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Der Markt kann es besser: Wie Deutschland aus der Kohle aussteigen sollte

Verlust von Arbeitsplätzen, steigende Strompreise, Versorgungslücken, größere Abhängigkeiten von Russland: Der Preis eines überhasteten Kohleausstiegs ist hoch. Hinzu kommt: Gut möglich, dass der deutsche Abschied vom Kohleabbau für das Klima nichts bringt. Besser wäre es, so Prof. Dr. Manuel Frondel, den Ausstieg über den Markt zu organisieren.  

Ginge es nach den Umweltverbänden, kann ein Kohleausstieg nicht schnell genug erfolgen. Die Begründung: Ohne einen forcierten Kohleausstieg können die langfristigen Klimaschutzziele Deutschlands nicht erreicht werden. Dabei ist durch die zur Neige gehenden Vorräte und das Ende von Abbaugenehmigungen für die Braunkohle ein Ausstieg ohnehin programmiert und im Laufe der 2040er Jahre zu erwarten. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU 2017) fordert jedoch als Beitrag zum Pariser Abkommen ein Ende der Kohleverstromung bereits bis zum Jahr 2035.

Wenngleich die Zeit bis dahin relativ lang erscheint, ist sie angesichts der langen Investitionszyklen im Kraftwerkssektor sowie des mit einem Kohleausstieg verbundenen Strukturwandels als eher kurz anzusehen − besonders im Vergleich zur Subventionierung der Steinkohleförderung in über mehr als eiem halben Jahrhundert. Daher erkennt auch der SRU (2017: 5) an, dass ein zügiger Kohleausstieg mit Herausforderungen verbunden ist: Neben der Sicherung der Stromversorgung sei der Ausstieg für die rund 30.000 direkt in der Kohleindustrie Beschäftigten sowie für die betroffenen Regionen sozialverträglich auszugestalten.

Dies dürfte für die strukturschwachen Regionen in Ostdeutschland, die ohnehin unter hoher Arbeitslosigkeit zu leiden haben, eine besondere Herausforderung sein, vor allem für die Lausitz. Dort spielen die Arbeitsplätze im Braunkohletagebau und in den angrenzenden Kohlekraftwerken noch eine bedeutende beschäftigungspolitische Rolle. Solche Regionen wären von den negativen Wertschöpfungseffekten eines Kohleausstiegs besonders gebeutelt.

Dieser Effekt wäre nicht unerheblich: Statt kostengünstiger heimischer Braunkohle, die von den globalen Energiepreisen gänzlich unabhängig ist, müsste künftig im Vergleich dazu sehr teures Erdgas importiert werden, um die Stromversorgungssicherheit mit Erdgaskraftwerken gewährleisten zu können. Angesichts einer hohen Importabhängigkeit bei Erdgas von über 80 Prozent müsste Deutschland das zusätzlich nötige Erdgas zu 100 Prozent importieren. Die aus der Erdgasgewinnung resultierende Wertschöpfung fände gänzlich im Ausland statt. Dass dadurch die ohnehin bereits hohe Abhängigkeit von Russland bei der Erdgasversorgung weiter stark zunehmen würde, sei nur am Rande erwähnt.

Darüber hinaus macht der bis 2022 erfolgende Ausstieg aus der Atomkraft einen zügigen Kohleausstieg zu einer hohen Herausforderung bezüglich Versorgungssicherheit. So hat Energy Brainpool (2017) im Auftrag von Greenpeace errechnet, dass bei einem Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 neben 30 Gigawatt (GW) Erdgas-Kapazitäten − das entspricht rund 30 Prozent des heutigen konventionellen Kraftwerksparks – über 150 GW Photovoltaik- (PV) und etwa 120 GW Windkraftkapazitäten neu installiert werden müssten. Dieser Zubau würde mehr als das Dreifache der im Jahr 2017 vorhandenen PV-Kapazitäten und mehr als das Doppelte der Windkraft-Kapazitäten bedeuten. Damit einhergehend wären Investitionen im hohen dreistelligen Milliardenbereich erforderlich, und die Stromversorgung würde sich erheblich verteuern. Es ist allerdings sehr schwer vorstellbar, dass diese Kapazitäten tatsächlich bis 2030 errichtet und die teils erheblichen Widerstände gegen die Installation von Windkraftanlagen überwunden werden können. Ein überstürzter Kohleausstieg würde daher die Sicherheit und Bezahlbarkeit der Stromversorgung in Deutschland in hohem Maße gefährden − zum Leidweisen der privaten und industriellen Verbraucher.

Zu all diesen Herausforderungen gesellt sich noch der Makel, dass durch einen deutschen Kohleausstieg für das Klima nichts gewonnen wäre, wenn die Bundesregierung die dadurch frei werdenden Zertifikate nicht aufkauft und vom Markt nimmt. Andernfalls werden die dadurch überschüssigen Zertifikate von anderen Emissionshandelsteilnehmern in Europa verwendet und so etwa Kohlekraftwerke andernorts länger betrieben.

Anstatt, wie in der Koalitionsvereinbarung notiert, ein fixes Enddatum für den Kohleausstieg festzulegen, wäre die neue Regierung vor diesem Hintergrund gut beraten, den Ausstieg dem Markt beziehungsweise steigenden Preisen für Emissionszertifikate zu überlassen. Dies hätte den Vorteil, dass Deutschland mit dem Kohleausstieg keinen klimapolitischen Alleingang in Europa beschreitet, denn damit würde es sich selbst schaden, andere EU-Länder würden jedoch von geringeren Zertifikatpreisen und Stromexporten nach Deutschland profitieren. Wenn es der Europäischen Kommission mit der Erreichung des Klimaschutzziels für das Jahr 2030 Ernst ist, die Treibhausgasemissionen EU-weit um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, führt an steigenden Preisen für Emissionszertifikate künftig kein Weg vorbei.

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Literatur: