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Marktdesign: Grenzen des Wissens beachten

Marktdesign ist eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe. Richtig durchgeführt kann es aber gesellschaftlichen Nutzen bringen und Kosten senken. Wie das funktionieren kann, erklären Dr. Susanne Cassel und Dr. Tobias Thomas.

Dr. Susanne Cassel und Dr. Tobias Thomas

Autor/Autorin

Dr. Susanne Cassel und Dr. Tobias Thomas

sind Vorsitzende bei Econwatch, einer gemeinnützigen und unabhängigen Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verständlich und wissenschaftlich fundiert über Wirtschaftspolitik zu informieren und Reformmöglichkeiten aufzuzeigen.

Der folgende Policy-Brief (.pdf) entstand auf Grundlage des Econwatch-Meetings „Gute
Regeln für Märkte – Wie Marktdesign der Wirtschaftspolitik helfen kann“ mit Prof. Dr. Achim Wambach (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung)
. Das Video wurde im Vorfeld der Veranstaltung aufgenommen.

Bitte um dieses Video anzusehen.

Durch die Wettbewerbsordnung und andere rechtliche Regeln legt der Staat den Rahmen für Märkte fest, auf denen Anbieter und Nachfrager von Produkten und Dienstleistungen zusammentreffen. Dabei haben die Regeln einen entscheidenden Einfluss auf das Marktergebnis, also welche Preise und Mengen zu welcher Qualität realisiert werden. Marktdesign zielt darauf ab, Regeln für spezifische Märkte und Institutionen so zu gestalten, dass sie funktionsfähig und stabil sind. Der Anwendungsbereich von Marktdesign reicht von der Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen über die Vergabe öffentlicher Aufträge bis zum Handel mit Emissionsrechten. Auch in Bereichen, die gemeinhin nicht als Markt aufgefasst werden, wie die Vergabe von Kindergarten-, Schul- und Studienplätzen oder die Zuteilung von Spenderorganen, können gut gestaltete Regeln helfen, erwünschte Ergebnisse bestmöglich zu erzielen. Wird Marktdesign von der Politik genutzt, ist es wichtig, dass die Ziele, die damit erreicht werden sollen, klar definiert und demokratisch legitimiert werden. Allerdings können Fehler beim Marktdesign gravierende Auswirkungen haben. Marktdesignprojekte sollten daher zunächst sorgfältig getestet und mit einer Ex-post-Evaluation verbunden werden.

Ein typischer Anwendungsfall von Marktdesign sind Auktionen. So geht Marktdesign etwa der Frage nach, wie die Auktionsregeln für die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen aussehen sollten, so dass eine günstige, flächendeckende Bereitstellung von Mobiltelefondiensten in einem kompetitiven Mobilfunkmarkt erreicht wird. Oder wie der Handel mit Emissionsrechten gestaltet sein sollte, so dass das Klima möglichst kostengünstig geschützt wird. In dem Maße, in dem sowohl die Politik vermehrt auf Auktionslösungen setzt als auch private Unternehmen wie z. B. Ebay und Amazon Versteigerungen nutzen, wird das Anwendungsfeld für Marktdesign größer. Technologische Entwicklungen erlauben es dabei, neue, immer komplexere Marktdesigns zu nutzen.

Marktdesign stützt sich auf die Erkenntnisse der Wirtschaftstheorie und ergänzt diese
um die Details und Komplexitäten spezieller Märkte. Die theoretischen Analysen
werden in Simulationen und Experimenten getestet. Auf dieser Basis werden dann
Marktregeln gestaltet. Erfolgreiches Marktdesign durchläuft mehrere Prozessstufen:
Zunächst erfolgt eine Ex-ante-Evaluation, mit der die Situation analysiert wird. In einem
zweiten Schritt werden detaillierte Regeln für den untersuchten Markt entworfen.
Diese werden dann experimentell und mithilfe von Simulationen getestet. Die folgende
Umsetzung des Regelrahmens wird wissenschaftlich begleitet und zum Abschluss
werden die Ergebnisse ex-post evaluiert, um ggf. nachsteuern zu können.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Anwendung des Marktdesign-Prozesses bietet der
Markt für Mobilfunkfrequenzen. Deren Allokation hat wesentlichen Einfluss auf die
Struktur des Mobilfunkmarktes. Zunächst wurden Frequenzen in Deutschland nach
einer Anhörung von Bewerbern durch die Regulierungsbehörde vergeben. Die Ineffizienz
dieses Verfahrens beruhte vor allem auf fehlenden Anreizen für die Bewerber,
wichtige Informationen zu offenbaren. Marktdesigner schlugen vor, die Frequenzen
zu versteigern. Mithilfe von Methoden aus der Auktionstheorie wurden Regeln für
eine solche Auktion entwickelt, die im bestehenden rechtlichen Rahmen umsetzbar und hinreichend einfach waren, um robuste Verfahren sicherzustellen. Beispielsweise
sorgen so genannte Aktivitätsregeln, die vorsehen, dass nur derjenige Bieter spät in
der Auktion aktiv sein darf, der auch bereits zu Beginn mitgeboten hat, dafür, dass die Bieter ihre Informationen im Verlauf der Auktion offenbaren. Diese Regeln wurden anhand von Laborexperimenten und Simulationen getestet und anschließend implementiert. Die Auktionen, bei denen die Regeln Anwendung fanden, wurden ex-post evaluiert, wobei Verbesserungspotential festgestellt wurde.

Auch auf Märkten ohne Preismechanismus, wie z. B. der Zuteilung von Schülern auf
Schulen, der regionalen Verteilung von Flüchtlingen oder der Zuteilung von Spenderorganen, kann Marktdesign helfen, bessere Ergebnisse zu erzielen. Wird Marktdesign eingesetzt, um politische Ziele zu erreichen, müssen diese zunächst klar definiert und demokratisch legitimiert werden. Wenn es mit Marktdesign dann gelingt, diese Ziele bestmöglich und zu den geringsten Kosten zu erreichen, kann es gesellschaftlichen Nutzen entfalten.

Allerdings ist Marktdesign eine anspruchsvolle Aufgabe. So müssen vielfältige Komplexitäten beachtet und das mögliche Verhalten der Marktteilnehmer antizipiert
werden. Auktionsdesigns müssen auch dann robust sein, wenn sich unerfahrene Akteure beteiligen oder Experten versuchen, die Regeln für sich auszunutzen. Da kleine Fehler im Regeldesign große Auswirkungen haben können, sollte Marktdesign mit der notwendigen Sorgsamkeit eingesetzt werden.

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