Soziale Marktwirtschaft

Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 11 Kommentare zu Starke Bürger statt starker Staat

Starke Bürger statt starker Staat

Lange wurde in der globalen Finanzwelt wie in der gesellschaftspolitischen Debatte verdrängt, dass unsere Marktwirtschaft immer stärker zur Pumpwirtschaft degeneriert ist. Vor allem in den entwickelten Industriestaaten hat sich über viele Jahrzehnte ein System etabliert, das sich selbst in konjunkturellen Wachstumsphasen nur zu gern der Droge Kreditaufnahme bediente. Sparen wurde zum Fremdwort in der Politik und euphemistisch umdefiniert in „Reduzierung der Nettokreditaufnahme“. Die Folgen sind heute überall zu besichtigen: Mit Krediten wird nicht vorrangig in die Wertschöpfung der Zukunft investiert, also in erstklassige Bildung und die Substanzerhaltung und den Ausbau der Infrastruktur. Kredite werden vor allem dafür gebraucht, um die Zinsen für die hohe Staatsschuld begleichen zu können. Und mit Krediten werden auch zunehmend sozialstaatliche Leistungen bezahlt.

Machen wir uns nichts vor: Längst überfällig ist eine öffentliche Debatte darüber, wie wir die Ansprüche an den „starken Staat“, den sich derzeit so viele zurückwünschen, zurückschrauben können. Denn ein starker Staat macht in Wahrheit die Bürger arm, weil seine Stärke auf tönernen, weil kreditfinanzierten Füßen steht. Dieser starke Staat wird den Bürgern immer höhere Preise in Gestalt von Steuern und Abgaben abverlangen. Er wird aber gleichzeitig auch ihre Ersparnisse durch die Inkaufnahme von hoher Geldentwertung enteignen. Die Antwort auf die globale Malaise liegt für mich in einer Wiederentdeckung des starken Bürgers. Eines Bürgers, der sich nicht hilflos dem vermeintlich „starken Staat“ ausliefert, sondern in Familie und Gesellschaft Gemeinsinn lebt. Der nicht Untertan ist, sondern sich seiner persönlichen Verantwortung selbstbewusst und in Würde stellt, weil er weiß, dass unser Gemeinwesen ansonsten kollabieren muss.

Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 6 Kommentare zu Subventionen sind Pest und Cholera

Subventionen sind Pest und Cholera

Subventionsabbau nach der Rasenmähermethode ermöglichen in fünf Jahren ein neues Gestaltungspotential von 175 Mrd. Euro.
Privilegien, Sonderregeln, Ausnahmen: So läuft`s im Subventionsland Deutschland. Immer mehr Finanzhilfen und Steuervergünstigungen kommen hinzu. So wie die Staatsschulden in den Himmel wachsen, steigt auch das Subventionsvolumen. 2010 – das Rekordjahr mit 164 Milliarden Euro.

Warum tun wir uns das an? Warum bekommen einige spezielle Branchen spezielle Fördergelder vom Staat? Warum müssen alle Steuerzahler als Gegenleistung dem Fiskus die Portokasse füllen? Ökonomen haben dafür wenig Antworten – es sei denn, man wolle die Politik verstehen, die sich von Wahltermin zu Wahltermin etwas Neues einfallen lässt: neue und teurere Projekte. Schmackhaftes Futter für die Wahlkampagne.

Die meisten Ökonomen sagen aber: Steuervergünstigungen und Finanzhilfen sind Gift. Pest und Cholera. Während einige ausgewählte Gruppen profitieren, einzelne Güter künstlich verbilligt werden, müssen alle dafür zahlen. Das ist nicht nur ungerecht. Das schadet auch dem Wohlstand insgesamt. Denn: Strukturwandel wird ausgebremst, Arbeit und Kapital teilweise ineffizient verbraucht. Das Realeinkommen der Bürger und die Beschäftigung sind niedriger, als sie sein könnten.

