Weltwirtschaft

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 3 Kommentare zu Der Fehler beginnt beim CEO

Der Fehler beginnt beim CEO

Buchkritik: Hermann Simon, Die Wirtschaftstrends der Zukunft, Frankfurt Main 2011

„Glauben Sie nicht an Trends.” Das ist eigentlich der beste Satz, den Hermann Simon zum Ende seines Buches „Die Wirtschaftstrends der Zukunft“ dem Leser mit auf den Weg gibt. Zuvor müht er sich auf rund zweihundert Seiten zu erklären, was in Deutschlands Unternehmen in und was out ist. Sechs große so genannte Trends hat der Chef der Beratungsfirma Simon Kucher & Partners ausgemacht. Von Trends kann jedoch nicht wirklich die Rede sein – eher von grundsätzlichen Entwicklungen, die jedem bekannt sein dürften, der ab und an einen Blick in den Wirtschaftsteil von Zeitungen wirft.

Simon zählt auf: beschleunigte Globalisierung, stärkere Einflussnahme der Politik auf  die Wirtschaft, engere Verzahnung von Management und Kapital, tektonische Verschiebungen in der Produktwelt, nachhaltig verändertes Kundenverhalten und die totale Vernetzung.

Das ist nun wirklich nicht neu. Doch Simon war wohl nach dem unfassbaren Egomanentrip Tausender von selbsternannter Wirtschaftsgurus und Managern, die sich zu Recht als Mitschuldige der Finanzkrise verantwortlich zeigen mussten, nicht nach weiteren Spekulationen zumute. Ihm schwebte bei der Planung seines Werkes vermutlich eher ein Plädoyer für die Renaissance guten unternehmerischen Handelns vor. Wer sich also nach einem lesbaren Überblick über Zustand und zukünftige Entwicklung deutscher Managementschwächen und -stärken sehnt, liegt mit Simons Sachbuch nicht falsch.

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Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 5 Kommentare zu Die FED muss auf die Bremse treten

Die FED muss auf die Bremse treten

Schon seit Jahren importiert die USA mehr Waren als sie exportiert. Die Folge: Ein massives Handelsbilanzdefizit. 840 Milliarden Dollar betrug dieses 2008 – also im Jahr vor der Weltwirtschaftskrise. Dabei besteht das größte Ungleichgewicht im bilateralen Handel mit China. Der Wert der von den Amerikanern aus dem Reich der Mitte importierten Waren lag 2008 um 268 Milliarden Dollar über dem Wert der dorthin exportierten Güter. Von den USA ertönt seit Jahren der Vorwurf, dass die chinesische Regierung ihre Währung künstlich niedrig halte und sich auf diese Weise Wettbewerbsvorteile im Exportgeschäft verschaffe.

Ganz von der Hand zu  weisen, ist dieser Vorwurf sicherlich nicht. Und China hat im vergangenen Sommer auch schon darauf reagiert. Die Landeswährung wurde maßvoll aufgewertet. Allerdings hat dies die Preise für chinesische Exportprodukte kaum beeinflusst. Was nicht zuletzt mit der begrenzten Fertigungstiefe der Güter zusammenhängt, die oft unter Einsatz von importierten Vorleistungen hergestellt werden. Aber auch ohne diese chinesischen Billigprodukte ist das Handelsbilanzdefizit der USA immens.

Insofern kann man das amerikanische Handels- und Leistungsbilanzdefizit nicht allein den Ländern anlasten, die mit den USA Handel treiben. Ein wesentlicher Grund für das große Minus in der Bilanz und die entsprechenden Kapitalflüsse ist die seit Jahren praktizierte expansive Geld- und Fiskalpolitik der USA. Die niedrigen Leitzinsen führten dazu, dass vor allem der Wohnungsbau und der private Konsum erheblich stiegen, und zwar in solchem Ausmaß, dass ausländische Finanziers benötigt wurden. Amerika hat über seine Verhältnisse gelebt. Eine weniger expansive Geld- und Fiskalpolitik der USA dürften helfen, das Ungleichgewicht zu reduzieren.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , 6 Kommentare zu Der neue Homo Oeconomicus

Der neue Homo Oeconomicus

Buchkritik: Peter A. Wuffli: Liberale Ethik – Orientierungsversuch im Zeitalter der Globalisierung, Bern 2010

Auf den ersten Blick scheint es eine Art Rehabilitierungsversuch zu sein, den Peter Wuffli mit seinem Buch „Liberale Ethik“ wagt. Der Ex-Chef der Schweizer UBS gilt als einer der Hauptschuldigen des Debakels um die Großbank. Nur mit eidgenössischer Staatshilfe konnte sie vor dem Niedergang bewahrt werden. Dass man Wuffli dennoch sein ehrliches Bemühen um ein Buch mit dem Thema Ethik abnehmen darf, hat verschiedene Gründe.

