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TTIP: Eine kritische Empfehlung

Über kaum ein anderes Thema wird derzeit in Wirtschaftskreisen mehr diskutiert als über das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa. TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) wird von vielen skeptisch beäugt. Zum Teil ist die Kritik durchaus gerechtfertigt, doch wäre ein Scheitern der Verhandlungen bedauerlich – besonders im Hinblick auf die Rolle der EU in der Welthandelsordnung.

Protektionismus der G20-StaatenIn einem Punkt sind sich fast alle Studien einig: TTIP wird höchstwahrscheinlich mehr Wohlstand sowie Vorteile für den Verbraucher bringen. Offene Märkte, freierer Handel, Größenvorteile in der Produktion, dazu eine höhere Wettbewerbsintensität, die Anreize zu mehr Effizienz, Innovation und Kundenorientierung setzt. Aus Sicht der Verbraucher senkt eine Handelsliberalisierung daher die Preise und erhöht die Produktvielfalt.

Zölle im transatlantischen Handel? Geschichte!

Durch TTIP dürften die Zölle im transatlantischen Handel nahezu komplett gestrichen werden, allein im Industriewarenhandel zwischen Deutschland und den USA lassen sich so schätzungsweise 3,5 Milliarden Euro einsparen – zugunsten von Verbrauchern und Unternehmen. Um den Handel noch weiter zu vereinfachen und Kosten zu senken, müssten vor allem nicht-tarifäre Barrieren abgebaut werden, die auf unterschiedlichen Regulierungen, Standards und Zulassungsverfahren für viele technische Geräte beruhen. Während die Zölle für einen Preisaufschlag von drei bis vier Prozent sorgen, machen nicht-tarifäre Handelshemmnisse die Waren beim Export in die USA um rund 20 Prozent teurer. Derzeit sehen vor allem mittelständische Unternehmen zu oft vom Export in die USA ab, da sie vor den technischen und rechtlichen Herausforderungen durch die unterschiedlichen Regulierungen für ihre Produkte zurückschrecken.

Risiken und Nachteile sind verkraftbar

Der Bereich des Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutzes ist ein sensibles Thema: In den USA gilt generell nicht das Vorsichtsprinzip wie in der EU. Das heißt, dass in den Vereinigten Staaten die Beweislast beim Staat liegt, der die gesundheitliche Schädlichkeit von Produkten erst belegen muss. Für die EU-Kommission ist das Vorsichtsprinzip Verhandlungsgrundlage. Sie will sicherstellen, dass TTIP die EU-Standards nicht senkt. Die Verhandlungsführer und verschiedene hohe Politiker haben dies fest zugesichert. Die Kritik der TTIP-Skeptiker ist daher weitgehend in diesem Punkt überzogen. Dies gilt besonders für das sogenannte Chlorhühnchen, dessen gesundheitliche Unschädlichkeit nachgewiesen ist.

Große Sorge herrscht auch in den Bereichen der kommunalen Dienstleistungen (vor allem öffentliche Daseinsvorsorge) und europäischen Arbeitsstandards (Stichwort Mindestlohn). Die TTIP-Kritiker befürchten, dass die staatlichen Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt werden könnten. Doch die öffentliche Daseinsvorsorge soll von TTIP gar nicht berührt und keine Regelungen getroffen werden, die über das WTO-Dienstleistungsabkommen GATS (General Agreement on Trade in Services) hinausgehen. Auch die Arbeitnehmerrechte sollen durch eine sogenannte Arbeitsmarktklausel unangetastet bleiben.

Besonders kritisch wird über den Investitionsschutz und die Investor-Staat-Streitschlichtung diskutiert. Die bestehenden Verfahren von internationalen Investor-Staat-Streitschlichtungen (ISDS) sind in der Tat verbesserungswürdig. Doch mit TTIP besteht die Chance, genau dies zu tun und den ISDS eine sachgerechtere und zukunftsfähigere Form zu geben, die unter Umständen sogar international zum Standard werden könnte. Mit dem kürzlich ausgehandelten CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen EU und Kanada hat die EU-Kommission bereits deutliche Verbesserungen erreicht, so ist nun beispielsweise das Regulierungsrecht des Staates festgeschrieben.

Nicht zuletzt wird zudem immer wieder die Frage gestellt: Wird TTIP anderen Staaten schaden oder nutzen? Da unterscheiden sich die Meinungen der Experten, Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Effekte auf Drittländer werden umso weniger negativ und gegebenenfalls auch positiv sein, je mehr Wachstum TTIP generiert, je mehr andere Staaten ihrerseits als Reaktion auf TTIP Handelsbarrieren abbauen und je offener TTIP gestaltet wird. EU und USA können und müssen TTIP hier so gestalten, dass negative Auswirkungen auf Drittländer so weit wie möglich vermieden werden.

Fazit: TTIP mit hohen Standards ist ein Gewinn für alle

TTIP muss die in der EU gewohnt hohen Standards gewährleisten und eine ISDS schaffen, die modernen Ansprüchen genügt. Außerdem müssen die Verhandlungen transparenter gestaltet werden. Dann kann das neue Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa zum wichtigen ökonomischen und politischen Signal werden – für die Förderung des Wachstums, für die Handlungsfähigkeit der EU und gegen Protektionismus. Und es sollte nicht vergessen werden: Die Debatte über TTIP ist auch eine Diskussion über das Pro und Kontra von Globalisierung und Marktwirtschaft. Diesen Fundamenten verdankt Deutschland als offene Volkswirtschaft seinen hohen Lebensstandard. Die USA fokussieren sich wirtschaftlich schon lange nicht mehr nur auf Europa, sondern blicken vermehrt auf den schnell wachsenden asiatisch-pazifischen Raum. Ein Transpazifisches Partnerschaftsabkommen (TPP) wird bereits verhandelt. Wenn ein guter TTIP-Vertrag letztlich aufgrund wenig nachvollziehbarer Widerstände in Deutschland scheitern sollte, wäre das für die deutsche und europäische Außenpolitik ein fatales Signal.

Weitere Informationen:
Jürgen Matthes (IW Köln): Erfolgsfaktor offene Märkte – Gefahren durch Protektionismus und TTIP Debatte. Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).

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