Sozialausgaben

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Bundesministerium für Demografie

Der demografische Wandel belastet insbesondere die Sozialkassen. Die Demografiekosten werden sich bis 2050 auf 22,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts belaufen.

Die Erwartungen an die Koalitionsverhandlungen und an die künftige Politik der neuen Regierung sind groß. Ein „weiter so“ darf es nicht geben. Zugleich scheint der Handlungsspielraum eng. Zumindest wird dies allenthalben so behauptet. Dramatische Horrormeldungen über die öffentlichen Haushalte vermitteln den Eindruck, der Politik seien gänzlich die Hände gebunden.

Ich halte dagegen: Der politische Neuanfang ist eine Chance. Wir können zuversichtlich sein. Zwar muss einiges infolge der Krise geschultert werden. Doch entscheidend für die Tragfähigkeit sind zwei Größen: die europäische Zinspolitik und  das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Um letzteres für uns alle zu sichern, müssen strukturelle Probleme am Standort Deutschland kuriert werden, gemeint ist vor allem der demografische Wandel.

Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung sind die zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre. Hier liegt das große Potenzial der neuen Regierung. Das politische Neuland muss hart beackert werden, zugleich besteht aber viel Raum für Innovation. Ein Demografieministerium, das die heute noch sozialpolitisch verstreuten Zuständigkeiten bündelt, wäre ein wichtiger Schritt.

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Ineffizient am Ziel vorbei

Die OECD zeigt: In Deutschland werden die Schwerpunkte falsch gesetzt ist. In Dänemark geht die Hälfte des Geldes in die Kinderbetreuung, in Deutschland nur ein Viertel.

Mit der Forderung nach einem höheren Kindergeld sind in Deutschland schon Bundestagswahlen (mit-)entschieden worden. In diesem Jahr versucht sich die Bundesfamilienministerin mit dem Versprechen nach einer Verlängerung der Vätermonate zu profilieren, andere werben für beitragsfreie Kindergärten und einer Herdprämie für die Kinderbetreuung zu Hause. Schon heute geben Bund, Länder und Gemeinden mehr Geld für Kinder- und Familienhilfen aus als die meisten anderen Industriestaaten.

Warum aber schneidet Deutschland bei all diesem familienpolitischen Eifer bei der aktuellen OECD-Studie so schlecht ab? Die Analyse zeigt: Weil zu viel Geld ineffizient verwendet wird. Es kommt ja nicht darauf an, wie viel Geld ausgegeben wird, sondern wofür – und für wen. „Wenn Deutschland in unseren Vergleichen schlecht abschneidet, liegt das daran, dass der Schwerpunkt der Ausgaben falsch gesetzt ist. In Dänemark geht die Hälfte des Geldes in die Kinderbetreuung, in Deutschland nur ein Viertel. Hier liegt das Problem“, sagte Willem Adema, OECD-Experte für Familienpolitik bereits im letzten Jahr.   

Eines ist klar: Wenn in Deutschland jedes sechste Kind in armutsgefährdeten Familien aufwächst, dann ist das für eines der reichsten Länder der Welt nicht akzeptabel. Die wichtigste Aufgabe der Familienpolitik muss also sein, für Kinder bestmögliche Betreuungs- und Förderangebote bereitzustellen und Eltern – vor allem allein erziehenden – den Wiedereinstieg in Arbeit zu ermöglichen.

Fast 184 Milliarden Euro landen in mehr als 150 Einzeltöpfen: vom Ehegattensplitting über das Kindergeld bis zur Kita-Finanzierung. Geld fließt augenscheinlich genug. Bei der Infrastruktur ist Deutschland aber noch immer weit abgeschlagen: Was uns trotz der Anstrengungen der letzten Jahre fehlt sind gute Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahre und qualitätsvolle Ganztagsangebote in Grund- und weiterführenden Schulen. Denn in den Ländern, die hier ordentlich aufgestellt sind, können deutlich mehr Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Die Kinder- und Bildungsarmut ist dort geringer. Noch mehr Kindergeld, noch mehr Elterngeld, eine Herdprämie für die Betreuung zu Hause und eine vollständige Abschaffung der Elternbeiträge  – alles wohlklingende Forderungen. Wer aber mit der Gießkanne staatliche Transfers an alle verteilt, tut für die wirklich bedürftigen Familien viel zu wenig.

