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Planwirtschaft im Wohnungsmarkt: Wie die Politik jenen schadet, denen sie vorgibt zu helfen

Der Wohnraum ist in machen Gegenden Deutschlands knapp, die Miet- und Kaufpreise entsprechend hoch. Auf solche Entwicklungen hat die Politik seit jeher mit Regulierung reagiert. Sie verspricht den Wählern (vor allem den Mietern), die Lage zu ihren Gunsten zu verbessern. Doch das Gegenteil von gut ist bekanntlich gut gemeint. Kaum ein Markt ist mittlerweile mehr reguliert als der Wohnungsmarkt. Die Folge: Es wird weniger Wohnraum geschaffen als möglich wäre - den (höheren) Preis zahlen die Bewohner. 

Der Wohnungsmarkt ist ein ordnungspolitischer Sündenpfuhl. Trefflich studieren lässt sich das am Bild der Hauptstadt, die freilich mit ihrer Wohnraumbewirtschaftung nicht allein steht. Seit zwei Jahren gilt in Berlin ein „Zweckentfremdungsverbot“, das Eigentümern untersagt, eine Wohnung leer stehen zu lassen, sie zum Feriendomizil oder zum Büro umzuwandeln. Zudem verhindert der „Milieuschutz“ eine Aufwertung von Wohnungen beispielsweise durch Zusammenlegung, Anbau eines Zweitbalkons oder Verlegen einer Fußbodenheizung, was einer „Gentrifizierung“ des Viertels und damit einer „sozialen Verdrängung“ vorbeugen soll. Wer sein Eigentum nicht länger vermieten will, sondern als Eigentumswohnung veräußern will, braucht dazu in den ausgewiesenen Milieuschutzgebieten Berlins eine Genehmigung. Und zudem gibt es Mietpreisbremsen, sogenannte Kappungsgrenzen für bestehende wie auch für neue Mietverhältnisse, die im gesamten Stadtgebiet greifen.

Die Kappungsgrenze für Bestandsmieten, vom Berliner Senat im Mai 2013 erlassen, hat nun der Bundesgerichtshof in Karlsruhe in einem Grundsatzurteil bestätigt (Az.: VIII ZR 217/14). Die Steigerung darf 15 Prozent innerhalb von fünf Jahren nicht überschreiten. Gegen das neue Urteil, nach dem die Berliner Stadtregierung ein durchaus legitimes Ziel verfolgt, wenn sie in „Gebieten mit besonderer Gefährdungslage“ einen zu raschen Anstieg des Mietzinses auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete dämpft, ist juristisch wenig einzuwenden. Doch nicht alles, was der gesetzliche Rahmen erlaubt, ist ordnungspolitisch sinnvoll. Mindestens drei Einwände sprechen gegen die Planwirtschaft im Wohnungswesen.

Problem Nr. 1: Eingriffe in das relative Preisgefüge. Das ist so ungefähr das Dümmste, was die Politik tun kann. Flexible Preise sind ein hochsensibler Indikator für gegebene und sich verändernde Knappheiten, sie vermitteln essentielle Anreize. Wenn aufgrund einer starken Zuwanderung in die beliebte deutsche Hauptstadt dort der Wohnraum knapper wird, ist es ganz normal und richtig, dass die Wohnungspreise und Mieten steigen. Denn damit wird es attraktiver, Wohnraum bereitzustellen – es wird also mehr gebaut und mehr instandgesetzt. Sobald das Wohnungsangebot erhöht ist, lässt der Preisdruck auch wieder nach.

Die Befürworter der Mietpreisbremse, zu denen in Berlin auch die an der Senatsregierung beteiligte CDU zählt, nehmen diesen Verweis auf den wichtigsten marktwirtschaftlichen Mechanismus nicht ernst. Von der Linken tönt es, der Neubau komme auch ohne exakte Preissignale voran, auch die noch zulässige Mietsteigerung liege noch oberhalb der Inflationsrate und mache Kapitalinvestitionen in Wohnraum attraktiv. Es stimmt, dass in Berlin der Wohnungsbestand wächst, sogar zwar mit zunehmender Geschwindigkeit. Aber niemand kann nachweisen, dass der Wohnungsbestand nicht noch schneller wüchse, wenn es keine Preisdeckelung gäbe. Und theoretisch kann daran sowieso kein Zweifel bestehen: Steigende Preise dämpfen die Nachfrage und stimulieren das Angebot. Nur wenn dieser Zusammenhang außer Kraft ist, kann aus ordnungspolitischen Gründen allenfalls eine Mietpreisbremse angeraten sein – also dann, wenn steigende Preise die Nachfrage sogar noch anfachen. Denn dann gehen von den Preisen missverständliche Signale aus, die nicht auf die echten Knappheitsverhältnisse schließen lassen. Dieses Problem kennt man allerdings weniger in Berlin als in einer Stadt wie Genf, wo sich eine internationale Milliardärsklientel überhaupt erst durch das Signal steigender Preise für den Wohnraum zu interessieren beginnt.