Erstens: Anders als andere ehemalige Vorzeige-Manager sieht er durchaus Fehler, die gemacht hat. Zweitens: Die Leidenschaft für Ethik reicht weit in seine Studienzeit. Drittens: Die vor der Finanzkrise liegende Gründung seiner Elea Foundation for Ethics in Globalization, die Lebensbedingungen von Menschen in Gebieten mit zwei Dollar und weniger Tageseinkommen nachhaltig verbessern will, zeigt schon länger sein soziales Engagement.

In seinem Buch geht es darum, inwieweit sich unternehmerisches Denken und Führen mit Ethik verbinden lassen. Es geht um die ethische Verankerung des Menschen. So steht für Wuffli fest, dass Investoren Gewinnmaximierung nicht immer nur allein zum Ziel haben. Viele strebten aufgrund ethischer Überlegungen auch nach Renditen, die durch soziale und ökologische Rahmenbedingungen eingeschränkt sind. Der Autor plädiert, das traditionelle Bild des „homo oeconomicus“ zu relativieren und ist überzeugt, dass die Menschen neben ihrem Trachten nach ökonomischem Gewinn auch von anderen, nämlich altruistischen Motiven beeinflusst sind.

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Europa, Ordnungspolitik, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , , , , 7 Kommentare zu Ambitionierte Klimapolitik steigert CO2-Ausstoß

Ambitionierte Klimapolitik steigert CO2-Ausstoß

Allen Konferenzen, Verpflichtungen, Regelungen und Anstrengungen zum Trotz sind  die CO2-Emissionen seit 1990 weltweit um mehr als ein Fünftel gestiegen. Zudem geht beim Klimaschutz ein tiefer Riss durch die Industrienationen. Auf der einen Seite stehen Länder wie China und die USA – Die beiden größten Treibhausgas-Emittenten haben seit 1990 nicht nur deutlich mehr Klimagase ausgestoßen, sondern bleiben auch bezüglich künftiger Reduktionszusagen sehr vage.

Auf der anderen Seite stehen die 27 EU-Mitglied-Länder, die sich dazu verpflichtet haben, ihre Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu senken. Als besonders ambitioniert zeigt sich hier Deutschland mit seinem freiwilligen Reduktionsziel von 40 Prozent. Damit Lastet der größte Teil der europäischen Minderungsverpflichtungen auf den Schultern Deutschlands.

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Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , 8 Kommentare zu Steigende Preise gegen steigende Preise

Steigende Preise gegen steigende Preise

Bei jedem Anstieg der Preise für Rohstoffe das gleiche Ritual: Spekulanten werden reflexartig an den Pranger gestellt. Die Banker an der Wall Street und in Frankfurt würden Preisroulette auf Kosten der Armen spielen. Die gleichen Akteure also, die schon Griechenland angeblich fast in den Ruin getrieben hätten. Jüngst forderte neben dem französischen Premier Sarkozy auch die deutsche Verbraucherministerin ein „koordiniertes Verhalten gegen Spekulanten“.

Diese Schlussfolgerungen sind schlichtweg falsch: Denn Spekulanten handeln nicht mit Weizen, Reis oder Soja, sondern mit Bezugsrechten oder Abnahmeverpflichtungen zukünftiger Bestände. Sie verändern weder Angebots- noch Nachfragemengen physischer Güter. Wenn Spekulanten überhaupt die Preise treiben, dann nur in der Spitze der Preisausschläge. Ursächlich hierfür sind Akteure, die sich ohne eigene Informationen sich der „Herde“ anschließen. Die Verantwortung der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken in diesem Zusammenhang lässt sich aber kaum leugnen.

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Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 7 Kommentare zu Sparpotential gibt’s genug!

Sparpotential gibt’s genug!