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Staatsschuld – Generationengerechtigkeit als Verlierer

Die implizite Staatsschuld ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen

Bis 2013 wird die deutsche Staatsschuld von derzeit 65.9 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf 82 Prozent steigen. Die Konjunkturpakte treiben die Verschuldung. Abzahlen müssen das vor allem die nachfolgenden Generationen. Die 82 Prozent sind aber noch längst nicht alles: Zu den offiziellen Schulden kommen noch die indirekten der Sozialkassen. Kranken- und Pflegeversicherung z. B. geben Versprechen für eine steigende Versorgungsleistung ab, auf die sich besonders die wachsende Zahl der älteren Menschen beruft. Die Summe diese Leistungsversprechen für die Zukunft macht 185 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, wie das Forschungszentrum Generationenverträge berechnet hat. Addiert man die offene Staatsschuld dazu, ergibt sich eine Gesamtlast von aktuell knapp 250 Prozent des BIP. Dieses Geld muss erst noch verdient weden – vor allem von der jüngeren Generation der Steuer- und Beitragszahler.

Die Finanzkrise zwinge den Staat zum Schuldenmachen, heißt es. Tatsächlich entfällt darauf nur ein geringer Teil.  Allein in der Rentenversicherung hat die Politik mit den jüngsten Entscheidungen zugunsten der heutigen Ruheständler die Nachhaltigkeitslücke deutlich vergrößert. Dabei hatten die Rentenreformen von Rot-Grün mit dem Riesterfaktor und der Anhebung des Rentenalters auf 67 die Nachhaltigkeitslücke in der Rentenkasse stark vermindert.  Jetzt aber geht wieder alles von vorne los. Die Generationengerechtigkeit bleibt auf der Strecke.

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Rente: Ende mit Schrecken

Anteil der Erwerbstätigen in der jeweiligen Altersgruppe

Besser zu spät, als nie – in diesem Sinne muss sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück letzten Donnerstag dazu durchgerungen haben, die von seiner Regierung forcierte Rentengarantie als Gefahr für die Generationengerechtigkeit zu kritisieren. Viel bringt es wohl nicht, sich zu fragen, warum er erst am Tag vor der abschließenden Bundesratssitzung mit seiner Meinung um die Ecke kommt. Immerhin lagen die Argumente, Zahlen und Folgekosten doch schon im Mai auf dem Tisch: Wenn in Zeiten sinkender Löhne nur die Rentner geschont werden, kommt das den Steuer- und Beitragszahlern teuer zu stehen. Das Tricksen an der Rentenformel kostet uns alle bis zu 73 Milliarden Euro.

Insoweit kann man dem Finanzminister nur Recht geben. In der Sache wäre es aber besser gewesen, wenn er bereits im Mai das Gesetz verhindert hätte, anstatt es im Juli nachträglich zu kritisieren. Steinbrück wird sich wohl an Adenauer erinnert haben, der einmal sagte: „Auch in der Politik ist es niemals zu spät. Es ist immer Zeit für einen neuen Anfang.” Demnach müsste der Bundestag sein umstrittenes Gesetz möglichst schnell wieder zurücknehmen. Dazu passt ein weiteres Sprichwort: „Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.” Na dann, schau´n mer mal.


Zur Grafik: Rentenpolitik hat Hochkonjunktur. Momentan wird nicht nur die neuste Rentengarantie heftig diskutiert, sondern auch über das Renteneintrittsalter ab 67 Jahren. Aktuelle Zahlen zeigen aber: Die Aufregung ist jedoch unbegründet: lediglich 7 Prozent aller Bürger über 63 Jahren gehen überhaupt noch einer Vollzeitbeschäftigung nach.

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Unbezahlbare Rente

Durchschnittliches Rentenzugangsalter in der Bundesrepublik

Der Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering war es, der gegen den Widerstand seiner eigenen Parteimitglieder die Rente mit 67 im Jahr 2006 durchsetzte. Ein Jahr darauf trat das Gesetz in Kraft. Die Begründung damals: Die Rentenbezugsdauer steige immer weiter an, denn die Deutschen werden immer älter. Eine nachhaltige Finanzierung der Rentenkasse sei nicht mehr gewährleistet. Doch durch die Anpassung des Renteneintrittsalters auf 67, kombiniert mit der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors aus dem Jahr 2005 schienen die Verheißungen des ehemaligen Arbeitsministers Blüm „die Rente ist sicher“ das erste Mal seit langer Zeit der Realität wenigstens etwas näher.

