Weekender

Weekender-Themen: GDL, Volksentscheid, Generationengerechtigkeit, Inflation, Annalena Baerbock

Jeden Freitag empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen.

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Um was geht es beim Tarifkonflikt der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn wirklich? Hagen Lesch, Tarifexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft, erklärt die zurückliegenden und den gegenwärtigen Tarifkonflikt zwischen den Tarifkontrahenten anschaulich auf der hauseigenen Website. Der rote Faden: Die GDL weitet ihren Vertretungsanspruch Schritt für Schritt aus und scheut dabei keine Eskalation. Beide Tarifseiten versuchen dabei, die Öffentlichkeit hinter ihre Positionen zu bekommen. In der Bevölkerung soll Verständnis für die jeweiligen Zuspitzungen geweckt werden. „Das mag kurzfristig funktionieren“, so Hagen Lesch, „langfristig erwartet die Öffentlichkeit aber Kooperation statt Konfrontation.“ Eine Einigung werde durch eine solche Konfliktaustragung nicht wahrscheinlicher, so Lesch. Und: „Durch die regelmäßig öffentlich ausgetragene Eskalation wird es für beide Seiten schwieriger, gesichtswahrende Kompromisse zu finden.“  

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84 Prozent des Wohnungsbestands in Berlin entfallen auf Mietwohnungen. Der soll nach dem Willen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ großteils in Staatseigentum überführt werden. Alle Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin sollen enteignet werden, so das Ansinnen eines Volksentscheids, der am 26. September zur Abstimmung steht. Mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten muss daran teilnehmen, damit die Abstimmung gültig ist. Da der Wahltermin mit der Bundestagswahl und der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses zusammenfällt, wird diese Hürde mit Sicherheit genommen werden. Sarah Humer hat für die FAZ alles aufgeschrieben, was man zu diesem Volksentscheid wissen sollte, und Rainer Hank hat dazu eine lesenswerte Meinung.  

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Missachtet die Bundesregierung mit ihrer Sozialpolitik die Freiheiten künftiger Generationen? Tendenziell ja, meint Prof. Dr. Christian Hagist von der WHU – Otto Beisheim School of Management. Der demografische Wandel überfordere das jetzige Finanzierungssystem der sozialen Sicherungssysteme dermaßen, dass ohne Änderungen die Freiheiten der jungen und zukünftiger Generationen ernsthaft bedroht seien, meint der Ökonom in einer Kurzexpertise, die er im Auftrag des Verbandes „Die jungen Unternehmer“ angefertigt hat. Deren Bundesvorsitzende Sarna Röser sagt: „Wenn die nächste Bundesregierung hier nicht handelt oder gar unserer jungen Generation weitere langfristige Belastungen aufbürdet, dann behalte ich mir vor, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.“

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„Die lockere Geldpolitik der EZB wirkt auf Staatshaushalte und Finanzmärkte wie Kortison“, schreibt Markus Zydra in der Süddeutschen Zeitung. Sie unterdrücke den Ausbruch einer gefährlichen Entzündung. Denn aktuell nimmt die Geldentwertung zu, die Notenbank müsste eigentlich die Zügel anziehen. Eine Erhöhung der Leitzinsen auf drei oder vier Prozent wie früher erscheint aber kaum vorstellbar. „Zu süchtig sind die Börsen und Finanzminister der Euro-Zone nach billigem Geld“, so der Finanzkorrespondent der SZ aus Frankfurt, der anschaulich das aktuelle Dilemma der Europäischen Zentralbank erklärt.  

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„Dem Markt sind Menschen herzlich egal“, hat Annalena Baerbock jüngst gesagt und dafür viel Gegenwind bekommen (etwa hier vom stellvertretenden Chefredakteur der Wirtschaftswoche Hauke Reimer). Zu Recht. Weil der Satz suggeriert, dass Märkte für Menschen schlecht seien. Dabei sind sie für unser Zusammenleben essenziell. Wir gehen auf Märkte um Güter und Dienstleistungen auszutauschen, im besten Falle zum gegenseitigen Vorteil. Der Markt ist also Mittel zum Zweck. Das Mittel (der Markt) dient dem Zweck ein gutes Leben führen zu können. Und ja, nicht immer funktionieren Märkte. Dann muss der Staat eingreifen und etwa die Regeln so setzen, dass nicht Dritte geschädigt werden. Das nennt sich dann Ordnungspolitik. Unsere Vermutung: Annalena Baerbock weiß das, aber sie sagt es nicht, weil sie damit in ihrer Zielgruppe wenig punkten kann.


Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Keinen Blogpost verpassen