Die Wirtschaft wächst, und das Steueraufkommen steigt. Gleichzeitig hat der Bund die Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung erkannt und mit dem „Sparpaket“ den ersten Schritt gemacht, den Haushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Und dennoch: Deutschland ist noch immer nicht über dem Schuldenberg.

Die öffentlichen Schulden haben Ende 2010 die 80 Prozent Marke im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt überschritten. Die impliziten Schulden sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. Zwar steigt das Steueraufkommen, aber das Niveau von 2008 wird wohl erst im Jahr 2012 erreicht werden. Die staatlichen Ausgaben dürften dann aber um 114 Milliarden höher als im Jahr 2008 sein. Trotz der günstigen Konjunktur wird es die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode wohl nicht schaffen, das Budgetdefizit unter 2 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zu drücken. Und was passiert, wenn mit der weiter anziehenden Konjunktur die Zinsen steigen? Ein Zinsanstieg um einen Prozentpunkt bedeutet mittelfristig Mehrausgaben des Staates in Höhe von 20 Milliarden Euro.

Man sieht, der Handlungsbedarf ist erheblich. Bei der Konsolidierung kommt es darauf an, Ausgaben zu kürzen. Kürzungen von konsumtiven Ausgaben fördern Wachstum und Beschäftigung. Ein Ansatzpunkt sind die Personalkosten. Ein Prozentpunkt weniger Lohn entspricht rund 2 Milliarden. Ein noch dickerer Batzen sind die Subventionen. Im Jahr 2010 erreichten die Förderungen einen Rekordwert von 164 Milliarden. Kürzungen sind hier politisch zwar heikel, dennoch wäre eine schrittweise Kürzung mit dem Rasenmäher um 58,5 Milliarden pro Jahr ohne weiteres realisierbar. Weiteres Sparpotential gibt’s genug!


Dem Beitrag liegt die  Rede von Dr. Boss auf dem Marktwirtschaftlichen Dialog der INSM vom Januar 2011 zugrunde.

BürokratieTagged , , , 2 Kommentare zu Bürokratie gefährdet Exporterfolge

Bürokratie gefährdet Exporterfolge

 

Nach ersten Erfolgen beim Bürokratieabbau ist der Politik in letzter Zeit der Mut und Wille abhanden gekommen, dieses Projekt weiterhin mit dem nötigen Elan voranzutreiben. Mehr und mehr ist der Bürokratieabbau ins Stocken geraten. Nun mehren sich gar die Zeichen für eine diametrale Trendwende. Mehr Bürokratie ist wieder en vogue: Zuerst die ins Spiel gebrachte Frauenquote und nun die Forderung nach einem ausführlichen Sozialbericht für deutsche Kapitalgesellschaften. Darin sollen diese Unternehmen detailliert auflisten, wie viele Zeitarbeiter und Praktikanten sie beschäftigen, welche Tarifverträge sie anwenden und welche betrieblichen Sozialleistungen ihre Mitarbeiter enthalten.

De Facto bedeutet dies nichts anderes, als dass diese Unternehmen mit zusätzlicher Bürokratie belastet werden. Dabei müssen deutsche Unternehmen schon heute mehr als 9.000 Informationspflichten nachkommen. Insofern ist es das Letzte, was die deutsche Wirtschaft noch braucht, hier noch weitere Informationspflichten draufzusatteln. Die dadurch verursachten Kosten mindern die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen. Für eine Exportnation wie Deutschland eine gefährliche Entwicklung.


Zur Grafik: Der INSM-WiWo-Deutschland-Check befragt Entscheider in deutschen Unternehmen zu aktuellen politischen Vorgängen. Thema der im Januar/Februar 2011 durchgeführten Befragungsrunde war das Regierungsprogramm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“. Die kompletten Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier.

Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und Finanzen, UmweltTagged , Leave a Comment on Das Ende der Welt – oder rettet den Rohstoff!

Das Ende der Welt – oder rettet den Rohstoff!

Buchkritik: Detlef Aufderheide und Martin Dabrowski: Effizienz und Gerechtigkeit bei der Nutzung natürlicher Ressourcen. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven der Rohstoff-, Energie- und Wasserwirtschaft, Berlin 2010

Die Rohstoffversorgung wird die große Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Doch wie verantwortungsvoll gehen wir wirklich mit unseren Lebensgrundlagen und der Welt von morgen um? Eines steht fest, sie wird mit der Welt, die wir kennen, nicht mehr viel zu tun haben. Detlefs Aufderheide und Martin Dabrowskis Sammelband ist ein Weckruf in dringender Zeit. Wir können nicht so weitermachen. Wir brauchen endlich eine systematische, gerechte und schonende Nutzung unserer natürlichen Ressourcen. 