Heute, zu Zeiten der Finanzkrise, scheint dies jedoch alles vergessen. Die Rentner erfahren durch Manipulationen an der Rentenformel ungerechtfertigt die größte Rentensteigerung seit 15 Jahren, während die Beitragszahler mit Kurzarbeit und Reallohnverlusten kämpfen. Durch das Aussetzen der Riester-Treppe aus dem vergangenen Jahr steigt der Renten-Beitragssatz auf die schwindelerregende Höhe von 21,1 Prozent im Jahr 2011. Darüber hinaus wird jetzt noch die Rente mit 67 ins Visier genommen. Das Argument: infolge der Rezession drohe die Arbeitslosigkeit zu steigen – um dem entgegenzuwirken sollen alte Arbeitnehmer Platz für junge machen.

Die Argumente von 2006 scheinen im Wahlkampf 2009 vergessen worden zu sein. Dabei lehrt die Erfahrung, dass die frühere Ausmusterung älterer Arbeitnehmer die Beschäftigungschancen der jüngeren nicht verbessert. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Höhere Sozialabgaben erhöhen die Arbeitskosten und veranlassen Unternehmen stärker als bisher, Jobs abzubauen. Die zukünftigen Beitrags- und Steuerzahler werden durch den demografischen Wandel ohnehin schon so stark belastet, wie keine Generation vor ihnen. Die frühzeitige „Ausmusterung“ älterer Arbeitnehmer war ökonomisch noch nie sinnvoll. Zukünftig wird es unbezahlbar sein.

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Renten-Tricks sehr teuer

Rentenbeitragssätze in verschiedenen SzenarienAm Freitag will die Bundesregierung ein Verbot von Rentenkürzungen durchsetzen. ÖkonomenBlog-Autor und Rentenexperte Bernd Raffelhüschen hatte dies bereits als Verstoß gegen den Gleichbehand- lungsgrundsatz kritisiert. Nun hat er die Kosten berechnet: Das Tricksen an der Rentenformel kostet Milliarden – und belastet Beitrags- und Steuerzahler.

Auf den ersten Blick ist es doch eine feine Sache: Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, sollen nicht auch noch die Rentenempfänger darunter leiden. Aber bereits auf den zweiten Blick geht diese Rechnung nicht auf. Wenn die Menschen auf Grund der Wirtschaftskrise in diesem Jahr weniger Einkommen erwirtschaften, kann man die Rentenempfänger nicht gänzlich schonen. Es sei denn, man nimmt gigantische Kosten in kauf – und stellt diese den Erwerbstätigen zusätzlich in Rechnung.

Das Rentenkürzungs-Verbot, das der Bundestag am Freitag beschließen soll, wird voraussichtlich 46 Milliarden Euro kosten. So wird die Kostenlawine, die auf Steuer- und Beitragszahler zurollt, immer größer. Bereits durch das Aussetzen der „Riestertreppe“ in 2008 und 2009 sowie durch das Aussetzen von Rentendämpfungen in 2005 und 2006 entstehen Mehrausgaben von 27 Milliarden Euro. Die drei Renten-Tricks kosten zusammen 73 Milliarden Euro.

Bis ins Jahr 2021 (im Falle eines pessimistischeren Wirtschaftsszenarios sogar bis zum Jahr 2027) müsste diese Kostenlawine bei Verabschiedung des Rentenkürzungsgesetzes abgebaut werden. Bis dahin können mögliche Rentensteigerungen nur deutlich gedämpft bei den Rentnern ankommen. Aber auch die Beitragszahler werden nicht ungeschoren davon kommen. Denn bereits im nächsten Jahr wird die Mindestrücklage der Rentenversicherung ihre Untergrenze unterschreiten. Dann wird es zwangsläufig zu einer Anhebung der Beitragssätze kommen. Bereits im nächsten Jahr rechne ich mit einem Fehlbetrag, der zu einer Erhöhung des Beitragssatzes von 19,9 auf 20,2 Prozent führt. Im Jahr 2011 wird sogar eine Erhöhung auf 21,1 Prozent notwendig sein.