Die Soziale Marktwirtschaft kann und sollte auf Subventionen verzichten. Das wird den einen oder anderen hart treffen, wenn finanzielle Privilegien auslaufen. Insgesamt werden aber alle profitieren. Nehmen wir an, Bund und Länder kürzen nur ein Drittel aller Subventionen – Schritt für Schritt in fünf Jahren. Ein realistisches Szenario. Was bekommen wir dafür? Bis 2016 sage und schreibe 175 Mrd. Euro neues Gestaltungspotential. Viel Geld, das sinnvoll eingesetzt werden kann: für den Abbau der Staatsverschuldung und ebenso für eine Rückführung der hohen Steuer- und Abgabenlast. Dafür lohnt es sich einzutreten.


Zusammenfassung der Studie „Subventionsabbau in Deutschland“, Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW), 2011 (PDF-Download)

Steuern und FinanzenTagged , , , , , 15 Kommentare zu Mit Entstaatlichung schneller ans Ziel

Mit Entstaatlichung schneller ans Ziel

Zwei Drittel des Benzinpreises sind Steuern oder sonstige Abgaben. Mit einer Privatisierung der Straßen hätten KfZ, Mineralöl- und Ökosteuern keine Berechtigung mehr.

“Alle Jahre wieder kommt das Christuskind…” – vorausgesetzt es steht nicht im Stau. Angesichts kilometerlanger Schlangen auf den Autobahnen vor allem um die Weihnachtszeit fragt man sich, ob hier Ressourcen optimal genutzt werden. Durch Unfälle, Verspätungen und Baustellen entstehen hohe Kosten für die Volkswirtschaft. Grund genug für eine Optimierung des Straßennetzes. Straßen könnten von privaten Investoren effizient betrieben werden.

Autobahnen, Bundes-, Land- und kommunale Straßen sollten über Auktionen an private Betreiber übertragen werden. Unternehmen sollten die Verantwortung für Betrieb, Instandhaltung und Neubau der Straßennetze erhalten. Finanziert werden könnte der Betrieb durch Werbung, Sponsoren oder ein GPS basiertes Abrechnungssystem. Autofahrer müssten dann – wenn überhaupt – nur noch für die tatsächlich zurückgelegten Strecken bezahlen, eventuell je nach Tageszeit oder Verkehrsaufkommen zu unterschiedlichen Tarifen. So ließen sich Verkehrsströme effizient lenken. KfZ-, Öko- und Mineralölsteuer hätten keine Existenzberechtigung mehr. Das würde auch zu einem deutlich geringeren Benzinpreis führen.

Nur Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, werden ihren Kunden Verkehrsleistungen bieten, die sie auch brauchen. Innovationen wie eisfreie Autobahnen, getrennte LKW- oder automatisierte Hochgeschwindigkeitsstraßen sind dann nur noch technische Hürden gesetzt.


Die Langfassung dieses Beitrags ist in der Ausgabe 01/2011 des Magazins €uro erschienen.

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 7 Kommentare zu Was ist “Quantitative Easing”?

Was ist “Quantitative Easing”?

Für 600 Milliarden will der Chef der amerikanischen Notenbank Ben Bernanke noch einmal Wertpapiere kaufen. „Quantitative Easing“ lautet dafür der ökonomisch-technische Fachbegriff. Oder untechnisch ausgedrückt: “Die FED druckt Tonnen von Geld”, wie der dunkle Bär in einem YouTube Video richtig feststellt. Grund für die drastischen Markteingriffe sei die Angst der FED vor einer Deflation in Amerika. Doch die Bären zweifeln: Rohstoffpreise steigen und Lebensmittel werden teurer. Sogar Fahrkarten für die U-Bahn verteuern sich: „Das einzige was deflationiert ist die Glaubwürdigkeit der FED“ – das verstehen sogar Bären.


Lesen Sie weitere aktuelle Beiträge im ÖkonomenBlog zur Geldpolitik:
* Liquidität ohne Ende – Von Dr. Manfred Jäger-Ambrozewicz
* Schluss damit – Von Marc Feist

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 35 Kommentare zu Mit Mindestlohn in die Planwirtschaft

Mit Mindestlohn in die Planwirtschaft

Alle Jahre wieder werden auch Forderungen nach Mindestlöhnen von Seiten einzelner Unternehmen laut. 10 Euro für alle fordert Lidl. Lohndumping soll so verhindert werden. Warum eigentlich ausgerechnet 10 Euro? 20 Euro Stundenlohn wäre doch gerade vor Weihnachten für viele ein willkommenes Geschenk.