Ohne Öl geht nichts. Es gäbe keine Kunststoffe, kein Düngemittel, keine Medikamente, keine Waschmittel, keine Schmierstoffe, keine Kosmetika, kein Asphalt, keine Flugzeuge. Oder glauben Sie, dass ein Flugzeug jemals von Brennstoffzellen oder Batterien angetrieben werden wird? Rohöl gilt als der mit Abstand wichtigste Rohstoff der Welt. Es bestimmt fast 45 Prozent des weltweiten Produktionsvolumens sämtlicher Rohstoffe. Auch deswegen ist der Ölpreis an den Rohstoffmärkten der mit Abstand wichtigste Wert.

Wie erschreckend abhängig unsere industrielle Wirtschaft und technische Zivilisation vom Erdöl ist, kann man gar nicht oft und laut genug sagen. Das aktuelle Problem ist der steigende Rohstoffpreis – doch viel dramatischer wird es sein, wenn in nicht allzu ferner Zukunft der Tag kommt, an dem es zu Öl keine Alternative gibt. Wer darauf vorbereitet sein will, sollte den Sammelband von Detlef Aufderheide und Martin Dabrowski lesen.

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Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Steuern und FinanzenTagged , , , , 1 Kommentar zu 2011 – Jahr der Konsolidierung

2011 – Jahr der Konsolidierung

Konjunkturprogramme: Deutschland hat viel gemacht.

Mit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise erlebten staatliche Konjunkturprogramme eine Renaissance. Und in vielen Ländern verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Dies sollte aber nicht dazu führen, die grundsätzlichen Probleme solcher staatlicher Hilfen außer Acht zu lassen. Nicht zu Unrecht werden sie seit den 70er Jahren von den meisten Ökonomen sehr kritisch betrachtet. Denn damals galt der Grundsatz: Kaum schwächelte die Wirtschaft, schon wurde von zahlreichen Politiker und Ökonomen reflexartig nach staatlichen Hilfen gerufen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass hier im Regelfall mehr Schaden angerichtet wurde als zu einer nachhaltigen Lösung einer schwächelnden Wirtschaft beizutragen. Fakt ist: Ein dauerhaft höheres Wirtschaftswachstum ist mit den staatlichen Eingriffen nicht zu erreichen. Erfolgreich scheinen sie nur dann zu sein, wenn es zu einem plötzlichen, starken Einbruch der Nachfrage kommt.

Aber auch dann sich Konjunkturprogramme nicht unproblematisch. Sie müssen rechtzeitig in Kraft treten und zielgerichtet ausgestaltet sein. Wichtig auch: Sie müssen in zeitlich befristet sein, damit sie die öffentlichen Haushalte nicht dauerhaft belasten und somit die zukünftigen haushaltspolitischen Spielräume nicht zu sehr einengen. Schließlich muss auch der Grundsatz beachtet werden: Wer in der Krise die staatlichen Aktivitäten massiv ausweitet, muss diese später auch im gleichen Umfang wieder zurückfahren. 2009 und 2010 hat Deutschland 4,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Konjunkturprogramme ausgegeben. Damit war Deutschland im EU-Vergleich sehr ambitioniert. Folglich sind auch die Vorwürfe aus dem Ausland haltlos, Deutschland stütze die internationale Konjunktur zu wenig. Für 2011 gilt es nun mit dem Abbau der durch die Konjunkturprogramme entstandenen Staatschulden zu beginnen, um das künftige Wachstum nicht zu beeinträchtigen. Wünschenswert wäre es, wenn Deutschland nun auch hier im EU-Vergleich eine Vorreiterrolle spielen würde.


