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Sharing Economy: Prototyp einer sozialen Marktwirtschaft

Bei der jüngeren Generation verliert dauerhaftes Eigentum an Relevanz. Sie nutzt stattdessen vermehrt Sharing-Angebote, die einen temporären Zugang zu Konsumgütern oder Dienstleistungen bereitstellen. Wie kam es zu diesem Umdenken und was bedeutet die Sharing Economy für unsere Zukunft?

Seit Jahrhunderten streben die Menschen nach Besitz und Eigentum. Man arbeitet, um sich etwas leisten zu können, das eigene Sachvermögen aus- und auf diese Weise einen gewissen Lebensstandard aufzubauen.

Im Sinne der klassischen Eigentumstheorien wurde das Eigentum als von der Natur vorgegebenes Recht definiert und findet sich heute vielerorts in den Verfassungen freiheitlich-demokratischer Staaten wieder. Selbst immaterielle Güter wie Erfindungen, Werke und Marken werden als (geistiges) Eigentum anerkannt.

Nun erleben wir beim Durchblick unserer Historien, dass das Eigentum meist nur mit einem ausgewählten Kreis persönlicher Kontakte wie Freunden und der Familie geteilt wurde. Offensichtlich gibt es bei körperlichen Gegenständen eine räumlich-zeitliche Exklusivität sowie Abnutzungserscheinungen, weswegen die Begrenzung des Teilens auf einen ausgewählten Nutzerkreis sinnvoll erscheint, da sonst nach zu viel Teilen nichts mehr zum Teilen übrig bliebe. Bei Immaterialgütern hingegen verlieren diese Argumente ihre Schlagkraft.

Bei der heutigen jüngeren Generation, den „Digital Natives“, verliert das Eigentum an beziehungsweise Besitzen von Dingen im Sinne einer exklusiven Rechtsposition zunehmend an Relevanz. Anders als bei der Vorgängergeneration liegt der Fokus vor allem auf der lösungsorientierten, zeitlich konkreten Nutzung von Gütern. Man zahlt ganz bewusst nicht mehr für den dauerhaften Besitz, sondern für die temporäre Nutzungsmöglichkeit. Statt zu fragen: „Warum mieten, wenn du es auch kaufen kannst?“, wird das neue Dogma: „Warum kaufen, wenn du es auch mieten kannst?“

Die Ressourcenknappheit, der Klimawandel und die humanitären Krisen auf der Welt befördern ein auf Nachhaltigkeit basierendes Konsumentenverhalten, das sich nicht nur durch nachhaltigere Produktangebote, sondern auch in Form von vielseitigen Sharing-Modellen am Markt niederschlägt. Folglich lässt sich eine fortschreitende Auflösung des eigentumorientierten Markts erkennen, an dessen Stelle sich eine Ökonomie des Teilens und gemeinsamen Nutzens von Eigentumsgütern, eine „Post-Ownership Economy“, etabliert.

Diese Sharing-Geschäftsmodelle weisen dabei immer zwei Gemeinsamkeiten auf: die Verwendung von Non-Ownership-Strukturen, bei denen der temporäre Zugang zur Nutzung von Konsumgütern und Dienstleistungen im Vordergrund steht, und die Verknüpfung mit dem Internet in Form des Web 2.0, um diese Strukturen überhaupt zu ermöglichen.

Rolle von Plattformen

Doch wie kam es dazu, dass sich ein so traditionelles menschliches Verhalten wie das Teilen im Laufe einiger Jahre zu einem ertragreichen Geschäftsmodell entwickelt hat? Die für freiwillige Distributionshandlungen erforderlichen Entscheidungsfaktoren sind Vertrauen und Sicherheit. Mit der Eigentumserlangung übernehmen wir Verantwortung für den Gegenstand und möchten daher – nicht zuletzt zwecks Vermeidung negativer, oftmals kostspieliger Überraschungen – frei und auf Basis ausreichender Information über potenzielle Mitnutzer entscheiden.

Je enger dabei das Eigentumsgut an unsere persönliche Privatsphäre geknüpft ist und je höher der monetäre oder immaterielle Wert der Sache für uns ist, desto kritischer nehmen wir es mit der Auswahl dieser Personen. So kommt es, dass wir teure oder private Gegenstände lange Zeit nur mit unseren engsten Freunden und Verwandten teilen wollten.

