Ordnungspolitik

Weekender-Themen: Olympia, CO2-Preis, Bundestagswahl, Grundrente, Steuern

Jeden Freitag empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen.

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Aus aktuellem Anlass erinnern wir an ein viel zitiertes Paper aus dem Jahre 2012 mit dem Titel „Olympic Proportions: Cost and Cost Overrun at the Olympics 1960-2012“. Bent Flyvberg und Allison Stewart, damals beide von der Universität Oxford, hatten die Kostenverläufe von Olympischen Spielen untersucht und festgestellt, dass die tatsächlichen Kosten regelmäßig weit – und weit mehr als bei anderen Großprojekten – über den prognostizierten lagen. Im Betrachtungszeitraum der Studie hatten die tatsächlichen Austragungskosten durchschnittlich 179 Prozent (real; nominal: 324 Prozent) über den veranschlagten gelegen. Entscheidender Grund für die regelmäßigen Kostenexplosionen, so Flyvberg und Stewart: Kostenüberschreitungen tragen nicht die olympischen Organisationen, sondern der Veranstaltungsort in Form von Stadt und Staat. „Die Daten legen nahe, dass diese Garantie einem Blankoscheck entspricht, mit der Sicherheit, dass die Kosten am Ende höher liegen werden als anfangs angegeben.“ Tokio und Japan scheinen aus den Erkenntnissen der Vergangenheit wenig gelernt zu haben. Die Kosten sind auch bei den aktuellen Olympischen Spielen aus dem Ruder gelaufen – und das nicht nur wegen Corona. Mit 7,5 Milliarden Euro war kalkuliert worden, „mittlerweile rechnen Experten mit Kosten in Höhe von bis zu 30 Milliarden US-Dollar“, schreibt Julia Linn vom ARD-Studio Tokio auf tagesschau.de.     

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Ökonomen sind sich einig, dass ein CO2-Preis das beste Mittel gegen den Klimawandel ist. Das Problem: Die Politik kann damit bei Wählerinnen und Wählern kaum punkten. „Was Ökonomen für einen No-Brainer halten, ist für viele andere überhaupt nicht selbstverständlich und überzeugend“, sagt der Umweltökonom Michael Pahle vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in einem Artikel von Marcus Theurer in der FAS. So glaubten etwa viele Bürger, dass es dem Staat darum gehe, das Volk mit einer neuen Abgabe zu schröpfen. Staatliche Verbote dagegen seien leicht zu vermitteln. Eine Möglichkeit für mehr Akzeptanz für einen CO2-Preis: Die Einnahmen wieder an die Bürger zurückgeben. Damit könne besonders effektiv der Widerstand derjenigen abgebaut werden, die den Klimaschutz kritisch sähen, schreibt Theurer.

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In weniger als neun Wochen steht die Bundestagswahl an. Ein guter Zeitpunkt, die Kanzlerfrage genauer zu betrachten. Keiner der drei Kandidaten (Laschet, Baerbock, Scholz) glänzt aktuell mit hohen Beliebtheitswerten. Und obwohl die drei Parteien mehr oder weniger alle untereinander koalitionsfähig sind, gibt es von verschiedenen Wählergruppen gegen nahezu jede Koalition etwas einzuwenden. Dieter Schnaas analysiert in der Wirtschaftswoche die Schwierigkeiten, die bezüglich der Regierungsbildung nach der Wahl auftreten könnten, und erklärt, wie sich die politische Landschaft in den letzten Jahren verändert hat.

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Die ersten Grundrenten-Bescheide sind dieser Tage verschickt worden. Das von der SPD durchgesetzte Konzept wird derweil von den ifo-Wissenschaftlern Axel Börsch-Supan und Nicolas Golf in der hauseigenen Publikation ifo-Schnelldienst scharf kritisiert. Dort heißt es: „Die Zielgenauigkeit der Grundrente ist in beiden sozialpolitisch relevanten Richtungen schwach: Einerseits haben 75,9 Prozent der Rentner*innen, die im Sinne des neuen Gesetzes als arm gelten, keinen Anspruch auf Grundrente. Auf der anderen Seite gehören 21 Prozent der Anspruchsberechtigten zur vermögensreicheren Hälfte der deutschen Rentner*innen. Unser Fazit ist daher, dass die Grundrente doppelt ungerecht ist: Das neue Gesetz erreicht zu wenige der Personen, die tatsächlich Unterstützung benötigen, und gewährt zu vielen Personen Leistungen, die keine Hilfe brauchen.“ – Gerechtigkeit geht anders, das ist auch unsere Meinung.

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Die Geschichte der Steuern ist voller bizarrer Blüten. So wurde etwa in England und Frankreich zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert eine Steuer auf Fenster erhoben. Je mehr Fenster, desto höher die Steuer. Das Kalkül dahinter: Die Anzahl der Fenster korrelierte stark mit dem finanziellen Wohlstand. Die Fenster-Abgabe führte dazu, dass Räume wieder zugemauert und Fenster ausgebaut wurden. Der US-amerikanische Ökonom Joel Slemrod erzählt die Geschichte im aktuellen #ZEWBookTalk mit ZEW-Präsident Achim Wambach und Michael Keen. Slemrod und Keen haben eine Geschichte der Steuereintreibung geschrieben. Das Buch mit dem Titel „Rebellion, Rascals, and Revenue: Tax Follies and Wisdom Through The Ages“ ist voll mit historischen Anekdoten – der ZEWBookTalk ebenso. 


Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Keinen Blogpost verpassen