Man muss wissen: Grundsätzlich unterscheidet sich der Arbeitsmarkt nicht von einem Gütermarkt. Löhne bilden sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Übersteigt die Lohnforderung die Produktivität wird der Arbeitnehmer nicht eingestellt bzw. muss von seiner Forderung abrücken. So einfach ist das. Wird aber ein Mindestlohn vereinbart, übersteigt in vielen Fällen die Mindestzahlung die Produktivität. Der Arbeitnehmer wird nicht eingestellt. So verursachten Mindestlöhne Arbeitslosigkeit.

Wären die Mindestlohn-Befürworter konsequent, müssten sie sich auch für Mindestpreise aussprechen. Denn nur wenn ein planwirtschaftlich vereinbarter Mindestpreis an Produzenten bezahlt wird, können diese auch „ausreichend“ hohe Löhne zahlen. Was dabei allzu gerne übersehen wird: Die Kosten werden immer an den Verbraucher weitergegeben. Die Zeche zahlt so der Konsument.

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 2 Kommentare zu Euro-Bond: Prinzipieller Fehlanreiz

Euro-Bond: Prinzipieller Fehlanreiz

Deutschland, Portugal, Spanien und Italien brauchen im kommenden Jahr frisches Geld von den Kapitalmärkten. Irland und Griechenland können sich zinsgünstig aus dem Rettungstopf bedienen.
Es ist eine Binsenweisheit: Wer die Musik bestellt, muss die Kapelle bezahlen. Eine oft benannte Regel, die leider regelmäßig nicht beachtet wird.

Ein kurzer Rückblick: Die Finanzkrise war auch deshalb so schlimm, weil Investoren unvorsichtig Kredite vergaben und dabei hofften, dass zahlungsunfähigen Schuldnern von Dritten geholfen wird. So ist es zur Schuldenkrise in Griechenland gekommen, wo internationale Investoren viel zu lange Kredite mit viel zu niedrigen Zinsen vergeben haben. Die Investoren spekulierten auf die Solidarität und ignorierten die No-Bail-Out Klausel – und behielten Recht.

Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Schuldenkrise fordern jetzt einige Europäer Anleihen, für die alle Euroländer gemeinsam haften. Den Nutzen hätten die klammen Staaten und Verantwortung müssten ausgerechnet jene Länder übernehmen, die solide gewirtschaftet haben. Fehlanreize würden zum Prinzip erhoben und die Bedingungen für die Einführung des Euro auf den Kopf gestellt.

Zu Recht weist die Bundesregierung darauf hin, dass Länder mit souveräner Wirtschaftspolitik auch souverän genug sein müssen, ihre Schulden selbst zu verantworten. Denn Binsenweisheiten gelten auch für Staaten.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 6 Kommentare zu Amerikanisch sind wir geworden

Amerikanisch sind wir geworden

Deutschland hat bei der ökonomischen Aufholjagd nach der Krise die Nase vorn. Die Konjunktur brummt: Bei den Exporten wie auch beim privaten Verbrauch. Warum kann gerade die deutsche Volkswirtschaft die Krise so kraftvoll bewältigen?

Sicher profitieren wir jetzt von der internationalen Verflechtung unserer Industrie: zieht die Weltkonjunktur an, steigt auch der Umsatz der exportorientierten Unternehmen. Das alleine macht Deutschland aber noch nicht zur Wachstumslokomotive: Deutschland profitiert jetzt von seiner Veränderungsbereitschaft vergangener Jahre. Das Land des rigiden Flächentarifvertrags und der starren Ladenschlusszeiten gibt es nicht mehr. Der “Rheinische Kapitalismus” mit der Macht der Verbände hat Schritt für Schritt einer Marktwirtschaft (Marke: “Berliner Republik”) Platz gemacht. Dies ist letztlich die Folge zweier epochaler Ereignisse: der Deutschen Einheit und der Globalisierung.

