Steuern und FinanzenTagged ,

Plädoyer für eine “dezentrale” Einkommensteuer!

Die Steuereinnahmen steigen von Rekord zu Rekord.620.000.000.000 (Sechshundertzwanzig) Milliarden Euro hat der Fiskus im vergangenen Jahr an Steuern eingenommen. Eine wahrhaft stolze Rekordsumme! Deutschland müsste damit seine öffentlichen Budgets ohne Neuverschuldung finanziert bekommen und sogar signifikante Überschüsse erzielen. Doch die Wirklichkeit sieht noch immer anders aus, wie wir wissen. Nur dank der Überschüsse der Sozialversicherungen verzeichnet unser Land aktuell einen positiven Saldo des staatlichen Gesamthaushalts.

Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Steuereinnahmen im Konjunkturverlauf wieder sinken und gleichzeitig die Ausgaben für Arbeitslosigkeit steigen. Vieles deutet derzeit daraufhin, dass die Erholungsjahre nach der harten Rezession des Jahres 2009 hinter uns liegen. Wir sollten uns auf rauere Zeiten einstellen. Ob Wolfgang Schäubles schwarze Null im Haushaltsvollzug des Jahres 2015 Bestand hat, versehe ich mit mehr als einem Fragezeichen.

  • Warum schafft die Politik es selbst bei guter Wirtschaftslage nicht, mit den Einnahmen des Staates auszukommen?
  • Warum verführen vermeintliche „Überschüsse“ in den Sozialkassen sofort zu neuen gesetzlichen Leistungsausgaben wie jetzt in der Renten- und Krankenversicherung?
  • Warum gehen viele Wählerinnen und Wähler dieser politischen Generosität auf den Leim, die sie doch schlussendlich selbst über höhere Steuern und Abgaben (oder Kaufkraftverluste bei ihren Ersparnissen) bezahlen müssen?

Der „Soli“ mit Ewigkeitsgarantie

Die Schuldenbremse steht ab 2020 für die Bundesländer verbindlich im Grundgesetz. Doch bei den derzeit laufenden Verhandlungen über die Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern gewinnt man immer stärker den Eindruck, dass nur über Erzielung von neuen Einnahmen gesprochen wird. Der Solidaritätszuschlag bleibt – in die Einkommensteuer integriert. Damit partizipieren erstmals auch die Länder direkt am Aufkommen aus dieser Gemeinschaftssteuer. Heute ist der „Soli“ noch eine reine Bundessteuer.

Ausgabenkürzungen stehen auf keiner politischen Agenda mehr. Weder die Union noch SPD, geschweige denn Grüne und Linke führen auch nur ansatzweise Debatten über strukturelle Reformen. Obwohl die Personalausgaben inklusive der Pensionen in den Ländern in den kommenden Jahren fast überall massiv steigen, wird das Problem tabuisiert.

Flankiert wird die nachlassende Konsolidierungsneigung auf der europäischen Ebene mit einem Argument, das vor allem die französische und die italienische Politik gegen das vermeintliche deutsche Spardiktat in Stellung bringen: Die mangelnde Investitionstätigkeit Deutschlands. Nur zu gern greifen sparunwillige Politiker auch in der deutschen Innenpolitik nach diesem argumentativen Strohhalm. Man will ja schließlich die Infrastruktur nicht verkommen lassen. Wer für Investitionen in Straßen und Schienen und digitale Netze Kredite aufnehme, ernte ja künftiges Wirtschaftswachstum. In Nordrhein-Westfalen rechnet die Landesregierung großzügig auch die Personalausgaben in der Bildung (inklusive der Pensionen für ausgeschiedene Lehrer) zu den Investitionen, die anteilig auch heute noch mit Milliardenschulden bezahlt werden. Ab sofort werden selbst Rüstungsausgaben nach EU-Statistik als Investitionen gezählt. Da ahnen wir, was angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Osteuropa an „investiven“ Mehrausgaben in den nächsten Jahren auf uns zukommt.

Ich komme auf den Ausgangspunkt zurück. Das riesige Steueraufkommen liegt fast ausschließlich in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Von den 620 Milliarden Euro Steueraufkommen entfallen auf reine Ländersteuern gerade einmal 15,7 (!) Milliarden Euro (Erbschaft- und Grunderwerbsteuer). Die Kommunen in Deutschland zeichnen mit ihrem Hebesatzrecht bei der Gewerbe- und der Grundsteuer für ein anteiliges Steueraufkommen von rund 56 Milliarden Euro verantwortlich.

Föderale Steuerautonomie führt zu mehr Ausgabendisziplin

Ich halte viel von marktwirtschaftlichem Wettbewerb. Aus meiner Sicht gehört auch ins Steuerrecht mehr Wettbewerb. Es ist ein Unding, dass Länder und Gemeinden jeweils mehr als ein Drittel ihrer Steuereinnahmen aus der Einkommensteuer beziehen, aber keinen oder kaum Einfluss auf deren Höhe haben. Denn diese wird exklusiv vom Deutschen Bundestag bestimmt. Wer aber politische Haftung und Verantwortung in einem föderalen Staat stärker auf die unterschiedlichen Staatsebenen adressieren will, muss einer dezentralen Einkommensteuer das Wort reden. Lassen wir doch künftig die Landtage und die Stadtparlamente über einen Landes- oder Kommunalzuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer entscheiden. Auch Abschläge wären denkbar. Nur wer über Einnahmenhoheit verfügt, hat auch politische Macht. Das sollten sich vor allem die Landespolitiker vor Augen führen, die sich derzeit hinter den Kulissen so massiv um die Einnahmenverantwortung drücken. Sie scheinen die Verantwortung zu fürchten, die mehr Steuerautonomie mit sich brächte. Stattdessen halten sie sich lieber gemeinsam beim Bund schadlos, wollen sich ihre Altschulden von dort bezahlen lassen.

Ich bin überzeugt, dass die Solidität in der Finanzpolitik wächst, wenn zusätzliche Ausgabenwünsche vor Ort zu Steuerhöhungen führen würden. Nur wer seinen Bürgern die Rechnung für mehr Wohlfahrt in Form höherer Steuern direkt präsentieren muss, bleibt auf dem Teppich. Und die Wähler dann vielleicht auch. Nur wenn wir die Verantwortung für Einnahmen und Ausgaben stärker dezentral bündeln, lässt sich langfristig und dauerhaft der Marsch in die weitere Verschuldung stoppen. Die Schuldenbremse für die Bundesländer steht derzeit zwar im Grundgesetz. Sie muss ihren Lackmustest aber erst 2020 bestehen. Für mich ist Wettbewerb ein Wesensmerkmal jeder funktionierenden Marktwirtschaft. Eine „dezentrale“ Einkommensteuer hätte für mich einen ähnlichen Charme.