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Die EZB sägt an dem Ast, auf dem Juncker sitzt

Die lockere Geldpolitik der EZB senkt die Produktivität und Innovationskraft europäischer Unternehmen. Wieso das zu wachsender Europaskepsis und mangelndem Vertrauen in etablierte Parteien führt, erklären Sebastian Müller und Prof. Dr. Gunther Schnabl.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die Europäische Währungsunion erweitern, um die Spaltung Europas zu überwinden. Und er hat noch mehr auf dem Wunschzettel: einen gemeinsamen Finanzminister, eine Sozialunion sowie Transfers für alte und neue Euroländer. Wer das alles bezahlen soll, bleibt unklar. Die EU-Finanzminister haben bereits abgewinkt. Juncker geht wohl davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) einspringt. Die kauft bereits jetzt in großem Umfang Staatsanleihen und könnte in Zukunft die Schuldpapiere der EU erwerben.

Doch mit der sehr lockeren Geldpolitik spaltet die EZB statt zu einigen, weil sie das wirtschaftliche Fundament Europas unterhöhlt. Das Wachstum auf dem Kontinent wurde lange Zeit von der Wirtschaftsordnung deutscher Prägung getragen: Freie Märkte und Preise sowie eine stabile Währung begünstigten Investitionen und Wachstum in Deutschland und seinen Nachbarländern. Diese Ordnung wurde in Form der vier Freiheiten – freier Güter-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr – auf die europäische Gemeinschaft übertragen. Die so erzielten Produktivitätsgewinne finanzierten lange Zeit steigende Löhne, den Ausbau der Sozialsysteme und auch eine wuchernde Brüsseler Bürokratie.

Doch nun lähmt die EZB über den Umweg der Finanzmärkte die Produktivitätsgewinne. Weil sie das Geld immer billiger macht, haben sich die Unternehmen an Gewinne aus sinkenden Finanzierungskosten gewöhnt. Die Innovationsbereitschaft und das Effizienzstreben haben hingegen nachgelassen, so dass das Wachstum gegen null tendiert. Im Ergebnis gibt es immer weniger zu verteilen. Zusätzliche Ausgaben werden zum Nullsummenspiel: was der eine erhält, muss ein anderer verlieren!

Das zeigt sich bereits länger in den Verteilungseffekten der lockeren Geldpolitiken, wie sie weltweit seit Beginn der 1990er Jahre verfolgt werden. Weil das billige Geld die Aktien- und Immobilienpreise nach oben treibt, profitieren vor allem die wohlhabenden und älteren Menschen, bei denen sich die Vermögen konzentrieren. Hingegen werden für junge Menschen nicht nur das Lohnniveau und die Rentenansprüche abgesenkt, sie müssen auch höhere Immobilienpreise und Mieten bezahlen. In jedem einzelnen EU-Land wächst die Anzahl der Frustrierten.

Die Abbildung zeigt den durchschnittlichen Geldmarktzins für die EU28 seit 1990. Ab 2012 – seitdem der Leitzins bei null liegt – sind die immensen Wertpapierkäufe der EZB in Zinssenkungen umgerechnet, so dass der Zinsindex ins Negative fällt. Zusammen mit den Zinsen sind die Produktivitätsgewinne abgesunken. Ebenso ist die Unterstützungsrate für die etablierten Parteien gefallen, weil sich immer mehr Wähler extremen linken und rechten Parteien zugewandt haben. Die etablierten Parteien erhöhen zwar die Staatsausgaben, um dem Missmut der Wähler entgegenzutreten. Doch deshalb muss die EZB noch mehr Staatsanleihen kaufen, was die negativen Wachstums- und Verteilungseffekte nochmals verstärkt.

Die EZB sägt damit an dem Ast, auf dem Juncker sitzt. Denn aus unseren Daten ist auch erkennbar, dass seit 1990 im Durchschnitt in der EU28 die – meist europakritischen – Parteien am rechten Rand stärker gewachsen sind als die Parteien am linken Rand. Das könnte daran liegen, dass der sinkende Wohlstand wachsender Bevölkerungsschichten in der Öffentlichkeit den freien Märkten, der Globalisierung und der Mobilität der Arbeiter innerhalb der EU angelastet wird. Die Politik ist dann dazu verführt, mit mehr Regulierung, Handelsschranken und Barrieren für die Zuwanderung von Arbeitskräften einzugreifen. Doch das lähmt die Produktivitätsgewinne und das Wachstum noch mehr.

Der Teufelskreis aus billigem Geld, schwindenden Produktivitätsgewinnen und steigender politischer Polarisierung unterminiert die wirtschaftliche Ordnung Europas. Deshalb sollten zusammen mit der sehr lockeren Geldpolitik Junckers kostspielige Vertiefungspläne schnell ad acta gelegt werden. Nur die Rückkehr zu den Prinzipien der freien Märkte und einer stabilen Währung, die Europas Integrationsprozess erst ermöglicht haben, kann langfristig den Zusammenhalt in Europa sichern.

Literatur:
Schnabl, Gunther (2017): The Failure of ECB Monetary Policy from a Mises/Hayek Perspective. CESifo Working Paper 6388.

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