In Ostdeutschland entstand nach der Wiedervereinigung eine moderne Industrie außerhalb des Tarifkorsetts – und wurde so auch zum Vorbild für viele Betriebe im Westen. Mit der günstigen Entwicklung der Lohnstückkosten stieg auch die globale Wettbewerbsfähigkeit beider Landeshälften spürbar an. Mit der Leiharbeit wurden die rigiden Vorschriften des Kündigungsschutzes umschifft. Kurz gesagt: Deutschland rückte ein Stück näher an Amerika, und zwar genau dort, wo es besonders nötig war: in der marktwirtschaftlichen Flexibilität. All dies geschah nicht ohne Protest. Aber es geschah. Und heute profitieren wir davon.


* Ursprung dieses Blogbeitrages ist ein Namensartikel im Handelsblatt – diesen können Sie hier nachlesen.
* Eine Rezension zum Buch „Wachstum“ von Karl-Heinz Paqué finde Sie hier.

Finanzmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 4 Kommentare zu EnBW Verstaatlichung: Der Kunde verliert

EnBW Verstaatlichung: Der Kunde verliert

EnBW ist zurück in Staatshand. 45,01 Prozent übernimmt das Land Baden-Württemberg.

Baden-Württemberg ist zurück im Stromgeschäft. Für 4,67 Milliarden kauft das Land 45,01 Prozent der Aktien des Energiekonzerns EnBw vom französischen Stromanbieter EDF. Aus Sicht der Verbraucher, ein schlechter Deal.

Die ordnungspolitischen Implikationen liegen auf der Hand. Profitinteressen der Eigentümer werden nun noch stärker mit politischen Interessen vermengt. Heißt: Bei allen energiepolitischen Entscheidungen wird die Frage gestellt, in wie weit die Profitabilität von EnBW beeinflusst wird. Die Interessen der Verbraucher drohen dabei unter den Tisch zu fallen.

Auf Bundesebene sehen wir diese Situation schon heute bei der Deutschen Bahn. Nach wie vor ist hier der Staat Eigentümer. Service und Produktqualität sind hinlänglich bekannt. Poltische Interessen verdrängen Verbraucherinteressen und gehen zu Lasten des Wettbewerbs. Die Kundenzufriedenheit bleibt auf der Strecke.

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , 8 Kommentare zu Liquidität ohne Ende?

Liquidität ohne Ende?

Um Banken und Staaten zu retten stellt die Europäische Zentralbank (EZB) Liquidität in unbegrenztem Umfang zur Verfügung. Das schürt Inflation.
Vielfältig sind die Rettungsmaßnahmen der EZB seit Ausbruch der Wirtschaftskrise und doch lassen sie sich mit einem Wort zusammenfassen: Liquidität! Zunächst versorgte die Notenbank die europäischen Banken mit selbiger indem sie ihnen günstige und im unbegrenztem Umfang Kredite zur Verfügung stellte. Der Zins dafür liegt momentan bei einem Prozent, mit der Konsequenz, dass auch die Zinsen auf dem Interbankenmarkt mit 0,7 Prozent einen Tiefstand erreicht haben. Darüber hinaus veranlasste die Wucht der Krise die EZB zu weiteren unkonventionellen Maßnahmen. Bereits ab Mitte 2009 kaufte die Notenbank Schuldverschreibungen, um die Volatilität zu reduzieren. Als dann die Griechenlandkrise losbrach, intervenierte sie auch auf dem Markt für staatliche Anleihen, in dem sie diese Papiere den Banken abkaufte. Für Investoren löst das ein Kaufsignal für staatliche Anleihen aus – denn diese können notfalls bei der Zentralbank wieder abgeladen werden. Indirekt unterstützt die EZB damit Verschulden der betroffenen Länder. Die Krux: Direkt ist ihr das aus gutem Grund verboten.

Möglicherweise ist der Aufkauf von Staatsanleihen in der Krise alternativlos. Dennoch: Keinesfalls darf dies ein Dauerzustand bleiben. Denn mittelfristig schürt das Inflation. Für die EZB wäre es ratsam, mittelfristig ein Ende der Zukäufe zu planen und ein Ausstiegsszenario klar zu signalisieren.