Im ÖkonomenBlog hatte ich bereits am 5. Mai geschrieben: „Dieses Gesetzesvorhaben ist aus rentensystematischer Sicht schlichter Unfug und zugleich eine eklatante Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. (…) Die Zeche wird immer gezahlt nur meistens von den anderen! Sollte die große Koalition aufgrund des herrschenden Wahlkampfes ein Gesetz zur Garantie von Nominalrenten auf den Weg bringen und zugleich die notwendigen Beitragserhöhungen auf später verschieben, so sind die intergenerativen Umverteilungen eindeutig: Bezahlen wird die Zeche der zukünftige Beitragszahler – und damit verhalten wir uns wieder einmal als Zechpreller zu Lasten unserer Kinder und Enkel!“ Angesichts der nun konkret errechneten Folgekosten, kann ich diese Aussagen nur nochmals eindringlich unterstreichen.

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Von oben nach unten

Umverteilung von oben nach unten

In Deutschland hält sich hartnäckig das Vorurteil, dass es zu keiner Umverteilung von oben nach unten käme, sondern vielmehr die Mittelschicht die Hauptlast an der Finanzierung des Staates zu tragen habe. In Wahrheit ist jedoch das Gegenteil der Fall. Denn tatsächlich werden in Deutschland die oberen Einkommen weitaus stärker belastet als die unteren. Dafür sorgt nicht zuletzt das progressive Steuersystem. Im Jahr 2007 trugen die oberen 5 Prozent der Steuerpflichtigen 40 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens. Die oberen 50 Prozent sorgten fast für das gesamte Einkommensteueraufkommen. Geringverdiener und Mittelschicht sind also nicht die Zahlmeister der Nation. Das Hauptproblem des deutschen Sozial- und Umverteilungssystems sind aber die hohen Kosten, die es verursacht. Insbesondere der Faktor Arbeit ist hierzulande hoch belastet. So machen die Einkommensteuer und die gemeinsam von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanzierten Sozialversicherungsbeiträge bei einem Alleinstehenden mit Durchschnittsverdienst mehr als die Hälfte der Arbeitskosten aus – die Abzüge sind also höher als das frei verfügbare Nettoeinkommen.


Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird. Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite http://www.wohlstandsbilanz-deutschland.de/

Steuern und FinanzenTagged , , 3 Kommentare zu Soziale Unsicherheit statt Absicherung

Soziale Unsicherheit statt Absicherung

Anteil der oberen 30 Prozent der Einkommensbezieher am Gesamtaufkommen

Im Bundestagswahlkampf haben Ideen, wie die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme neu geordnet werden könnten, Hochkonjunktur. Dabei greifen die Protagonisten auf alt bewährte Argumente zurück. Die Gutverdiener würden sich der Solidargemeinschaft entziehen, heißt es. Im Gesundheitswesen ist Deutschland allerdings bereits mit großen Schritten auf dem Weg in die Einheitskasse. Erklärtes politisches Ziel ist es, den Privatversicherungen den Garaus zu machen. Ist es Ziel, ein System zur Absicherung individueller Risiken zu optimieren, sollte den Marktteilnehmern mehr Freiraum eingeräumt werden, statt sie zu beschränken. Staatlicher Interventionismus in Richtung einer Einheitskasse wird zu einem Mehr an sozialer Unsicherheit und zu einem Qualitätsverfall im – zumindest gesetzlichen – Gesundheitswesen führen.

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Arbeitsmarkt, Bildung, Europa, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , 2 Kommentare zu Ist Deutschland unsozial?

Ist Deutschland unsozial?

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„Die soziale Gerechtigkeit in Deutschland ist nur mäßig entwickelt.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie unter dem Titel „Wie sozial ist Europa?“. Unter den 27 europäischen Ländern nimmt Deutschland danach lediglich den Rang 19 ein. Diese Platzierung ist scheinbar Wasser auf die Mühlen derjenigen, die einen Sozialabbau beklagen und mehr Umverteilung vom Staat fordern.

Blickt man näher in die Studie, zeigen sich jedoch interessante Details: So landet Deutschland bei der sozialen Absicherung auf Platz sechs unter 19 europäischen Ländern (wobei die soziale Unterstützung in Europa generell als hoch einstuft wird). Die gleiche gute Platzierung – diesmal sogar unter allen 27 Ländern der EU – erreicht Deutschland bei den Gesamtausgaben für den Sozialschutz. In der Dimension „Einkommensverteilung und soziale Absicherung“ insgesamt kommt die Bundesrepublik so immerhin auf einen Platz im vorderen Mittelfeld. All dies sind nicht gerade Belege für einen unterfinanzierten Sozialstaat.

