Ordnungspolitik

Weekender-Themen: Lindner, Gasembargo, Schuldenbremse, Sozialversicherung, Stabilitäts- und Wachstumspakt

Jeden Freitag empfiehlt der Weekender fünf Vertiefungen zu wirtschaftspolitisch interessanten wie relevanten Themen.

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Besser Wirtschafts- als Finanzminister? – Wirtschaftsminister wollte Christian Lindner nicht werden, sondern Finanzminister. Jetzt sind die Grünen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck im Aufwind, und die FDP ist bei zwei Landtagswahlen eingebrochen, und im aktuellen Politbarometer steht sie bundesweit bei sieben Prozent (bei der Bundestagswahl waren es viereinhalb Prozentpunkte mehr). Hat Christian Lindner doch den falschen Job gewählt, fragt im Tagesspiegel Albert Funk. Seine Antwort: Es hängt vom Jahr 2023 ab. Ab da soll, laut Lindner, wieder Normalität herrschen. Dann soll die Schuldenbremse eingehalten und solide gearbeitet werden. Das, so Funk, sei aber eine riskante Wette. Denn die Unwägbarkeiten würden vermutlich nicht abnehmen.  

🇷🇺

Kein Gas aus Russland? – Wie viel Russland-Embargo verträgt die Marktwirtschaft? Kolumnist Rainer Hank meint in der Sonntags-FAZ: eine ganze Menge. Schon jetzt bezieht Deutschland nur noch 35 Prozent seines Gases von Putin. Im langjährigen Mittel waren es 55 Prozent gewesen. Zusätzlich solle sich der Staat bei diesem Thema auf seine Aufgaben besinnen, „also in gut ordnungspolitischer Tradition der sozialen Marktwirtschaft die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so anzupassen, dass die Befreiung von der russischen Energieabhängigkeit so schnell wie möglich passieren kann“, so Hank. Dazu zähle der Abbau von Zöllen, ein Kurzarbeitergeld für besonders hart betroffene Betriebe, aber auch die Verlängerung und Revitalisierung der voreilig stillgelegten deutschen Atommeiler.  

🇩🇪

Schuldenbremse ab 2023? – David Böcking und Michael Brächer interviewen für den Spiegel in Davos Kristalina Georgiewa, Chefin des Internationalen Währungsfonds. Das Ziel, die Schuldenbremse ab dem kommenden Jahr wieder einzuhalten, hält sie unter bestimmten Bedingungen (zurückgehende Energiepreise) für realistisch. Sie sagt aber auch: „Wenn es schlecht läuft, sollte Deutschland auch den Zeitpunkt der Rückkehr zur Schuldenbremse überdenken.“ Als Kritik an FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner möchte sie das nicht verstanden wissen. „Ich habe Herrn Lindner schon einige Male getroffen und unsere Gespräche sind stets sehr produktiv. Wir glauben beide an eine alte Idee von Adam Smith, wie man zu einem prosperierenden Land wird: durch Frieden, niedrige Steuern und Rechtsstaatlichkeit. Das gilt auch in modernen Zeiten. Deutschland hat in der Gruppe der G7-Staaten bemerkenswerte Führungsqualitäten gezeigt“, so die Bulgarin.

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Sozialversicherung wird teurer – Ein Bericht des Bundesrechnungshofes, die Welt berichtet darüber, warnt, dass der Sozialbeitragssatz von derzeit knapp 40 Prozent auf 53,3 Prozent im Jahr 2060 steigt, wenn die Politik nicht rasch Gegenmaßnahmen ergreift. Der Bundeszuschuss drohe sich demnach auf 454 Milliarden Euro nahezu zu vervierfachen. Damit würde künftigen Finanzministern jeglicher Handlungsspielraum genommen. Im gleichen Artikel mahnt der liberale Haushaltspolitiker Karsten Klein: „Der Bericht des Bundesrechnungshofes muss für uns alle ein Weckruf sein.“ Es sei überfällig, im Gesundheits- und Pflegebereich Reformen anzustoßen. Man müsse unnötige Kostensteigerungen im System vermeiden und für eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten zwischen den Generationen sorgen, betont der FDP-Politiker. „Das sind wir den jungen und zukünftigen Generationen schuldig.“ 

🇪🇺

Europas Schulden – Wie geht es weiter mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union? Die EU-Kommission will ihn aufgrund des Kriegs in der Ukraine noch ein weiteres Jahr aussetzen. Erst 2024 soll er wieder in Kraft treten. Das macht aber nur dann Sinn, meint Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft, wenn Europa diese Zeit nutze, um die Schuldenregeln zu reformieren. Zwar könne die 60-Prozent-Grenze für den öffentlichen Schuldenstand bestehen bleiben. Die vorgegebene Anpassungszeit von 20 Jahren sollte für hoch verschuldete Länder aber flexibler gehandhabt werden können, wenn sie angemessener konsolidieren, so der Ökonom. Außerdem sollte es keine Ausnahmen für staatliche (grüne) Investitionen geben. Das würde, so Matthes, Tür und Tor für eine kreative Buchführung und neue, nicht immer produktive Schulden öffnen. 


Gute Kommentare, interessante Hintergründe – jeden Freitag präsentieren wir (Link zum Archiv) fünf Vertiefungen zu den wirtschaftspolitisch interessantesten und relevantesten Themen der Woche. > Keinen Blogpost verpassen