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 1 Kommentar zu Irland-Krise: Konsolidierung statt Bail-Out der Banken

Irland-Krise: Konsolidierung statt Bail-Out der Banken

Irland hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich seinen Haushalt konsolidiert. Nicht der Staat muss gerettet werden, sondern die irischen Banken

Nun ist es raus: Irland nimmt internationale Hilfen an. Rund 100 Milliarden werden beim IWF und dem europäischen Rettungsfonds EFSF beantragt. Nach der Griechenland-Rettung, also der zweite Bail-Out eines Mitgliedstaates der EU, und gleichzeitig der zweite Verstoß gegen den Vertrag von Lissabon.

Dabei ist fraglich, ob die Iren überhaupt Hilfe brauchen. Das irische BIP pro Kopf liegt 20 Prozent über dem deutschen. Die Schuldenquote liegt nach der Bankenrettung bei rund 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist zwar viel, aber beherrschbar. Zum Vergleich: Italien sitzt auf einem Schuldenberg von 118 Prozent, Griechenland hat 125 Prozent in Relation zum BIP und Japan sogar 226 Prozent. Im Gegensatz zu Griechenland haben die Iren schon einmal bewiesen, dass sie erfolgreich ihren Haushalt konsolidieren können. Sicherlich, die Renditen für irische Staatsanleihen laufen aus dem Ruder, doch bezahlen müssen sie diese Zinssätze erst, wenn neues Geld benötigt wird. Und das wird nach irischen Angaben erst im Sommer der Fall sein. Gelingt es bis dahin einen glaubhaften Konsolidierungskurs einzuschlagen, beruhigen sich auch die Märkte.

Wer die Hilfe gut gebrauchen kann, sind vermutlich die Banken. Sie haben es noch immer geschafft, die Steuerzahler über die Politik in Geiselhaft zu nehmen. Warum nicht auch dieses Mal. Der in der FAS am 21. November veröffentlichte Tip vom Kollegen Homburg, Aktien der Deutschen Bank zu kaufen, um wenigstens teilweise für das unfreiwillige Engagement zugunsten dieses Sektors kompensiert zu werden, ist sicherlich bedenkenswert, denn nun warten ja noch die Gläubiger Spaniens, Portugals und anderer darauf, ihre Engagement risikofrei zu gestalten. Frage an die Bundesregierung: Ist das wirklich alternativlos?

Arbeitsmarkt, Buchkritik, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , 12 Kommentare zu Mehr Staat ist kein Allheilmittel

Mehr Staat ist kein Allheilmittel

Heiner Flassbeck: Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, München 2010.

Rezension: Heiner Flassbeck: Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts, München 2010

Eine Marktwirtschaft fürs 21. Jahrhundert zu entwerfen, damit hat Flassbeck sich wahrlich ein großes Ziel gesteckt. Man kann dem Autor nur Recht geben, die Weltwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Und Flassbeck ist gewillt, zu allen drängenden ökonomischen, sozialen und ökologischen Fragen unserer Zeit kritisch Stellung zu nehmen. Soweit so gut. Leider entpuppt sich die dann dargebotene vermeintlich neue Idee als ein Rückgriff in die keynesianischen Werkzeugkiste der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts: Permanente staatliche Einwirkung auf den wirtschaftlichen Verlauf – kurz Globalsteuerung. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ohne staatliche Hilfsmaßnahmen wäre die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Großen Depression mit größter anzunehmender Wahrscheinlichkeit weitaus weniger „glimpflich“ abgelaufen.

Zur Wahrheit gehört aber ebenso, dass der Staat vorher tatkräftig an dem Zustandekommen dieser Krise mitgewirkt hat. Erst durch die unsolide Haushaltsführung konnten Staaten zum Objekt von Spekulanten werden. Auch ist die „Schuldenkrise“ nicht das primäre Ergebnis von Spekulation oder mit den Worten des Autors: „Weil der Staat glaubte, für die Zocker an den Finanzmärkten einstehen zu müssen, …“. Der überwiegende Teil dieser Schulden stammt aus der Vorkrisenzeit. In Deutschland immerhin rund 1,5 Billionen Euro. Vor diesem Hintergrund erscheint der den Autor so irritierende Beschluss der Großen Koalition, gerade inmitten dieser großen Krise eine Schuldenbremse einzuführen, nicht abwegig, sondern konsequent. Geht es hier doch nicht darum, dem Staat den nötigen Handlungsspielraum für Notsituationen zu nehmen. Ganz im Gegenteil durch die Verpflichtung zu einer soliden Haushaltsführung in „Normalzeiten“ soll dieser eben erst geschaffen werden. Denn gegenwärtig ist Deutschland mit einer sich in diesem Jahr auf 60 Milliarden Euro belaufenden Belastung für Zinszahlungen für die nächste Krise denkbar schlecht vorbereitet.