Die Schwachpunkte liegen dagegen beim Generationenverhältnis – dies wird auch durch den sehr schlechten Wert des vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln errechneten Demografieindex bestätigt –, in Teilbereichen des Arbeitsmarkts und bei den Bildungschancen. So ist hierzulande die Schulleistung sehr stark vom Status sowie vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern abhängig, wobei es Schüler mit Migrationshintergrund hierzulande besonders schwer haben. Die Langzeitarbeitslosenquote ist trotz deutlichen Rückgangs noch immer sehr hoch und gerade Niedrigqualifizierte sind in Deutschland besonders häufig auf Jobsuche.

Das Hauptproblem des deutschen Sozialstaats besteht also darin, die Teilnahmechancen für alle im Bildungswesen und am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Hier wäre beispielsweise der Ausbau einer qualifizierten frühkindlichen Bildung ein wichtiger Ansatzpunkt. Den gerade von Sozialpolitikern oftmals verteufelten Hartz-Gesetzen stellen die Autoren der berlinpolis-Studie dagegen ein gutes Zeugnis aus, indem sie die-se als einen Grund für die Verbesserung Deutschlands im Sozialranking sehen.

Arbeitsmarkt, Europa, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , 5 Kommentare zu Noch immer Spitzenreiter

Noch immer Spitzenreiter

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Deutschland gehört noch immer zu der Spitzengruppe der teuersten Staaten, zumindest was die Steuer- und Abgabenbelastung angeht. Das hat die neue OECD-Studie wiederholt eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Das ist seit Jahren so: Selbst einem Durchschnittsverdiener knöpft der Staat über die Hälfte seines erwirtschafteten Einkommens ab. Das halten viele Bürger für nicht fair – zu Recht wie ich meine.

Apropos fair: Die Studie vermittelt den Eindruck, Spitzen- und Alleinverdiener würden im deutschen Steuer- und Sozialsystem ungerechtfertigt übervorteilt. Das stimmt aber nicht. Wer kritisiert, dass Doppelverdiener im Vergleich zum Alleinverdienerhaushalt zweimal Sozialabgaben entrichten müssen, verschweigt, dass dem zum Beispiel bei der Rente auch zwei Zahlungen gegenüberstehen. Wenn man will, kann man das Gutachten so verstehen, dass Menschen mit hohem Einkommen weniger Abgaben zahlen als Geringverdiener. Das stimmt ebenfalls nicht. Die Beitragsbemessungsgrenze führt lediglich dazu, dass der Anteil der Abgaben am Einkommen wieder sinkt. Absolut zahlen die Einkommensstärksten auch die höchsten Beiträge. Unberücksichtigt bleibt zudem die Leistungsseite. Denn mit den Beitragsbemessungsgrenzen werden ja auch die sozialen Leistungen nach oben gedeckelt. Jemand, der über 64.800 Euro im Jahr verdient, zahlt nur bis zu diesem Betrag seine Arbeitslosen- und Rentenbeiträge. Was soll daran unfair sein? Immerhin erhält diese Person auch nur für diesen Betrag Unterstützung, wenn sie arbeitslos wird oder in Rente geht.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , 4 Kommentare zu Beitragssenkung nicht in Sicht

Beitragssenkung nicht in Sicht

Die Armut bei Familien mit Kindern ist deutlich höher als die Armut bei Rentnern.
Nach bisherigem Recht wären Rentenkürzungen im kommenden Jahr nicht zu vermeiden. Entwickelt sich die Wirtschaft in diesem Jahr so katastrophal, wie befürchtet, müssen die Erwerbstätigen in Deutschland mit massiven Gehaltseinbußen rechnen. Und weil die Renten an das Niveau der Löhne gekoppelt sind, müssen auch die Rentner mit Kürzungen zurechtkommen. Eine solche Situation hat es in der Geschichte der Bundesrepublik zwar noch nie gegeben, doch befinden wir uns auch in der mit Abstand schärfsten Rezession seit Kriegsende.

Am vergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett nun aber beschlossen, dass Rentenkürzungen gesetzlich verhindert werden sollen und damit die Büchse der Pandora geöffnet. Durch diesen Schritt wird erstmals der Lohnbezug der Rentenanpassung außer Kraft gesetzt. Zwar ist offiziell geplant, dass zum Ausgleich die Renten in Zukunft langsamer steigen sollen, doch ist diese Ankündigung völlig unglaubwürdig. Ein Blick in die Rentenpolitik der jüngeren Vergangenheit belegt, warum.