Vertrauen und Sicherheit wurden hier durch persönliche Bekanntheit und die damit verbundenen Regressautomatismen erzeugt. Im Zweifel wurde dieses Vertrauen durch vertragliche Sicherheit ergänzt. In einer globalen Wirtschaftswelt besteht zwischen Nutzer und Eigentümer jedoch häufig eine physische Distanz und auch der Bekanntheitsgrad zwischen den Parteien ist im professionellen Kontext eher gering. Der Sicherheits- und Vertrautheitsgrad sinkt demnach automatisch.

In diese Lücke treten seit der Entwicklung des Internet 2.0 digitale Plattformen, die das Konzept der Vertrauensverlagerung auf die Technik und das Netzwerk verfolgen. Neben den zahlreichen Kommunikationstechnologien, die den direkten Austausch zwischen Nutzern und Eigentümern ermöglichen, tragen vor allem die digitalen Sicherheitskonzepte der Plattformen zu der Etablierung eines für eine Sharing-Kultur notwendigen Nährbodens bei.

Diese Plattformen sind nicht zuletzt deshalb so attraktiv, weil sie im Falle eines Dissenses zwischen den Parteien die Abwicklung des gestörten Vertragsverhältnisses übernehmen und/oder umfangreiche Versicherungen anbieten. Ihr Instrumentarium zur Regulierung der Plattform reicht dabei von der Festsetzung detaillierter Nutzungsbedingungen bis zu Nutzersperren bei besonders schweren Verstößen. Man könnte sie daher als eine Art Schiedsrichter betrachten, der den menschlichen Intermediär wie etwa einen Anwalt oder Notar bis zu einem bestimmten Grad ersetzt.

Allerdings gilt hier das Minimalprinzip, sodass das Eingreifen der Plattformbetreiber immer subsidiär hinter der Selbstregulierung durch die Nutzer steht. Besonders beliebt sind hier beidseitige Ratingsysteme, die zu einer ersten Einschätzung der Personen hinter dem Profil befähigen und damit ex ante zu sichereren Geschäftsbeziehungen führen.

Fazit: Sharing-Economy ist die Zukunft

Collaborative Consumption, also die geteilte Nutzung von Gütern, ist nicht nur Inhalt disruptiver Geschäftsmodelle, sondern unter dem Stichwort Sharing Economy als Folge eines gesellschaftlichen Umdenkens ein Disruptor des gesamten klassischen Güterhandels. Unternehmen, die am Markt überleben wollen, müssen daher ihre auslaufenden, auf den eigentumsvermittelnden Verkauf fokussierten Geschäftsmodelle überarbeiten und durch flexiblere Angebote ersetzen beziehungsweise ergänzen.

Ein wesentlicher Lösungsansatz bietet der Vertrieb des eigenen Produkts über Plattformen. Im Zuge der Etablierung einer Plattformkultur geht es für Unternehmen in Zukunft nicht nur darum, ein Produkt herzustellen, sondern auch in Kontakt mit Plattformen zu treten, um dieses zu vermarkten. Auch das Erstellen eigener, an die individuellen Unternehmensbedürfnisse angepasster Plattformen kann hier zielführend sein. Erfolg versprechend sind vor allem solche Modelle, die den klassischen Verkauf der Ware durch die Vermarktung der eigenen Produkte als Güter zur temporären Nutzung ergänzen.

Obwohl der Güteraustausch dank der digitalen Möglichkeiten Peer-to-Peer erfolgt, ist die Idee der Collaborative Consumption daher eng mit der Herausbildung einer Plattformkultur verbunden. Ihre Rolle als digitaler Mediator umfasst sechs vorteilhafte Merkmale:

  • Sie schaffen Flexibilität,
  • unterstützen bei der Zusammenführung von Vertragsparteien,
  • generieren weitreichende, zum Teil globale Nutzerdatenbanken,
  • organisieren Transaktionen,
  • schaffen das notwendige Vertrauen und
  • erleichtern auf diese Weise das kollektive und kollaborative Nutzen von Gütern.

Der Erfolg einer Plattform wächst mit der Marktdurchdringung und der Vielseitigkeit der Angebote. Neue Plattformen haben es daher schwer und müssen entweder ein qualitatives Alleinstellungsmerkmal aufgrund ihres einzigartigen Geschäftsmodells entwickeln oder sich eine neue Nische suchen.

Im Ergebnis birgt die zu beobachtende Entwicklung zu einer kollaborativen Konsumgesellschaft daher nicht nur wirtschaftliche Chancen für Sharing-basierte Geschäftsmodelle, sondern stellt auch einen Beitrag zur nachhaltigen und flächendeckenderen Güterverteilung dar.

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