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Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , 4 Kommentare zu Die neue Ordnung

Die neue Ordnung

Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, Klärung europäischer Währungsfragen, Gestaltung der Finanzmarktordnung – so lauten die anstehenden Herausforderungen nach der Wirtschafts- und Finanzkrise. Kurz: Es geht um nichts weniger als die Erneuerung unserer Wirtschaftsordnung.

Die Notwendigkeit der Konsolidierung wird von kaum jemand bestritten. Doch allgemein wird der Eindruck erweckt, es gehe dabei um Aufräumarbeiten nach der Krise. Das ist zwar nicht falsch, verdeckt aber die eigentliche Bedeutung des Konsolidierungskurses. Der Schuldenberg ist das Ergebnis jahrelanger aktiver staatlichen Konjunktursteuerung al là Keynes. Der Beschluss der Schuldenbremse war, die gebotene Ergänzung zur Krisenpolitik. Der nun eingeschlagene Konsolidierungskurs ist kein temporäres Ziel, um dafür wieder Handlungsspielraum zu schaffen, sondern läutet eine neue Periode ein, die frei von staatlicher Nachfragepolitik ist. Das haben auch andere europäische Staaten erkannt. Der Griechenland-Schock hat gesessen.

Dennoch bleibt die Währungsunion durch finanzpolitische Leichtfertigkeit gefährdet. Die Anreize dafür müssen auf europäischer Ebene geschwächt werden. Dahingehend sind die Beschlüsse des Europäischen Rates ein Fortschritt. Die Einbindung der Gläubiger und des IWF sollte die Staaten disziplinieren.

Dies gilt auch für die Re-Regulierung der Finanzmärkte. Die Liste der Neuerungen kann sich sehen lassen: vom Selbstbehalt bei Verbriefungen über Beaufsichtigung der Ratingagenturen bis hin zu neuen Eigenkapitalforderungen (Basel III). Doch das alles hilft wenig, wenn man vergisst, den Schiedsrichter auszubilden. Die Fusion der Bundesbank mit der BaFin ist der falsche Weg und schadet am Ende der Bundesbank. Ein unabhängiger Schiedsrichter nach dem Vorbild des Kartellamts wäre die Lösung.


Die Langfassung dieses Beitrags ist am 15.11.2010 in der WELT erschienen

Arbeitsmarkt, Buchkritik, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , , , , , , , , , , 1 Kommentar zu Der Unbiegsame

Der Unbiegsame

Steinbrück Unterm Strich 1

Buchkritik: Peer Steinbrück: Unterm Strich, Hamburg 2010

Steinbrückfans sollten es lesen; diejenigen, die mehr über die Geschehnisse der Finanzkrise wissen wollen, auch; Anhänger zum Beispiel der amerikanischen Tea-Party-Bewegung lieber nicht.

Die gute Nachricht vorweg: Peer Steinbrück hat das Buch tatsächlich selbst geschrieben. Wort für Wort – und nicht wie Menschen seines Genres üblicherweise von einem Ghostwriter schreiben lassen. Steinbrück schreibt klar, gestochen, so scharf wie er denkt und manchmal so spitz wie das „s“, dass ihm beizeiten über seinen norddeutschen Lippen springt. Insofern – Kompliment an diesen Autor. Sein „Unterm Strich“ soll weder ein Erinnerungsbuch mit autobiographischen Zügen sein, noch den Anspruch auf Wahrheit erfüllen. „Nur ein Idiot glaubt, dass er über sich die Wahrheit schreiben kann“, zitiert Steinbrück den Schriftsteller Eric Ambler.