Die Langfassung dieses Beitrags ist als IW-Trends 4/2010 erschienen.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , 17 Kommentare zu Das verflixte Wahljahr 2011

Das verflixte Wahljahr 2011

Wahltage sind Zahltage! Die Parteien werden im Neuen Jahr bei mindestens sieben Landtags- und drei Kommunalwahlen vom Wahlvolk bewertet. Wahljahre sind aber auch Jahre, in denen Entscheidungen nicht getroffen, sondern vertagt werden. Parteien wollen möglichst keine Angriffsflächen für die politische Konkurrenz bieten und halten sich deshalb mit Anstößen für substanzielle Veränderungen zurück.

2011 könnte also zum Jahr des politischen Attentismus werden. Für die öffentliche Meinungsbildung wird das bereits vertraute Lied vom neuen Wirtschaftswunderland Deutschland in allen Variationen angestimmt, in dem die Arbeitslosigkeit immer weiter sinkt und kräftige Lohnerhöhungen für neue Kaufkraft sorgen. Für die soziale Balance wird kräftig getrommelt, speziell für flächendeckende Mindestlöhne und höhere Sozialtransfers. Vom Sparen wird immer weniger geredet werden, stattdessen umso mehr von der notwendigen Nettoentlastung der Steuerzahler. Begriffe wie Staatsschulden- und Währungskrise nehmen bald nur noch notorische Defätisten in den Mund.

Deutschland ist in der Tat derzeit relativ stark. Das hat zwei Hauptgründe: der eine ist ein schlichter statistischer Basiseffekt. Weil 2009 die Jahreswirtschaftsleistung in den Keller rauschte wie nie zuvor, gelingt 2010 mit der Kehrtwende in wichtigen Exportmärkten der schnelle Wiederaufstieg.

Der zweite Grund für die relative deutsche Stärke liegt an dem Anpassungsschock, den die Deutsche Wiedervereinigung auslöste. Weil die Staatswirtschaft der alten DDR binnen Monaten implodierte, Arbeitslosigkeit, Staatsschulden und Sozialbgaben explodierten, sank der Pro-Kopf-Wohlstand in Deutschland über viele Jahre hinweg kontinuierlich. Die Einkommen stagnierten oder sanken inflationsbereinigt über eineinhalb Jahrzehnte auf breiter Front. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände flexibilisierten starre Tarifstrukturen. Der Zwang zu Reformen in der Rentenversicherung und bei der Sozialhilfe wurde so groß, dass die unterschiedlichsten Regierungskonstellationen nicht daran vorbei kamen. Wenn man so will, ist die deutsche Volkswirtschaft krisenerprobter in die globale Finanzmarktkrise geraten als viele andere Ökonomien, die ihre Anpassungsschocks erst noch bewältigen müssen.

Doch gerade wenn man sich die Ursachen des deutschen Wintermärchens zum Jahreswechsel vergegenwärtigt, dann wird die Botschaft zu Beginn des verflixten Wahljahres an das politische Establishment umso dringlicher:

1. Deutschland muss steigende Steuereinnahmen in erster Linie zum Abbau der Staatsverschuldung nutzen. Konsolidierung ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für langfristige Prosperität!

2. Soziale Absicherung heißt Absicherung auf existenzsicherndem Niveau, nicht Lebensstandardsicherung!

3. Kranken- und Pflegeversicherung harren weiter einer demografiefesten Reform!

4. Ohne Abbau der Beamtenprivilegien werden die meisten Länderhaushalte das Ziel, ab 2020 ohne Nettoneuverschuldung auszukommen, nie erreichen!

Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 2 Kommentare zu Euro-Bond: Prinzipieller Fehlanreiz

Euro-Bond: Prinzipieller Fehlanreiz

Deutschland, Portugal, Spanien und Italien brauchen im kommenden Jahr frisches Geld von den Kapitalmärkten. Irland und Griechenland können sich zinsgünstig aus dem Rettungstopf bedienen.
Es ist eine Binsenweisheit: Wer die Musik bestellt, muss die Kapelle bezahlen. Eine oft benannte Regel, die leider regelmäßig nicht beachtet wird.

Ein kurzer Rückblick: Die Finanzkrise war auch deshalb so schlimm, weil Investoren unvorsichtig Kredite vergaben und dabei hofften, dass zahlungsunfähigen Schuldnern von Dritten geholfen wird. So ist es zur Schuldenkrise in Griechenland gekommen, wo internationale Investoren viel zu lange Kredite mit viel zu niedrigen Zinsen vergeben haben. Die Investoren spekulierten auf die Solidarität und ignorierten die No-Bail-Out Klausel – und behielten Recht.

