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Der Undurchsichtige

Der Mann bleibt auch nach seiner Wahl zum US-Präsidenten undurchschaubar. Trumps Charakter und Pläne lassen sich am besten an seinem bisherigen Verhalten analysieren. In der „Akte Trump“ zeichnet David Cay Johnston den Aufstieg und das Gebaren dieses seltsamen Mannes detailreich und spannend nach. Beruhigung verschafft das Buch allerdings nicht. Im Gegenteil.

Die Publikationen über Donald Trump der vergangenen zwei Jahrzehnte könnten mittlerweile Staatsbibliotheken füllen. Es ist ziemlich viel dummes Zeug dabei – vor allem, wenn es aus der Hand der zügellosen Bewunderer und unsäglichen Apologeten stammt. Die Zahl der kritischen Publikationen hat im Grunde erst im Vorfeld der US-Wahlen vom Herbst 2016 zu wachsen begonnen und kulminierte zwischenzeitlich in teils drastischen Titeln wie „When pigs fly – the Donald Trump Candiday“ oder „Assholes – a Theory of Donald Trump“ oder gar „Donald Trump and Adolf Hitler – Making A Serious Comparison“.

Populismus ist genauso wenig hilfreich wie Zynismus. Auch deswegen liest sich das Buch „Die Akte Trump“ des US-Journalisten und Pulitzerpreisträgers David Cay Johnston angenehm. Denn es berichtet ebenso unaufgeregt wie kritisch und informativ über den Werdegang der Trump-Dynastie – von den Ursprüngen ihres Vermögens Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu Donalds Präsidentschaftswahlkampf 2016. Es bringt endlich ein wenig Licht in die zu oft undurchsichtigen Wege dieses merkwürdigen Machtmenschen.

Das Gen des unablässigen Aufstiegs

Die Wurzeln der Familie Trump, die damals noch „Drumpf“ hieß, reichen bis in das kriegsgeplagte Deutschland des 17. Jahrhunderts zurück. Dass das kleine Örtchen Kallstadt in Rheinland-Pfalz mittlerweile zu ungewolltem Ruhm gelangt ist, liegt an Friedrich Trump, dem Großvater von Donald, der dort lebte und wie viele Europäer zu seiner Zeit, den Aufbruch nach Amerika wagte. Johnston stellt spannungsreich viele Details der Familiengeschichte zusammen. Schnell wird deutlich, dass sich das Trump-Gen des Aufstiegs, Karriere-Machens, Täuschens und Improvisierens durch alle Lebensentwürfe durchzieht. An Selbstbewusstsein mangelt es schon den Ahnen nicht – und so ist es kein Wunder, dass Donald Trump 2005 fest davon überzeugt ist, dass seine Autobiografie „The Art of the Deal“, die Kunst des Erfolges, das großartigste Buch ist, das jemals geschrieben wurde – mit Ausnahme der Bibel.

Midas, Münchhausen, Captain Ahab

Johnston reiht kuriose, groteske, abartige und kriminelle Geschichten aus dem Leben Trumps aneinander – kein Zweifel: Trump führt ein Leben wie kaum ein Zweiter, eine Mischung aus König Midas, Baron Münchhausen, Captain Ahab und Frankenstein – Troublemaker Trump gilt Johnston zufolge durchaus als emotional abgestumpft. Sein Verhältnis zu Frauen und seine Art, ihren Wert immer wieder nur an der Größe ihrer Brüste und Länge ihre Beine zu bemessen, sind genauso unerträglich wie seine Geldbesessenheit. Zudem ist er ein Meister, sich in den Fallstricken des Reichtums zu verheddern. Immer wieder geht es um den Kauf von Luxus – atemberaubenden Golfplätzen, Hotelanlagen, Inseln, Villen, Wolkenkratzern, Casinos, Ferraris und Rolls-Royces. Und es wird auch klar, dass diese oberflächliche Welt nur durch Strukturen möglich ist, die ins Illegale reichen: Die Tatsache, das sich das Immobilienimperium auch deswegen behaupten konnte, weil es geschickt nicht nur politische, sondern auch mafiöse Kontakte (vor allem der New Yorker Betonmafia) für sich zu nutzen wusste, trägt der Autor scharf analysierend und mit schonungsloser Sachlichkeit vor.

Trumps Talente, Niederlagen in Siege zu verwandeln und den Medien, den Gerichten und Finanzbehörden trotz offensichtlicher eigener Fehler und Vergehen immer wieder eine Nasenlänge voraus zu sein, entwickelten sich bereits in den 80er und 90er Jahren. Es bleibt bis heute schwierig, ihn zu durchschauen. Doch: „Wir können seinen wahren Charakter nicht wirklich erkennen“, schreibt Johnston, „aber wir können ihn anhand seiner Handlungen beurteilen.“

Ein Präsident als Sicherheitsrisiko

Ob er seine Beziehungen zu Kriminellen, Hochstaplern, Betrügern, Gangstern und Mafia-Vertrauten als Präsident der USA auf Eis legen kann, bleibt abzuwarten. Normalerweise dürfte er sich als Präsident nur im Rahmen der begrenzten Befugnisse, die ihm qua Position zustehen, bewegen. Doch Johnston schließt nichts aus: Ihm machen Trumps politische Ankündigungen (die von der Anwendung von Folter bis zur Tötung unschuldiger Zivilisten, insbesondere der Kinder von Terroristen reicht) große Sorgen. Trumps „Vision ist in vieler Hinsicht nicht die eines Präsidenten, sondern die eines Diktators, eine Einschätzung, die von vielen geteilt wird, in beiden politischen Parteien unseres Landes“. Für Johnston ist Trumps Erfolg vor allem Ausdruck der tiefen Krise in den USA, die sich auch in der Kluft zwischen Bürgern und politischem Establishment widerspiegelt. Wer die USA nun in eine gerechtere Gesellschaft mit breit verteiltem Wohlstand verwandeln kann, steht nach wie vor in den Sternen.

Fazit

Ein aufwendig recherchiertes Buch, geschrieben von einem Kritiker Trumps. Johnston lässt allein die Fakten sprechen. „Die Akte Trump“ bietet einen guten Überblick über das bisherige Verhalten dieses wenig Vertrauen erweckenden Quereinsteigers, von dem vor allem auch nach der Lektüre dieses Buches nicht auszugehen ist, dass er ein Präsident wird, der mehr möchte, als nur sich selbst zu dienen.

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