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Deutschlands Exportstärke schadet niemandem – und gibt dennoch Grund zur Sorge

Handelsbilanz Deutschland: Überschüsse steigen weiter.Die Kritik an Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit ist verfehlt – und offenbart mangelnde Sachkenntnis in der Zahlungsbilanztheorie. Die steigenden Ausfuhren sind kein Zeichen deutscher Stärke.

Von allen Seiten wird Deutschland angegriffen: Die Bundesrepublik sei zu exportstark, bemängeln die Kritiker. Das Land müsse sein Handelsbilanzüberschuss unbedingt abbauen. Nur so könne die schwächere Industrie der europäischen Partner wieder auf die Beine kommen.

Die Kritiker offenbaren dabei jedoch eine Schwäche bei den Grundlagen volkswirtschaftlicher Zahlungsbilanztheorie. Aus simpler Zahlungsbilanzarithmetik ergibt sich: Länder mit einem hohen Exportüberschuss bauen Ersparnisse im Ausland auf. Ein Land mit positiver Leistungsbilanz ist also ein Netto-Kapitalexporteur. Andersherum gilt: Kauft ein Land mehr Dienstleistungen und Güter als es verkauft, steigen dessen Verbindlichkeiten im Ausland. Das ist ein volkswirtschaftliches Naturgesetz.

Warum ist das so? Ein Land muss seine Importe irgendwie finanzieren. Es kann also entweder selbst mehr verkaufen, oder aber mehr Schulden aufnehmen. Dabei kann es durchaus so sein, dass die Kapitalströme die Güterströme bestimmen. Dann gilt: Bei gleichbleibenden Netto-Kapitalströmen bedeutet das: Exportiert ein Land weniger, kann es sich weniger Importe leisten – und so die Nachfrage und Konjunktur anderer Staaten nicht weiter ankurbeln. Die Forderungen an Deutschland, seine Exporte einzuschränken, könnten deswegen ein Schuss nach hinten sein.

Dennoch ist der Exportüberschuss Deutschlands nicht unproblematisch und gibt Grund zu Sorge. Die wachsenden Ausfuhren sind nicht Zeichen von großer Wettbewerbsfähigkeit, sondern das genaue Gegenteil. Offensichtlich wird Kapital nicht zu Hause in der Bundesrepublik investiert, sondern fließt ins Ausland ab. Der Heimatmarkt ist nicht lukrativ genug. Die Gründe sind schon lange bekannt: Ein undurchsichtiges Steuersystem und Überregulierung im Dienstleistungssektor – um nur zwei Punkte zu nennen. Hier sollte die neue Regierung ansetzen. Ein starkes Deutschland, das im Inland wieder mehr investiert, würde auch den europäischen Partnern helfen, die Krise zu überwinden.


Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung auf wiwo.de erschienen.