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US-Handelspolitik nach dem Machtwechsel: WTO 2.0 entwerfen

Von dem Machtwechsel in den USA versprechen sich viele handelspolitische Akteure mehr Kooperation in den nächsten vier Jahren. Doch die USA haben vor allem ein konkretes Thema, zu dem sie kooperieren möchten: China. Für Deutschland und die EU ist China als Handels- und Investitionspartner viel zu wichtig, um die harte Konfrontation der USA mitzugehen. Gesucht wird nun der Mittelweg.

Der Machtwechsel in den USA wird zwar keine 180-Grad-Wende in der Ausrichtung der US-Handelspolitik mit sich bringen. Das Wahlprogramm von Joe Biden ist geprägt vom Grundsatz „Buy American“ und weitere Verschärfungen des protektionistischen Kurses sind nicht ausgeschlossen. Doch der Ton dürfte sich ändern – er wird versöhnlicher und auf Kooperation mit Verbündeten ausgerichtet.

Vor allem im Umgang mit China möchte der neu gewählte Präsident die bestehende Handelspolitik auf den Prüfstand stellen und anstatt im Alleingang die bestehenden Probleme anzugehen, etwa mit staatlich subventionierten Unternehmen oder dem Diebstahl geistigen Eigentums, die Zusammenarbeit mit anderen Ländern suchen und regelbasierte Lösungen erarbeiten. Nun besteht die Chance für mehr Dialog mit den USA und eine Wiederbelebung der Diplomatie bezüglich der globalen Handelsordnung.

So sehr die beschriebene Situation nach einer vielversprechenden Ausgangslage klingt, so sehr birgt sie auch große Herausforderungen. Denn Deutschland und die EU sind nicht bereit, den konfrontativen Kurs der USA gegenüber China in gleicher Härte mitzugehen. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner und hat sich in der Corona-Krise zum zweitwichtigsten Exportzielland entwickelt. Bereits im Jahr 2019 exportierte Deutschland Waren im Wert von 96 Milliarden Euro nach China. Zum Vergleich: Die US-Exporte nach China waren im selben Jahr mit umgerechnet 95 Milliarden Euro in etwa gleich groß.

„Der Versuch, die WTO zu reformieren, ist von großer strategischer Bedeutung.“

Die US-Wirtschaft ist jedoch gemessen am Bruttoinlandsprodukt mehr als 6-mal größer als die deutsche. Somit sind die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands andere als die der USA. Zwar zeigten verschiedene Initiativen der EU und auch Deutschlands, dass es auch für die hiesige Wirtschaft wichtig ist, die Probleme mit China identifiziert zu haben und nach Lösungen zu suchen. Doch das Ende 2020 abgeschlossene Investitionsabkommen CIA bestätigt nur die Zerrissenheit der EU im Umgang mit China, denn die Verhandlungen wurden trotz Vorwürfen bezüglich Menschenrechtsverletzungen, vagen Zugeständnissen bei Wettbewerbsverzerrungen und besserer, aber weiterhin nicht ausreichender Reziprozität abgeschlossen.

Blaupause für WTO-Reform gesucht

Nun stellt sich die Frage, wie die EU den USA zur Seite stehen können, ohne die direkte Konfrontation mit China mitzugehen. Eine Möglichkeit besteht darin, die liberalisierungswilligen und nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionierenden Länder dazu zu bewegen, im Rahmen eines umfassenden Handelsabkommens eine Blaupause für die Reform der Welthandelsorganisation (WTO) zu entwerfen. Dieses Abkommen sollte nicht nur Fortschritte im Bereich der Handelsliberalisierung enthalten. Darüber hinaus sollte es auch klare Regeln für die bestehenden Probleme mit China aufstellen, insbesondere mit Blick auf Industriesubventionen und die Nutzung von Staatsunternehmen. Es kann auch einen Schritt weiter gehen und weitere Bereiche, etwa den digitalen Handel und den Handel mit umwelt- und klimaschonenden Gütern, regeln beziehungsweise liberalisieren.

Wenn sich die EU, die USA, das Vereinigte Königreich, Kanada, Japan, Australien und noch weitere globale Wirtschaftsmächte zusammentun und im Rahmen eines solchen Abkommens einen Entwurf für die WTO 2.0 erarbeiten, dann haben sie bessere Chancen, die Welthandelsordnung perspektivisch durch die neuen Regeln zu ersetzen. Dann haben die WTO-Mitgliedstaaten, die aktuell wenig verhandlungsbereit sind, die Wahl: Entweder sie blockieren weiterhin die Reform der WTO und riskieren, dass die bereits genannten Wirtschaftsmächte als Ultima Ratio aus der WTO austreten könnten und sie den liberalisierten Marktzugang zu ihren wichtigsten Exportzielmärkten verlieren würden; oder sie lassen sich auf die veränderten Regeln ein und ermöglichen die Umsetzung des neuen Abkommens im Rahmen der WTO-Strukturen.

Ein solches Abkommen stellt ein Mammutprojekt dar und würde erhebliche Ressourcen der beteiligten Länder einbinden. Doch es ist von großer strategischer Bedeutung und müsste eine Priorität für die Zusammenarbeit der EU und der USA im Bereich der Handelspolitik darstellen.

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