Anders als die Linke scheint der schwarz-rote Berliner Senat immerhin ein schlechtes Gewissen zu haben. Er versucht, die verknappende Wirkung seiner Preisdeckelungen und Nutzungseinschränkungen mit anderen Maßnahmen auszugleichen. Ein Wohnungsbaufonds unterstützt den Neubau von Wohnungen; eine Aufstockung des Personals in der Verwaltung soll dafür sorgen, dass die beantragten Baugenehmigungen schneller erteilt werden.

Problem Nr. 2: Eingriff in das Privateigentum. In ordnungspolitischer Perspektive ist diese sehr weitreichende Einschränkung der Verfügungsrechte von Wohnungseigentümern inakzeptabel. Zwar kennt das deutsche Grundgesetz die „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“. Und schon so große Denker wie Adam Smith (1723-1790), der Begründer der modernen Volkswirtschaftslehre, waren sich darüber im Klaren, dass sich das Privateigentum überhaupt nur dann halten und vor Übergriffen schützen lässt, wenn die Besitzenden die Armen durch ein gewisses Maß an Umverteilung gleichsam „ruhigstellen“.

Auch Walter Eucken, Vordenker der Wettbewerbsordnung, die im Zentrum der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland steht, schrieb in seinen „Grundsätzen der Wirtschaftspolitik“ (1952): „Privateigentum bei vollständiger Konkurrenz bedeutet: a) Verfügungsmacht und Verfügungsfreiheit im Dienste der Volkswirtschaft; b) Ohnmacht, die Verfügungsmacht und Freiheit der anderen Eigentümer zu Lasten der Gemeinschaft einzuschränken. […] Das Privateigentum an Produktionsmitteln bedarf der Kontrolle durch die Konkurrenz.“ Die heute übliche Wohnraumbewirtschaftung schränkt diese private Verfügungsmacht und Verfügungsfreiheit allerdings derart weitreichend ein, dass nur noch der Schein eines Dienstes an der Volkswirtschaft erweckt werden kann. Dadurch, dass der Staat den Privaten ihre Wohnungsbauinvestitionen derart madig macht, entsteht am Ende nur ein volkswirtschaftlicher Schaden. Gut gemeint ist leider oftmals das Gegenteil von gut.

Problem Nr. 3: Anmaßung von Wissen. Der Berliner Senat schützt – völlig im Einklang mit dem Gesetz – die bestehenden sozialen Strukturen der Stadt. Das mag der Interessenlage der jeweiligen Klientel entsprechen. Und doch ist eine solche Status-quo-Fixierung vollkommen willkürlich. Sie stellt, um einen berühmten Ausdruck Friedrich August von Hayeks zu verwenden, nichts anderes als eine Anmaßung von Wissen dar – und zwar darüber, wie die optimale städtische Sozialstruktur aussieht. Für den Status quo ante spräche ebenfalls eine Menge – man müsste dann freilich die gesamte Leipziger Straße in Berlin zu der eleganten Flaniermeile rückbauen, die sie einmal war. Und ob bei dem maroden Charme mancher Straßenzüge in Neukölln vielleicht nicht doch das Marode gegenüber dem Charme überwiegt, ist schlicht Geschmackssache. Auch der wohl wichtigste Einwand, die ärmeren Bewohner kämen bei einer „Gentrifizierung“ unter die Räder und müssten aus ihrem angestammten Kiez im Zentrum fortziehen, ist wenig überzeugend. Hin und wieder aus Kostengründen den Standort wechseln zu müssen, ist per se nicht unzumutbar und auch kein Drama. Städte sind ein dynamisches Gebilde, sie transformieren und häuten sich unablässig, und was dabei entsteht, ist schwer vorauszusehen. Doch eins ist klar: wenn man normale ökonomische Anpassungsprozesse unterbindet, entstehen auch keine besseren Wohnungen für Arme.

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