Schon in den Jahren 2005 und 2006 wurde ein Sinken der Renten durch eine Schutzklausel verhindert. Allein hieraus ergibt sich eine nachzuholende Rentenkürzung von 1,75%. Bis diese Kürzung nachgeholt wird, ergeben sich jährliche Mehrausgaben von 4 Mrd. Euro. Anstatt bei guter wirtschaftlicher Lage die Kürzung einzuleiten, hat dann die große Koalition im Mai 2008 noch eins draufgelegt und den wahlstrategisch wichtigen Ruheständlern außerplanmäßige Rentenerhöhung für 2008 und 2009 von insgesamt 1,3% gewährt.

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Impulse für mehr Chancengleichheit

Wohnraum: Hoher Standard

Der Sozialstaat hat zwei Aufgaben: Chancengleichheit für alle. Und soziale Mindestsicherung für Bedürftige. Beides ist nur möglich, wenn die Ressourcen dafür erwirtschaftet und Leistung belohnt wird. Wenn den Tüchtigen zu viel genommen und den Bedürftigen zu viel gegeben wird, müssen sich am Ende beide mit weniger Wohlstand zufrieden geben. Mehr Wohlstand für alle kommt aber nur durch Motivation zustande – durch die Bereitschaft, die Lebenssituation zu ändern und zu bessern. Hier muss der Sozialstaat aufpassen, nicht die falschen Anreize zu setzen. Asylbewerber beispielsweise dürfen in Deutschland nicht arbeiten, selbst wenn sie es wollten. Für Arbeitslosengeld II-Empfänger lohnt es sich kaum, das Transfereinkommen durch eigene Arbeit aufzubessern: Von 100 verdienten Euro bleiben gerade einmal 20 Euro übrig. Falsche Anreize auch bei der Erstattung der Wohnkosten. Die Betroffenen haben keinen finanziellen Anlass, Miet- und  Energiekosten zu sparen, da die Wohnkosten bis zu einer bestimmten Grenze ohnehin vom Staat voll getragen werden. Anstatt der Wohnkostenübernahme sollten die Leistungsempfänger die Freiheit erhalten, gesparte Wohnkosten in Bildung zu investieren. Freiheit und Verantwortung – das sind Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Und die Vorraussetzung für Chancengleichheit.


Zur Grafik: 60 bzw. 70 Prozent aller Hartz IV-Empfänger verfügen über einen hohen Standard: Alleinstehende über 45 bis 50 Quadratmeter Wohnraum, eine vierköpfige Familie über 85 bis 90 Quadratmeter.

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Falsche Anreize

Zahl der Altersteilzeitstellen in Deutschland steigt.

Absurd: In Zeiten des Fachkräftemangels setzt der Staat finanzielle Anreize zum Ausstieg aus Arbeit. Beispiel Altersteilzeit: Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt mit 1,4 Milliarden Euro jene Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer frühzeitig in Rente schicken – und das auf Kosten aller Beitragszahler. Zusammen genommen gibt der Staat über 6 Milliarden Euro aus, um den vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben zu subventionieren. Dazu gehört auch die im Jahr 2008 wieder verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für über 55-Jährige – diese Regelung kostet über zwei Milliarden Euro. Geld, mit dem die Wirtschaftsleistung unserer Volkswirtschaft gezielt ausgebremst wird. Von den Fehlanreizen des Staates profitierten über 400.000 Personen, die durch Vorruhestand leider nicht mehr zur Wertschöpfung beitragen. Das IW Köln hat jetzt ausgerechnet: Wäre hiervon bloß jeder Fünfte im Job geblieben, hätte das Bruttoinlandsprodukt 2007 um fast ein halbes Prozent höher gelegen. Wohlstand kann man eben nur durch Arbeit erwirtschaften – und nicht durch einen frühzeitigen Ausstieg.


Zur Grafik: Die Zahl der Altersteilzeitstellen in Deutschland stieg im Jahr 2007 auf über 400.000 Personen an. Davon wird gut ein Viertel von der Bundesagentur für Arbeit subventioniert.

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Sozialstaat: Besser als sein Ruf

Die staatliche Umverteilung funktioniert besser, als viele denken.