Nun ja, was ist schon Wahrheit? Bringt es den Leser auf die Spur der Wahrheit, wenn ihm subjektiv gefärbte An- und Einsichten eines ehemaligen Finanzministers präsentiert werden, der es sich durchaus nicht nehmen lässt, den ehemaligen Kollegen rechts wie links in gedruckter Form kleine, unauffällige Tritte zu verpassen?

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Arbeitsmarkt, Bildung, Buchkritik, Europa, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , , , , , , , , , , , , , , 12 Kommentare zu Plädoyer für Wachstum

Plädoyer für Wachstum

Paque

Rezension: Karl-Heinz Paqué: Wachstum! Die Zukunft des globalen Kapitalismus, München 2010

Kritik am Wirtschaftswachstum ist nichts Neues. Neu ist aber, dass die Diskussion über die Notwendigkeit von Wachstum nicht mehr ein Phänomen des Feuilletons oder gesellschaftlicher Randgruppen darstellt. Längst zweifeln breite Teile der Bevölkerung, Politik und Wirtschaft, ob Wachstum die Lösung oder nicht vielmehr die Ursache für gegenwärtige und zukünftige Probleme ist. Bezeichnenderweise sinkt gleichzeitig die Zuversicht am gesellschaftlichen Fortschritt. In der Regel herrscht dabei eine eindimensionale Vorstellung darüber, was Wachstum ist: Eine fortwährende quantitative Steigerung – die Gier nach immer mehr. Zur Recht kritisiert der Autor „diese Vorstellung als grob irreführend. Tatsächlich verbindet sich mit dem Wachstum eine stete Veränderung der Produktionspalette und der Qualität der Erzeugnisse“.

Unerwähnt bleibt in der Regel auch, dass Wachstum aus Freiheit resultiert. Der unternehmerischen Freiheit selbst zu entscheiden, welche Produkte auf welchem Wege hergestellt und am Markt angeboten werden. Soll diese Freiheit tatsächlich staatlich beschnitten werden? Der Motor des Wachstums ist Wissen, transformiert in technischen Fortschritt. Insofern erscheint dem Autor die Forderung nach Verzicht auf Wachstum recht merkwürdig: „Sie bedeutet nämlich den Verzicht auf die Umsetzung von neuem Wissen in eine qualitativ bessere und vielfältigere Produktwelt, und zwar privatwirtschaftlich und gemeinnützig.“ Nicht alle werden mit einer staatlichen Wachstumsbeschränkung einverstanden sein. Wer einen Ausstieg aus dem Wachstumspfad fordert sollte sich deshalb der absehbaren Konsequenzen bewusst sein: „Eine drohende Massenabwanderung von Leistungsträgern“.

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Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , 18 Kommentare zu Rente mit 67 – Rentenkürzung ohne Alternative

Rente mit 67 – Rentenkürzung ohne Alternative

Anstieg der Lebenserwartung.

Bei der Debatte um die Rente mit 67 muss man sich über eines klar werden: Die enorme Steigerung der Lebenserwartung bedeutet nichts anderes als eine stetige implizite Rentensteigerung. Im Durchschnitt beziehen wir heute über 5 Jahre länger Rente als 1960. Damit das Verhältnis von Rentenbezugszeit zu Beitragszeit heute jenem von früher entspräche, müssten wir eigentlich schon heute bis 69 arbeiten. Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist somit die logische Folge und trägt zur dringend notwendigen Konsolidierung der GRV bei – und zwar unabhängig davon, ob die Menschen wirklich länger arbeiten.

Für den hypothetischen Fall, dass sich am Renteneintrittsalter absolut nichts ändert, müssen die betroffenen Kohorten die entsprechenden Rentenkürzungen in Kauf nehmen. Im anderen Extremfall, in dem alle zwei Jahre länger arbeiten, käme es zwar zu keinen Abschlägen, allerdings hätte sich die Beitragszeit verlängert und die Rentenbezugszeit verkürzt. Die Diskussion um die Einfrierung der Regelaltersgrenze mangels Beschäftigung ist absolut fehlgeleitet. Die dringend notwendige Rentenkürzung wird so oder so erreicht. Und die Probleme der Älteren auf dem Arbeitsmarkt kann und soll nicht die GRV lösen, sondern nur sinnvolle Arbeitsmarktpolitik.


Weitere Fakten zur Rente mit 67 finden Sie hier.