4 Fragen an...

Juergen B. Donges: „Die Soziale Marktwirtschaft ist in keiner guten Verfassung“

Die Botschafter der INSM verbreiten mit ihrem ehrenamtlichen Engagement die Botschaft der Sozialen Marktwirtschaft. In der Serie „Vier Fragen an...“ beantworten sie Fragen rund um die Marktwirtschaft. In diesem Post: Juergen B. Donges.

INSM Botschafter Juergen Donges

1) Herr Donges, warum setzen Sie sich für die Soziale Marktwirtschaft ein?

In dieser Wirtschaftsordnung lässt sich am besten verwirklichen, was ich als Bürger und Ökonom über alle Maßen schätze: die individuelle Handlungsfreiheit mit der Möglichkeit, eigenverantwortlich nach den Zielen zu streben, die man sich selbst setzt.

Ich vertraue darauf, dass unter marktwirtschaftlichen Bedingungen unternehmerisches Können, Kreativität und Innovation sich Bahn brechen, viele produktive Eigeninitiativen freigesetzt werden und genügend Effizienzdruck erzeugt wird, um gute Erwerbschancen in der Breite zu eröffnen. Gleichzeitig wächst mit der Wirtschaftsdynamik der Verteilungsspielraum für sozialpolitische Aufgaben. Und der Umweltschutz kann bestmöglich betrieben werden, weil die damit nun einmal einhergehenden Kosten für die Wirtschaft und die Bürger einigermaßen gut zu verkraften sind.

Natürlich ist die Soziale Marktwirtschaft kein System zur Verhinderung von Konjunkturschwankungen und zur Abschottung gegenüber exogenen angebots- und nachfrageseitigen Schocks. Auf solche Problemlagen muss und kann die Wirtschaftspolitik die adäquaten Antworten geben.

2) In welcher Verfassung befindet sich aktuell die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland?

In keiner guten. Die wirtschaftspolitische Praxis steht oft leider nicht im Einklang mit der Sozialen Marktwirtschaft. Statt Vertrauen in den Markt und den Wettbewerb zu zeigen, auch bei zentralen Herausforderungen, säen viele politische Akteure Skepsis. Gemeinsam mit einer regulierungswütigen Bürokratie maßen sie sich eine Fähigkeit zur Gestaltung von Wirtschaftsabläufen an, die der Staat nicht hat (aktuell: Energiewende). Außerdem bedienen sie mit interventionistischen, marktwidrigen Maßnahmen allzu schnell partikulare Interessen von Verbänden und Gewerkschaften (aktuell: Mietpreisgrenze, flächendeckender Mindestlohn, Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, Frauenquote für Aufsichtsräte in börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen). Und bei der Gestaltung der sozialen Sicherung wird häufig über das Ziel hinausgeschossen (aktuell: Mütterrente, abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren) und die Finanzierungsseite ausgeblendet.

Begründet wird all dies gerne mit Gemeinwohlpflichten, aber in Wahrheit geht es um Wählerstimmen und Spenden. In turbulenten Zeiten wie die der jüngsten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und der Staatsschuldenkrise im Euroraum sind viele Politiker schnell mit Schuldzuweisungen an private Akteure (Banken) bei der Hand in der Erwartung, dass die Menschen dies glauben und das Staatsversagen, das auch im Spiel ist, nicht erkennen.

Für die Soziale Marktwirtschaft ist das gefährlich. Sie steht nämlich auf tönernen Füßen, wenn der Staat dem Anspruchsdenken in der Gesellschaft samt einem Moral-Hazard-Verhalten Vorschub leistet, wenn er Schutzzäune für Unternehmen, die den Wettbewerb nicht mögen oder ihm nicht gewachsen sind, errichtet, wenn er zulässt, dass die Arbeitsmarktordnung die Arbeithabenden zu Lasten der Arbeitsuchenden begünstigt, wenn er beim Einzelnen die Anreize schwächt, sich produktiv in das Erwerbsleben einzubringen und Leistungseinkommen zu erzielen, und wenn er antikapitalistische Stimmungen in der Öffentlichkeit einfach hinnimmt.

3) Wenn Sie den Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft ändern könnten: Was würden Sie konkret tun?

Drei ordnungspolitische Punkte sind mir wesentlich:

  1. Es muss das Euckensche Prinzip der Einheit von Handlung und Haftung uneingeschränkt gelten (vulgo: wer den Nutzen hat, der muss auch den Schaden tragen). Die Informations- und Lenkungsfunktion des Marktpreissystems ist von zentraler Bedeutung, auch mit Blick auf die Notwendigkeit unverfälschter Verhaltensanreize. Sämtliche spezifischen Subventionen und speziellen Marktregulierungen müssen auf den Prüfstand kommen; sie sind abzuschaffen, sofern sie nicht ausreichend begründet werden können und nachweislich die Vertragsfreiheit und privaten Eigentumsrechte einschränken sowie den Wettbewerb unterdrücken.
  2. Der Staat soll ständig, entschlossen und glaubwürdig daran arbeiten, dass im Land stabile und gute gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen für unternehmerische Investitionen und Innovationen sowie für die individuelle Bildung und Qualifizierung unabhängig von der sozialen Herkunft des Einzelnen herrschen. Sicherzustellen ist die Chancengleichheit, nicht eine Ergebnisgleichheit. Das erfordert von den wirtschaftspolitisch Verantwortlichen Langfristdenken und Kohärenz zwischen den einzelnen Politikbereichen und eine Abkehr von punktuellem, ökonomisch dilettantischem Aktionismus.
  3. Der Sozialstaat muss sich auf das zurücknehmen, was unter Beachtung der Grenzen der Steuer- und Abgabenbelastung langfristig finanzierbar ist. Dem demographischen Wandel muss dabei Rechnung getragen werden. Das Verhältnis zwischen individueller Eigenverantwortung (auch für die Zukunftsvorsorge) und dem staatlichen Schutz vor Einkommens- und Beschäftigungsrisiken (einschließlich Armut) muss neu austariert werden. Die Leitvorstellung sollte sein, soziale Hilfen so zielgenau wie nur irgendwie möglich zu gestalten, das heißt die staatlichen Leistungen an der Bedürftigkeit des Einzelnen (und der Familie) zu orientieren.

4) Welche drei Bücher über die Soziale Marktwirtschaft empfehlen Sie?

Neben den grundlegenden Werken von Walter Eucken („Grundsätze der Wirtschaftspolitik“) und Ludwig Erhard („Wohlstand für alle“) sind aus der jüngeren Zeit folgende Bücher zu nennen:

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