Die Meinung, dass der Staat stärker zwischen Arm und Reich ausgleichen müsste, ist in der Öffentlichkeit weit verbreitet. Richtig ist jedoch, dass in Deutschland bereits eine massive Umverteilung von „oben“ nach „unten“ stattfindet. Dies zeigt eine aktuelle Studie des IW Köln. Diejenigen 30 Prozent der Bundesbürger, die das niedrigste Einkommen beziehen, erhielten 2003 per Saldo jeden Monat 900 Euro mehr staatliche Transferleistungen, als sie selbst in Form von Steuern und Sozialabgaben an den Staat abführen. Dagegen zahlten die am besten verdienenden 10 Prozent per Saldo etwa 2.300 Euro mehr in die öffentlichen Kassen ein, als sie herausbekommen. Aber nicht nur die Topverdiener werden in die Pflicht genommen. Auch Arbeitnehmer mit einem durchschnittlichen Verdienst von 1.500 Euro brutto leisten ihren Beitrag für das Gemeinwesen: Die prozentuale Belastung der Mittelschicht ist anfangs zwar recht niedrig, wächst allerdings spürbar mit steigendem Einkommen. Der Sozialstaat ist offensichtlich effektiver als sein Ruf. Mittelschicht und Gutverdiener heben mit ihren Beiträgen das Wohlstandsniveau der unteren Einkommensbezieher spürbar an.


Bildnachweis: Die vier Gruppen mit den niedrigsten Einkommen erhalten im Saldo Transferzahlungen (blau). Finanziert wird dies von den sechs Gruppen mit höheren Einkommen (rot). Beispiel: Die erste Gruppe mit dem niedrigsten Einkommen (ganz links) erhält im Saldo jeden Monat 907 Euro mehr staatliche Transferleistungen, als sie selbst in Form von Steuern und Sozialabgaben an den Staat abgibt.

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Spielraum ist vorhanden

Kosten einer Blinddarmentzündung

Auf und nieder, immer wieder. So könnte man die Debatte der politischen Akteure über die Höhe der Krankenkassenbeiträge zusammenfassen. Im Ergebnis wurden die Beiträge vor neun Tagen aber erst einmal auf den historischen Höchststand von 15,5 Prozent angehoben. Jetzt diskutiert die Große Koalition wieder über eine Senkung – finanziert über Steuern oder höhere Schulden. Nicht berücksichtigt wird bisher, dass im bestehenden System erhebliche Effizienzreserven schlummern. Das Einsparvolumen liegt zwischen 5,6 und 9,8 Milliarden Euro; Potential für eine Beitragssatzsenkung von bis zu einem Prozentpunkt. Effizienzreserven sind Folge des mangelnden Wettbewerbs im Verhältnis der Kassen zu den Leistungserbringern. Das zeigt sich in überhöhten Preisen und zu hohen Fallzahlen bei Leistungen der Krankenhäuser und Arztpraxen, Überkapazitäten bei Krankenhäusern und überzogenen Handelsmargen bei Arzneimitteln. Ein Vergleich zeigt: Es gibt Bundesländer, die erbringen die selben Leistungen erheblich günstiger als andere. So wird von den Kassen die Behandlung einer Blinddarm-Entzündung in Rheinland-Pfalz um 10 Prozent höher erstattet als in Schleswig-Holstein. Andererseits gibt es Bundesländer, in denen die Bürger auffällig häufig ein Krankenhaus aufsuchen – beispielsweise im Saarland um 13 Prozent häufiger als im Bundesdurchschnitt. Das gesetzlich vorgeschriebene gemeinsame und einheitliche Handeln der Kassen verhindert einen Preiswettwerb. Mit mehr Preiswettbewerb und einem besseren Vertragsmanagement könnten die Kassen in den Bereichen Krankenhäuser, Arztpraxen und Apotheken die ermittelten Effizienzreserven einsparen und so den Spielraum für eine nachhaltige Senkung der Beiträge schaffen.


Zur Grafik: In Schleswig-Holstein wird die Behandlung einer Blinddarmentzündung im Krankenhaus mit 2.330 Euro vergütet – das günstigste Bundesland im Ländervergleich. Ein Krankenhaus in Rheinland-Pfalz kann für die selbe Leistung hingehen 2.569 Euro abrechnen. Nach den Berechnungen der Studienautoren müssten sich die teuren Länder mindestens am Bundesdurchschnitt orientieren.