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Netzneutralität: Die Perspektive eines Wettbewerbsökonomen

Die Deutsche Telekom will das unbegrenzte Surfen einschränken und nur noch Volumentarife anbieten. Das offene, freie Internet ist in Gefahr sagen Kritiker. Besteht Regulierungsbedarf?

Die Telekom hat angekündigt, die DSL-Flatrate aus dem Angebot zu nehmen und will nur noch Volumentarife anbieten, wie man sie heute schon vom mobilen Internet her kennt. Darüber hinaus sollen eigene Dienste, wie T-Entertain oder Internettelefonie, priorisiert werden, indem diese Angebote nicht vom Inklusiv-Datenvolumen zehren. Vor allem die Priorisierung von eigenen Inhalten sorgt für großen Unmut. Viele fürchten, durch eine Abkehr von der Netzneutralität würde die Freiheit des Internets beschnitten und Inhalte kontrolliert werden. Netzneutralität bedeutet, dass es keine Wertung bei der Datenübertragung gibt und alle Datenpakete gleich behandelt werden.

Zunächst einmal ist grundsätzlich festzustellen, dass eine preisliche Differenzierung nach Nutzungsverhalten durchaus sinnvoll ist. Die Internet-Backbones sind nicht kostenlos einfach da, sondern müssen bezahlt werden. Dass nun die „heavy user“, die viel nutzen, mehr zahlen sollen als „light user“ ist absolut vernünftig. Das ist auf fast allen anderen Märkten auch so.

Kritisch ist eher, dass die Telekom ihre eigenen Dienste bevorzugt behandelt. Ungewöhnlich ist aber auch das auf den meisten Märkten nicht. Ein Problem wird es nur dann, (a) wenn diese Bevorzugung verschleiert wird und für die Verbraucher nicht erkennbar ist (ist sie aber hier) und/oder (b) wenn die Verbraucher ihren Anbieter nicht wechseln können, z. B. weil es ein Monopol gibt oder lange Kündigungsfristen. Bei einer vorher nicht vereinbarten Drosselung des Dienstes gibt es jedoch immer Sonderkündigungsrechte.

Wenn die Telekom in ihren neuen Tarifen eine Chance sieht, Gewinn und Umsatz zu steigern, ist auch die Beschränkung von Datenvolumen und Priorisierung von bestimmten Diensten grundsätzlich nicht verboten. Wem das missfällt, der kann ziemlich problemlos den Anbieter wechseln und sollte das auch tun. Der Breitbandwettbewerb hat sich auch Dank der Kabelanbieter in den letzten Jahren deutlich intensiviert. Wer nicht wechselt, wenn ihm sein Anbieter missfällt, ist selbst schuld.

Die Idee, dass der Staat alle Anbieter zu einem möglichst gleichförmigen Angebot mit möglichst gleichen Tarifen zwingen soll, ist furchterregend. Ebenso ist es die Haltung, dass es einem selbst zu mühselig ist, den Anbieter zu wechseln, und daher der Staat den Anbieter zwingen soll, das zu produzieren, was ich gern hätte, ohne dass ich dafür auch nur mit dem Zeh wackeln muss. Der Wettbewerb lebt davon, dass Kunden ihren Anbieter wechseln, wenn er ihnen nicht gefällt. Nur das diszipliniert die Anbieter letzten Endes.

Für die Kunden ergeben sich durch differenzierte Angebote neue Möglichkeiten einen nach den individuellen Bedürfnissen zugeschnittenen Tarif zu finden. Der eine Kunde möchte vielleicht einen Tarif, in dem Videotelefonie prioritär behandelt wird, damit der flüssig telefonieren kann, ein anderer möchte lieber Emails ohne Verzögerungen versenden können. Was spricht dagegen dies zuzulassen? Durch eine gesetzlich festgeschriebene Netzneutralität würden Produkt- und Tarifinnovationen verhindert. Ökonomisch betrachtet, ist die Abkehr vom Prinzip einer strikten Netzneutralität also durchaus effizient.

Aufgabe des Staates ist es nicht, für ein möglichst homogenes Durchschnittsangebot für alle zu sorgen, sondern die Vermachtung von Märkten zu verhindern (dafür sorgen Kartellamt und Bundesnetzagentur, wenn man sie lässt), die Märkte für neue Anbieter offen zu halten und so den Verbrauchern eine effektive Auswahl zu ermöglichen – das nennt man übrigens Liberalisierung. So ergibt sich auch ein vielfältiges Angebot, aus dem Verbraucher das aussuchen können, was ihnen am besten gefällt. Dass das Angebot „alles für umsonst“ dann nicht dabei sein wird, mag manchem furchtbar ungerecht erscheinen, aber das ist leider unvermeidlich, solange die Infrastruktur und ihre Instandhaltung und Erweiterung nicht kostenlos vom Himmel fallen.


Nachtrag: Lesen Sie dazu ein Interview mit Prof. Haucap auf Zeit-Online.