Auf der Suche nach einem Ausweg aus der Schuldenkrise fordern jetzt einige Europäer Anleihen, für die alle Euroländer gemeinsam haften. Den Nutzen hätten die klammen Staaten und Verantwortung müssten ausgerechnet jene Länder übernehmen, die solide gewirtschaftet haben. Fehlanreize würden zum Prinzip erhoben und die Bedingungen für die Einführung des Euro auf den Kopf gestellt.

Zu Recht weist die Bundesregierung darauf hin, dass Länder mit souveräner Wirtschaftspolitik auch souverän genug sein müssen, ihre Schulden selbst zu verantworten. Denn Binsenweisheiten gelten auch für Staaten.

Arbeitsmarkt, Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 6 Kommentare zu Amerikanisch sind wir geworden

Amerikanisch sind wir geworden

Deutschland hat bei der ökonomischen Aufholjagd nach der Krise die Nase vorn. Die Konjunktur brummt: Bei den Exporten wie auch beim privaten Verbrauch. Warum kann gerade die deutsche Volkswirtschaft die Krise so kraftvoll bewältigen?

Sicher profitieren wir jetzt von der internationalen Verflechtung unserer Industrie: zieht die Weltkonjunktur an, steigt auch der Umsatz der exportorientierten Unternehmen. Das alleine macht Deutschland aber noch nicht zur Wachstumslokomotive: Deutschland profitiert jetzt von seiner Veränderungsbereitschaft vergangener Jahre. Das Land des rigiden Flächentarifvertrags und der starren Ladenschlusszeiten gibt es nicht mehr. Der “Rheinische Kapitalismus” mit der Macht der Verbände hat Schritt für Schritt einer Marktwirtschaft (Marke: “Berliner Republik”) Platz gemacht. Dies ist letztlich die Folge zweier epochaler Ereignisse: der Deutschen Einheit und der Globalisierung.

In Ostdeutschland entstand nach der Wiedervereinigung eine moderne Industrie außerhalb des Tarifkorsetts – und wurde so auch zum Vorbild für viele Betriebe im Westen. Mit der günstigen Entwicklung der Lohnstückkosten stieg auch die globale Wettbewerbsfähigkeit beider Landeshälften spürbar an. Mit der Leiharbeit wurden die rigiden Vorschriften des Kündigungsschutzes umschifft. Kurz gesagt: Deutschland rückte ein Stück näher an Amerika, und zwar genau dort, wo es besonders nötig war: in der marktwirtschaftlichen Flexibilität. All dies geschah nicht ohne Protest. Aber es geschah. Und heute profitieren wir davon.


* Ursprung dieses Blogbeitrages ist ein Namensartikel im Handelsblatt – diesen können Sie hier nachlesen.
* Eine Rezension zum Buch „Wachstum“ von Karl-Heinz Paqué finde Sie hier.

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Die Luftfrachtbranche

Deutschlands Gewerkschaften haben in den letzten 20 Jahren fast die Hälfte ihrer Mitglieder verloren.

Ich sitze an meinem Fenster und gucke nach den Flugzeugen, die auf dem Flughafen Frankfurt landen – mein Haus liegt ziemlich genau in der Einflugschneise. Ich würde so gerne mal einen A-380 sehen. Damit war mir bis jetzt kein Glück beschieden. Was häufiger kommt, sind die MD-11 der Lufthansa Cargo. Das sind große, dreistrahlige Maschinen, gebaut von McDonnell Douglas, noch bevor es bei den Flugzeugkonstrukteuren nur Airbus und Boeing gab. Heute kamen davon schon drei, denke ich. Die Lufthansa Cargo hat 18 von denen. Das ist ihre gesamte Flotte. Die größte Frachtairline der Welt, FedEx, hat 664 Flugzeuge.

Und ich muss plötzlich denken: ist das nicht vollkommen ineffizient, dass es x Frachtairlines gibt, die alle in Frankfurt Personal und Material unterhalten? Jede einzelne mit einem Vorstand, der viel Geld kostet? Wäre es nicht viel billiger, wenn die sich ihre Frachthubs alle teilen würden? Die nicht mehr doppelt und dreifach anfliegen müssten? Wenn sie alle zusammen ihre Flugzeuge bestellen würden? Vielleicht könnte das eine Behörde organisieren, die das große Ganze überblickt? Da könnte man Fracht doch viel billiger transportieren – zum Nutzen aller.

