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Das Sparbewusstsein hat mehr Bedeutung denn je

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank vernichtet Sparanreize. Dabei erfüllt Sparen eine volkswirtschaftlich bedeutende Funktion. Um die Wirtschaft anzukurbeln, sollten daher die Zinsen steigen.

Nach der Hyperinflation von 1923 saß das Misstrauen tief und  die deutsche Bevölkerung musste erst wieder zum Sparen angeregt werden. Ein Jahr später wurde deshalb auf dem ersten internationalen Sparkassenkongress der letzte Arbeitstag im Oktober zum Weltspartag erklärt. Die Bevölkerung sollte so wieder zu eben jenem Konsumverzicht ermutigt werden, der über den Kreditmarkt erst zur Ausbildung von Investitionen führt.

Anders heute: Durch die derzeitige Währungspolitik der Europäischen Union der USA und Japans werden nicht nur Sparanreize zerstört, sondern – im Gegenteil – Konsum befeuert. Der Leitzins der EZB liegt momentan bei null Prozent und ist damit auf einem historischen Tiefpunkt. Banken können sich so günstig wie nie zuvor Geld leihen, dementsprechend sind die Zinsen für ein Konto bei einer Bank gering.

Das Ziel der EZB, die Preisniveaustabilität, ist für die europäische Notenbank nicht bei Deflation, sondern nur bei zweiprozentiger Inflation erreicht, was besonders auf die Angst vor einem Kreditmangel zurückzuführen ist.

Niedrige Zinsen führen  zu einer stärken Nachfrage nach Krediten. Der Einlagesatz von minus 0,4 Prozent sorgt dafür, dass das Angebot an Krediten künstlich hochgehalten wird, denn Banken müssen Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht ihr Geld bei der EZB einlagern wollen. Dies führt zu einer Verzerrung des Kreditmarktes. Durch die künstliche Kreditnachfragesteigerung kommt es auf Dauer zu Strukturproblemen, wenn Banken Kredite an nicht profitable Projekte vergeben.

Hinzu kommt: Die EZB kauft derzeit für rund 60 Milliarden Euro pro Monat Staatsanleihen an. Durch diese Nachfrageverschiebung sinken die Renditen für Staatsanleihen. Für einen Staat gibt es durch die geringen Zinsen keine Sparanreize mehr, teilweise real negative. Unter Umständen bekommen Staaten damit sogar real Geld dafür, dass sie Schulden aufnehmen. So besteht für Regierungen kein Anreiz zu sparen, und es wird auch langfristig keine ausgeglichenen Haushalte geben, wodurch die Staaten ihre massiven Schuldenberge vor sich hertragen, bis sich die Zinsen in einem freien Spiel der Märkte bilden. Erst dann wird es strukturelle Reformen geben.

Die Staaten finanzieren sich somit in großen Teilen auf Kosten derer, die ihr Geld nur zu künstlich niedrigen Zinsen anlegen können, und der Personen, die – wenn überhaupt – nur sehr geringe Renditen mit Staatsanleihen erzielen.

Die unkonventionelle Geldpolitik der EZB schadet ihrer eigenen Glaubwürdigkeit, denn sie macht neben der Geldpolitik auch Fiskalpolitik. Zusätzlich führt diese Geldpolitik zu einer Fehlallokation von Risiken und Kapital. Sparer erleiden durch die Vorgehensweise der EZB einen realen Verlust, denn sie können ihr Geld bei einer Bank für geringe Zinsen anlegen. Eine Inflation von 1,7 Prozent im Juli führt dann dazu, dass das Geld real entwertet wird.

Ab dem Moment, in dem sich die Renditen der Staatsanleihen frei auf dem Markt bilden können, müssen die Staaten umdenken und nicht mehr so viele oder vielleicht sogar gar keine Schulden mehr aufnehmen, da sie es sich nicht mehr leisten können. Dann werden die Sparer wieder anfangen, ihr Geld auf einem Konto oder in einer Lebensversicherung anzulegen, und langfristig Rücklagen für schlechtere Zeiten bilden.

Spareinlagen sind nämlich kein Rückschlag für den Konsum, sondern bilden über den Kreditmarkt die Grundlage für Investitionen, die für den Ausbau von Produktionskapazitäten nötig sind. Gerade in der derzeitigen Situation sollte die EZB daher nicht die Anreize für die Sparer reduzieren, sondern sie sogar steigern, da nur über eine Steigerung der Produktivität die Wirtschaftsleistung langfristig ansteigen kann. Zuerst muss die Produktion steigen, damit später die Konsummöglichkeiten für die Bürger wieder in vollem Maße zur Verfügung stehen.

Das Sparbewusstsein hat daher heute mehr Bedeutung denn je. Es muss klargemacht werden, dass die Eingriffe der EZB erhebliche negative Folgen nach sich ziehen können und dass diese Politik geändert werden muss. Die Spareinlagen müssen wieder zur Finanzierung von Investitionen in die Zukunft und nicht zur Finanzierung der aktuellen Ausgaben herangezogen werden. Dies kann nur durch eine Anpassung der Zinssätze an die Bedingungen von Angebot und Nachfrage erreicht werden.

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