfreuen sich derzeit an steigenden Löhnen. Doch die Freude könnte von kurzer Dauer sein. Etliche Beschäftigte werden nämlich feststellen: Mehr Gehalt bedeuten leider nicht, dass sie sich auch mehr leisten können. Möglicherweise werden sie sich sogar weniger leisten können. Die klingt paradox, resultiert aber aus der sogenannten kalten Progression. Sie entsteht durch eine Kombination aus Einkommenssteigerung, progressivem Steuertarif und Inflation.

Wenn sich die Arbeitseinkommen in gleichem Maße erhöhen wie die Preise, bleibt zwar das reale Bruttoeinkommen konstant, nicht aber die Kaufkraft der Arbeitnehmer. Denn der deutsche Steuertarif bewirkt, dass die Steuerlast mit steigendem Einkommen überproportional stark zulegt. Die Beschäftigten müssen von jedem zusätzlich verdienten Euro einen größeren Teil als Steuer abführen.

Wie sich dies konkret auswirkt, zeigt das Beispiel eines Facharbeiters, der in diesem Jahr 43.000 Euro verdient. Bei einer voraussichtlichen Inflationsrate von 2,5 Prozent im Jahr 2011 müsste sein Einkommen 2012 ebenfalls um 2,5 Prozent damit seine Kaufkraft konstant bleibt. Durch den progressiven Steuertarif erhöht sich dann aber seine Abgabenlast überproportional. Aus der Einkommenserhöhung um 2,5 Prozent wird am Ende ein Kaufkraftverlust von 0,5 Prozent. Beseitigen ließe sich die kalte Progression am einfachsten, indem jährlich standardmäßig alle Einkommensgrenzen im Steuertarif um die Inflationsrate angehoben werden.  Damit wäre wieder gewährleistet, dass Lohnerhöhungen auch die Kaufkraft stärken.


Die Langfassung dieses Beitrags ist im iw-dienst Nr. 24 vom 16. Juni 2011 erschienen.

Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 4 Kommentare zu Wurzelbehandlung für die griechische Misere

Wurzelbehandlung für die griechische Misere

Es ist eine Binsenweisheit: Schlechtem Geld sollte man kein gutes Geld hinterherwerfen. Was aber würde passieren, wenn die Euroländer Griechenland tatsächlich den Geldhahn zudrehen würden? Wäre dies wirklich im Sinne der Gläubiger? Wenn die Hilfsleistungen eingestellt werden, wird es mit ziemlicher Sicherheit zu einer Insolvenz Griechenlands kommen. Die gravierende Folge für die Gläubiger: Die bisher vergebenen Bürgschaften würden nicht mehr zurückgezahlt werden.

Gleichzeitig hätte eine Insolvenz Griechenlands auch eine erhebliche Wirkung auf den Finanzsektor. Zunächst wären die Banken betroffen, die Kredite an Griechenland vergeben haben.  Darüber hinaus wäre aber – wie in der Finanzkrise vor Lehman Brothers – der ganze Sektor über den Derivatehandel in Mitleidenschaft gezogen. Als Folge einer staatlichen Insolvenz müssten wieder systemrelevante Banken gerettet werden.

Die Alternative zur Insolvenz wäre Griechenland weiter zu unterstützen. Gleichwohl müssen die Hellenen endlich ihre Misere an der Wurzel behandeln. Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit ist das eigentliche Problem der griechischen Wirtschaft. Der Grund: Die Löhne sind im vorangegangenen Jahrzehnt in Relation zur Produktivität und zu konkurrierenden Standorten zu stark gestiegen. Schrittmacher für die Lohnsteigerung war der staatliche Bereich. Zusätzlich wurde hier auch die Beschäftigung stark ausgeweitet. Um wieder wettbewerbsfähig zu werden, muss dieser Prozess rückgängig gemacht werden. Dieser Prozess ist langwierig und schmerzhaft – ist aber alternativlos.


Prof. Dr. Michael Bräuninger ist Forschungsdirektor am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) und Professor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Der Forschungsbereich von Michael Bräuninger umfasst konjunkturelle und langfristige wirtschaftliche Analysen.

Die Langfassung dieses Beitrags „Für Griechenland gibt es keine Alternative zu einer langen und schmerzhaften Konsolidierung“ ist als am 10. Juni 2011 als „Standpunkt“ erschienen.