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Europa, FinanzmarktTagged , , , , , , , 20 Kommentare zu Schluss damit!

Schluss damit!

Die Staaten haben Milliarden mittels Anleihen am Kapitalmarkt aufgenommen. Irgendwann werden die fällig und müssen zurückbezahlt werden. Die Bugwelle rollt.

Die EZB macht weiter wie bisher – das hat der Notenbankpräsident Jean-Claude Trichet gestern auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Zum einen wolle man die unbegrenzte Liquiditätsversorgung der Banken fortführen und zum anderen weiterhin Anleihen am Sekundärmarkt aufkaufen.

Die Signale, die die Notenbank mit diesen Entscheidungen sendet, sind fatal: Denn die Finanzkrise wurde maßgeblich von einer Politik des billigen Geldes verursacht, in Folge dessen es zu einer Überbewertung von realen Investitionsgütern kam. Und nun bekämpft man mit exakt der gleichen Strategie die Auswirkungen der verfehlten Geldpolitik. Die Folgen könnten schwerwiegend sein.

Mit der zweiten Sondermaßnahme, also dem Aufkaufprogramm staatlicher Anleihen, will die EZB ein Ausweiten der Schuldenkrise auf andere Staaten verhindern. Das ist bisher nicht gelungen. Vielmehr nimmt die Entscheidung  den Druck von den Regierungen, ihren Haushalt selbst wieder in Ordnung zu bringen – ein Teufelskreis. Damit muss endlich Schluss sein!

Europa, Finanzmarkt, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , , 10 Kommentare zu Der Euro ist sicher

Der Euro ist sicher

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. So muss man das derzeitige Verhandlungsergebnis der Finanzminister in Europa bewerten. Es hat mehrere Schwachstellen. 1. Der Rettungsmechanismus wird verlängert ohne die Gläubiger in den Prozess einzubeziehen. Ursprünglich sollte er zwingend Mitte 2013 auslaufen und damit die Haftungsgemeinschaft nur befristet stattfinden. Jetzt wird sie dauerhaft installiert. Die Höhe ist noch völlig ungeklärt. Was jedoch klar ist, die Beteiligung der Gläubiger wird nicht greifen. So sollen die privaten Gläubiger (und nur die) im ersten Schritt “ermutigt” werden, ihr Engagement aufrechtzuerhalten. Inzwischen darf der neue Rettungsmechanismus schon einmal “Liquiditätshilfen” zur Verfügung stellen.

Ermutigt meint wohl eher entmutigt. Denn der Grundfehler ist, die Gläubiger – ob privat oder staatlich – nicht zwingend in die Haftung zu nehmen. Denn erst im zweiten Schritt ab 2013 sollen die Gläubiger über eine Änderung in der Anleihebedingung besser herangezogen werden können. Bis dies in nennenswerter Weise erfolgt, dauert es sicherlich 5 bis 6 Jahre bis der neue Rettungsmechanismus tatsächlich greifen kann. Also, frühestens im Jahr 2018 kann der neue Rettungsmechanismus seine Wirkung entfalten. Das ist mit Sicherheit zu spät.

2. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt erhält nicht die erforderlichen Zähne. Er bleibt ein zahnloser Tiger. Zwar wird bei Verstößen gegen die Konvergenzkriterien ein automatisches Defizitverfahren eingehalten, jedoch kann der Rat mit einer qualifizierten Mehrheit diesen Prozess wieder stoppen. Hier liegt der “Hase im Pfeffer”. Seit Einführung des Euro wurde das Neuverschuldungskriterium von 3 Prozent 73 Mal verletzt – ohne Konsequenzen.

Wenn die Einleitung von Sanktionen gegen Defizitsünder nicht von der politischen Opportunität des europäischen “Kuhhandels” getrennt wird, ändert sich nichts. Deshalb muss nachverhandelt werden. Ansonsten passiert das, was Norbert Blüm in den 90er Jahren widerfahren ist. Damals hieß es: “Die Rente ist sicher” und keiner hat daran geglaubt. Heute heißt es, “der Euro ist sicher”. Diese Aussage wird nicht glaubhaft sein, wenn es bei diesem Verhandlungsergebnis bleibt.