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Re-Regulierung des Handwerks: Vorwärts in die Vergangenheit

Auf Druck des Handwerksverbands ZDH will die Politik den Meisterzwang wiedereinführen. Die Auswirkungen auf das Angebot wären verheerend und würden die Preise für Kunden in die Höhe treiben.

Weil Handwerker derzeit knapp sind und viele Menschen über mangelnden Service klagen, nutzt der Handwerksverband ZDH die Gunst der Stunde und möchte die Meisterpflicht für jene Handwerksbereiche, die 2004 dereguliert wurden, wieder einführen. Sekundiert wird ihm von Politikern der Union wie auch der SPD, denn angeblich habe der Verzicht auf den Meisterbrief in 53 Berufsfeldern – die aber nur für ein Fünftel aller Beschäftigten im Handwerk stehen – nicht nur die Qualität gesenkt, sondern auch zum Rückgang der Ausbildungszahlen geführt. Tatsächlich hat die Anzahl der Auszubildenden im Handwerk in den letzten 20 Jahren um etwa 40 Prozent auf zuletzt noch 365.000 abgenommen.

Stichhaltig sind die Argumente jedoch trotzdem nicht. Keine Studie kann belegen, ob die Qualität der Arbeit von Fliesenlegern, Jalousiebauern oder Schneidern überhaupt abgenommen hat – oder nur das allgemein verbreitete Gefühl, dass „früher alles besser war“, hinter dieser Aussage steckt. Unklar bleibt auch, ob die Leistungen von Handwerkern in den weiterhin zulassungsbeschränkten Feldern wie Maurer, Zimmerer oder Installateur von den Kunden besser bewertet werden als jene in den zulassungsfreien Berufen. Und natürlich steht es dem Kunden weiterhin frei, gezielt einen Meisterbetrieb zu beauftragen oder in Internet-Bewertungsportalen Unternehmen mit guten Leistungen auszuwählen.

Mit dem Ausbildungsargument widerspricht sich der ZDH in gewisser Weise sogar selbst, denn bereits jetzt gibt es im Handwerk etwa 20.000 unbesetzte Ausbildungsplätze in Meisterbetrieben, für die sich keine Bewerber finden. Wie zusätzliche Meisterbetriebe – für die es allerdings derzeit auch gar keine Meister gibt – angesichts mangelnder Interessenten für eine Handwerkslehre zu mehr Ausbildung von Fachkräften führen sollen, bleibt unter diesen Bedingungen schleierhaft.

Klar auf der Hand liegen jedoch die Wettbewerbseffekte: Mit dem Hochziehen von vor 14 Jahren mühsam geschleiften Hürden werden Handwerksleistungen in einer Zeit weiter verknappt, in der es ohnehin eine Vollauslastung der Kapazitäten und lange Wartezeiten gibt. Müssten viele der Soloselbstständigen in den 53 von der Meisterpflicht befreiten Handwerksberufen ihr Geschäft aufgeben und wieder bei einem Meisterbetrieb arbeiten, dürften die Preise deutlich steigen. Während Solohandwerker teilweise für 20 Euro pro Stunde arbeiten, berechnen Handwerksbetriebe in den 41 weiterhin regulierten Bereichen etwa 55 Euro pro Stunde. Viele Kunden dürften von derartigen Stundensätzen aber finanziell überfordert sein und auf Schwarzarbeit oder Eigenleistung ausweichen – mit entsprechenden Folgen für Qualität und Sicherheit.

Zudem widerspricht ein Ausbau der Regulierung in einem zentralen Wirtschaftsbereich diametral den Empfehlungen, die internationale Ökonomen beispielsweise der OECD für die deutsche Wirtschaftspolitik gegeben haben. Durch den demografischen Wandel wird Deutschland von einer weiteren Verlangsamung des Produktivitätswachstums bedroht, denn produktivitätssteigernde Innovationen werden zumeist von jungen Forschern und Entrepreneuren in das Wirtschaftsgeschehen eingebracht. Um diesen wohlfahrtsmindernden Effekt auszugleichen, werden nicht nur mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Digitalisierung angeregt, sondern auch ein Abbau innovationshemmender Regulierungen im Dienstleistungssektor und weiteren Wirtschaftsbereichen wie dem Handwerk.

So bleibt nur zu hoffen, dass es den Regulierungsbefürwortern nicht gelingt, einen europarechtskonformen Weg zur Ausweitung der Meisterpflicht zu finden. Denn die hohen Zugangshürden zum deutschen Markt für ausländische Handwerker waren der EU schon 2003 ein Dorn im Auge. Neben der Gründung neuer Betriebe und der Schaffung von Arbeitsplätzen war der Druck der EU-Wettbewerbshüter ausschlaggebend für die Reform: Der damalige Bundeswirtschaftsminister Clement kam mit der Eingrenzung der Meisterpflicht auf gefahrgeneigte Handwerke wie Elektroinstallateure oder Gerüstbauer einem Verfahren aus Brüssel zuvor. Bei einer Wiedereinführung des „Großen Befähigungsnachweises“ in den 53 aktuell befreiten Berufen dürfte die EU Kommission daher kaum tatenlos zusehen. Eine „Lösung“ könnte die Beschränkung der Zugangshürde auf Inländer sein, während zum Beispiel ausgebildete polnische Handwerker weiterhin ihre Leistungen ohne Meisterbrief anbieten dürften. Eine derartige Inländerdiskriminierung wäre aber einerseits kaum zu vermitteln und andererseits vollkommen wirkungslos, da der Boom der Kleinstunternehmen in den zulassungsbefreiten Handwerksbereichen gerade von Gründern aus dem EU-Ausland getragen wurde.

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