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Die dritte Alternative: Warum befristete Beschäftigung auch für Arbeitnehmer ein Gewinn sein kann

Befristete Beschäftigung ist auf dem Vormarsch - so denken scheinbar viele. Auch im Wahlkampf spielt das Thema eine große Rolle. Doch was ist dran an der Behauptung?

„Immer mehr Arbeitnehmer haben befristete Arbeitsverträge.“ So oder so ähnlich lauten viele Schlagzeilen, die in Wahlkampfzeiten – aber nicht nur dann – zu lesen sind. Tatsächlich lässt sich die Aussage kaum belegen. Vielmehr zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes, dass der Anteil befristet Beschäftigter seit mindestens zehn Jahren konstant bei rund zehn Prozent liegt. Wenn überhaupt, ist die Befristungsneigung am aktuellen Rand etwas zurückgegangen. Nicht anders verhält es sich mit dem Befristungsanteil bei den Jüngeren. Der ist zwar höher als der von Älteren, dafür ist der Rückgang in den letzten Jahren sogar noch ausgeprägter.

Der Anteil befristeter Arbeitsverträge ist höher, wenn nicht alle bestehenden Beschäftigungsverhältnisse, sondern nur die neu begründeten betrachtet werden. Bei den Neueinstellungen liegt der Befristungsanteil nach Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei 45 Prozent. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um drei Prozentpunkte. Betrachtet man aber die langfristige Entwicklung der befristeten Neueinstellungen, zeigt sich deutlich, dass dem kein steigender Trend zugrunde liegt. Vielmehr kann auch hier festgestellt werden, dass sich in den letzten zehn Jahren keine nennenswerten Änderungen ergeben haben: Die Befristungsquote schwankte zwischen 42 und 47 Prozent. Solche Schwankungen sind schon deshalb erwartbar, weil die zugrunde liegende Datenbasis eine Stichprobe ist.

Nun könnte man nichtsdestotrotz den Standpunkt vertreten, dass jede Befristung eine zu viel sei. Aus Sicht des Arbeitnehmers hat eine Befristung in der Tat keine unmittelbaren Vorteile gegenüber einem gleichartigen unbefristeten Vertrag. Ungewiss ist aber, ob es tatsächlich immer diese beiden Alternativen sind, die zur Auswahl stehen. Betriebe setzen Befristungen aus einer Vielzahl von Motiven ein. Darunter fällt auch die Unsicherheit über die zukünftige Geschäftsentwicklung. Befristungen sind ein Instrument für Betriebe, notwendige Flexibilität herzustellen. Wenn eine Aufgabe nicht mit flexibler Arbeit erfüllt werden kann, verzichtet mancher Betrieb unter Umständen ganz darauf, diese Aufgabe anzunehmen. In diesem Fall tritt als dritte Alternative hinzu, dass gar kein Arbeitsplatz entsteht. Hinzu kommen die Flexibilitätsanforderungen, die vom Gesetzgeber oder aus der Belegschaft selbst kommen. Wer auf der einen Seite Arbeitnehmern Rechte auf begrenzte Teilzeitphasen, Elternzeit oder Sabbaticals einräumen will, muss auf der anderen Seite den Betrieben auch Flexibilisierungsinstrumente an die Hand geben, mit denen diese Anforderungen bewältigt werden können.

Als politische Maßnahme gegen den vermeintlichen Trend zu „immer mehr“ Befristungen wird häufig die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung vorgeschlagen. Sachgrundlose Befristungen machen knapp die Hälfte aller Befristungen aus und können nur bei Neueinstellungen für maximal zwei Jahre vorgenommen werden. Eine Verkettung mehrerer Befristungen hintereinander über diese zwei Jahre hinaus ist nicht möglich. Betriebe setzen sachgrundlose Befristungen unter anderem deshalb ein, weil eine gerichtsfeste sachliche Begründung einige juristische Kenntnisse erfordert.

Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung würde ironischerweise den Bereich mit der höchsten Befristungsneigung gar nicht treffen – den öffentlichen Dienst. Angestellte im öffentlichen Dienst der Länder sind zu 28 Prozent befristet beschäftigt – gegenüber sieben Prozent in der Privatwirtschaft. Der öffentliche Dienst hat sich aber einen Blankoscheck ins Befristungsgesetz geschrieben: Als Sachgrund gilt auch, wenn der Arbeitnehmer aus Mitteln vergütet wird, die für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind. Dank dieser Regelung ist der öffentliche Dienst gar nicht auf die sachgrundlose Befristung angewiesen. Wer glaubhaft etwas gegen Befristungen unternehmen will, der kann daher am ehesten im öffentlichen Dienst anfangen, statt die Privatwirtschaft mit unangemessenen Regulierungen zu befrachten.

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